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Tonabnehmer justieren

Tonabnehmer richtig einbauen

Der Einbau und die Justage eines Tonabnehmers sind kein Hexenwerk und mit den richtigen Hilfsmitteln sogar relativ einfach. Hier zeigen wir Ihnen einige Tipps & Tricks zum Thema.

Autor: Roland Kraft • 17.5.2019 • ca. 4:15 Min

Tonabnehmer richtig einbauen
Optimal: Eine mitgelieferte Schablone für den Achsabstand erlaubt die perfekte Montage des Tonarms (Ortofon, Tonarm TA-210).
© Ortofon

Zunächst noch ein kleiner und abschließender Exkurs zum Thema Abtastgeometrie. Wir haben gesehen, dass sich die Lage der Nulldurchgänge unmittelbar aus dem zur Berechnung angesetzten Abtastbereich ergibt und dass es darum geht, die aus Spurfehlwinkeln herrührenden Abtastverzerrungen nicht nur an...

Zunächst noch ein kleiner und abschließender Exkurs zum Thema Abtastgeometrie. Wir haben gesehen, dass sich die Lage der Nulldurchgänge unmittelbar aus dem zur Berechnung angesetzten Abtastbereich ergibt und dass es darum geht, die aus Spurfehlwinkeln herrührenden Abtastverzerrungen nicht nur an zwei Punkten, sondern über den gesamten Bereich zwischen Außenrillenradius und Innenrillenradius zu reduzieren. 

Lesetipp: Die geometrischen Verhältnisse am Drehtonarm verstehen

Die Betrachtung über die Höhe des Klirrgrads als Verlauf über den gesamten Abtastbereich ist also sehr wichtig, die Verzerrungen sollen ja maximal 0,5 Prozent nicht überschreiten, denn harmonischer Klirr in der Größenordnung von mehr als etwa 0,2 Prozent kann bereits als lästig empfunden werden. 

Deshalb geht es darum, „die größtmöglichen Verzerrungen niedrig zu halten“ (Walter E. Schön). Die Lage des anzusetzenden Innenrillenradius ist dabei von großer Bedeutung, denn hier sind die Verzerrungen am größten. Setzt man die 57,5 Millimeter nach DIN-IEC 98 an, befindet man sich auf der sicheren Seite. 

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Eine Optimierung auf einen Innenrillenradius von 60 Millimetern oder sogar mehr würde nämlich bedeuten, dass der maximale Klirr im Verlauf der Abtastkurve nur um einen winzigen Betrag abnimmt, während er, läge eine Platte mit einer Innenrille bei 57,5 Millimetern vor, dort krass auf Werte bis zu knapp unter einem Prozent ansteigen würde. 

Normalerweise bezeichnet man so etwas als „Güterabwägung“, Sammler vorwiegend älterer und sehr alter Schallplatten wissen allerdings, dass bei vielen der alten Scheiben bis hart an das Label herangeschnitten wurde.

Tonabnehmer richtig einbauen - Auflagekraft
Das Eigengewicht einer 0,5-Millimeter-Druckbleistiftmine spielt keine Rolle. Also vorher anbringen, dann Auflagekraft zugeben.
© WEKA Media Publishing GmbH

Unvermeidbare Toleranzen

Wenn man also einen Abtastbereich von 146,05 Millimetern und 57,5 Millimetern zugrunde legt, ergibt die Berechnung (die Formel dazu lassen wir jetzt einmal außen vor) zwei Nullstellen bei den Radien 119,17 Millimetern und 63,10 Millimetern. Das sind Werte, die vielen Schablonen (und Tonarmen) zugrunde liegen. 

Wie man unschwer erkennt, befinden sich hier zwei Stellen hinter dem Komma. Das muss uns unweigerlich zu der Frage bringen, wie genau man überhaupt einstellen kann. Würden wir uns diese Frage nicht stellen, könnte man jetzt eine Schablone mit den benannten Nullstellen anfertigen und anfangen, Tonabnehmer zu justieren.

 Was üblicherweise auch genau so gemacht wird. Aber geht es auch etwas schlauer? Ja. Das geht. Und genau diese weiterführenden Betrachtungen hat auch Walter E. Schön angestellt. Herausgekommen sind, so viel sei vorweggenommen, andere Nullstellen.

Tonabnehmer richtig einbauen - Überhang
Wo ist die Nadel bei Parallelität der Bleistiftmine zu den Linien der Schablone? Überhang zu klein: System nach vorne versetzen. Und umgekehrt.
© WEKA Media Publishing GmbH

Justageschablonen nutzen einen Effekt aus, der bekannt ist: Unsere Augen sind imstande, nicht parallele Linien recht gut zu erkennen, sofern man gerade von oben daraufschaut. Also sind auf Schablonen die Nullstellen markiert, präzise dort soll die Nadel positioniert werden, während man die Parallelität der Gehäusekanten des Tonabnehmers mit den Hilfslinien auf der Schablone prüft.

In der Praxis sind die Abtastdiamanten winzig, Tonabnehmergehäuse öfters mal eine Frage von Marketing (erhabene japanische Schriftzeichen auf Tonabnehmern verbessern den Klang nur im Auge des Betrachters), oder die Gehäuse weisen weder gerade Flächen noch gerade Kanten auf. 

Übrigens ist die Vermeidung von Resonanzen im Inneren eines Abtasters durch spezielle Gehäuseformen und Materialien diskutabel in Relation zu einprozentigem Klirr, weil sich das Juwel nicht genau einbauen lässt. Und Gehäuse aus Halbedelstein erhöhen nur das Gewicht... Aber das sind andere Geschichten. 

In der Praxis besorgt sich der penible Justierer superleichte Druckbleistiftminen von 0,5 Millimetern Durchmesser und klebt diese an eine gerade, vorzugsweise vordere Gehäusefläche des Systems. Wer eine Pinzette verwendet: Diese sollte unbedingt antimagnetisch sein.

Durch diese Verlängerung der Gehäusekanten des Systems gelingt die Einstellung, Sorgfalt vorausgesetzt, viel genauer, als man denken würde. Hindernisse dabei sind Tonabnehmer-Bauformen, bei denen es fast unmöglich ist, die Nadelspitze richtig zu sehen und genau zu positionieren, oder schlicht und ergreifend Systeme, bei denen der eigentliche Generator (und damit Nadelträger und Nadel) nicht präzise ausgerichtet ins Gehäuse eingebaut wurde. 

Musik Platten

Von schiefstehenden Nadelträgern ganz zu schweigen. Aus all dem ergibt sich die Möglichkeit, die erzielbare Genauigkeit und damit die mögliche Toleranz einzuschätzen. Das hat Walter E. Schön bereits 1981 in einem aufwendigen Prozess, dessen Beschreibung den Rahmen hier sprengen würde, getan. Das erstaunliche Ergebnis ist ein mittlerer Winkelfehler von plus/minus 0,3 Grad. 

Daraus ergibt sich eine reale (Abtast-) Kurve, die innerhalb einer Toleranzzone liegt, welche die Idealkurve umgibt. Diese Toleranzzone ist außerdem nicht immer gleich weit, sondern wird zur Innenrille hin stetig weiter. Was man nun tun kann, ist, den Klirrverlauf innerhalb dieser Toleranzzone in Bezug auf Klirr-Maxima zu untersuchen. 

Das kleinstmögliche Klirr-Maximum ergibt sich genau dann, wenn die Klirr-Maxima alle gleich groß sind. So lässt sich unter Berücksichtigung der unvermeidbaren Toleranzen eine neue, verbesserte Kurve berechnen, deren Nullstellen bei 62,5 Millimetern und 117,2 Millimetern liegen.

Und genau das sind die Nullstellen auf der Schön-Schablone Typ 2, an denen wir uns bemühen, unsere hoffentlich sehr penibel angebrachte Beistiftmine genau in Parallelität zu den Hilfslinien zu bringen.

Allgemeine Tipps

Nicht beirren lassen: Die geschilderte Vorgehensweise mithilfe der Schön-Schablone führt zu passablen Ergebnissen, wenn Sie einen schlechten (Einstell-)Tag haben, und zu sehr guten Ergebnissen, wenn Sie womöglich eine Lupe bemühen, um die Position der Nadelspitze auf der Schablone präzise einzustellen, was erfahrungsgemäß schwieriger ist als das „Peilen“ von oben auf Ihre Bleistiftmine. 

Bei Tageslicht zu arbeiten, ist dabei immer eine gute Idee, eine kleine Taschenlampe zu verwenden eine hilfreiche Alternative. Ganz schlecht ist nur von einer Seite kommende Beleuchtung! 

Stabilisieren Sie den Plattenteller mit Klebeband und stellen Sie das Antiskating am Tonarm bei Nenn-Auflagekraft des Tonabnehmers so nach, dass der Arm beim langsamen Absenken über den Lift nicht dauernd die Tendenz hat, seitlich abzuweichen (das Laufwerk sollte schon präzise horizontal stehen). 

Unser allerwichtigster Tipp ist ebenso banal wie einleuchtend: Lassen Sie nie den Tonarmlift aus den Augen! „Oben“ oder „unten“ entscheidet über Ach und Weh...