Testbericht
Backes&Müller BM 35
Ihr neuartiger Zylinderwellenstrahler bildet Musik so präzise ab wie kein anderer Lautsprecher. Technisch ist die Aktivbox BM 35 eine Revolution - auch klanglich?
- Backes&Müller BM 35
- Datenblatt

Für den Puristen mit LP-Dreher und Röhren-Amp muss der BM-35-Lautsprecher von Backes&Müller wie ein Schock wirken: mit digitaler Aktivweiche, vom Fraunhofer-Institut berechnetem Chassis und Anschlüssen für einen Laptop.
B&M-Chefentwickler Johannes Siegler, auch im Studiobereich sehr erfolgreich, sind nostalgische Anwandlungen fremd. Doch kann eine einzige Box mit den hartnäckigen Vorurteilen gegenüber der Aktiv- wie der Digitaltechnik aufräumen? Sie kann. Je nach Musik und Hörer braucht sie dafür nur wenige Minuten: mit einer räumlichen Abbildung, wie sie die High-End-Welt noch nie gehört hat.
In der Mitte Hochton
Während viele High-End-Hersteller mittlerweile in dieselben Chassisregale greifen, ist der zentrale Wandler der BM 35 so ungewöhnlich, dass nicht einmal Kenner sofort seine Funktionsweise erraten können. Es ist kein Bändchen, sondern ein Zeilenstrahler mit dynamischem Antrieb. Von 800 bis 20.000 Hertz soll er die Abstrahlung in der Höhe schmal halten - Schallreflexionen an Boden und Decke im Hörraum werden so immens reduziert, die Ortung wird besser.
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Diese Bündelung versprechen viele andere technische Prinzipien auch - im Gegensatz zu Bändchen und d'Appolito-Anordnung hält der B&M-Strahler dieses Verhalten aber bei allen Tonhöhen durch. Dafür sorgt auch die hölzerne Schallführung, die zudem Kantenreflexionen verhindert. Vorne sitzen vier Konus-Chassis, ähnlich einer Linienschallquelle übereinander montiert, die beiden äußeren werden sanft ausgeblendet - so werden auch mittlere Töne ähnlich deutlich, aber gleichmäßig gebündelt. Noch komplexer wird es auf der Rückseite der BM 35: Die beiden 25 Zentimeter großen Sub-Bässe sind in großem Abstand zueinander montiert. Das hat den Vorteil, dass sie die vertikale Raumresonanz weit weniger anregen als ein einzelner Woofer.

Total Digital
Zu einem trockenen und ausgewogenen Tieftonerlebnis trägt auch der Verzicht auf einen Bassreflex-Resonator bei, ebenso wie die Sensorregelung, bei der die Elektronik die Lage der Membran ständig dem Musiksignal anpasst und so Verzerrungen, Kompression und Nachschwingen verhindern soll. Mittig gibt es eine geschlossene Kammer für die Elektronik, die Endstufen sind in klassischer A/B-Technik aufgebaut.
Digital ist dagegen die komplette Weichenelektronik: Ein Digitaler Signalprozessor (DSP) mit 32 Bit Auflösung verteilt die Signale an die Endstufen und sorgt nicht nur für einen schnurgeraden Frequenzgang, sondern optimiert auch den Phasengang: Alle Frequenzen werden zeitgleich abgestrahlt, selbst der Tiefstbass spielt zeitrichtig. Die Kalibrierung jedes Exemplars per Mikrofon und Laptop garantiert absolute Paargleichheit - wichtig für eine gute Abbildung.
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Auch ohne PC kann der Besitzer die drei parametrischen Filter sowie eine zusätzliche Ortsentzerrung per Regler anpassen. Das war auch notwendig im Falle des AUDIO-Hörraums, in dem eine Raummode für Auslöschungen im Bass sorgte. Die polarisierende Taille älterer B&Ms hat die Neue nicht mehr - sie wirkt trotz der Höhe von 1,70 Meter schlank und elegant. Seitenpanels und Schallführung werden aus Massivholz gefertigt, die Schallwand für die Mitteltöner besteht dagegen aus poliertem Stein. Im Inneren zeigt sich solide Wertarbeit: dicke, verstrebte MDF-Wände und getrennte Gehäuse für Tief- und Mitteltöner, die dank schräger Bauweise gegen stehende Wellen immun sein sollen.

Musik ... sonst nichts
Als Anwärterin für die Referenzklasse bekam die BM 35 mit der Focal Grand Utopia harte Konkurrenz - und mit Berlioz' "Te Deum" (AUDIO Super-Hörkurs-CD 5) auch komplexe Kost vorgesetzt. Wo die Focal die Positionen der 400 Musiker nur skizzierte, stellte die Backes jeden einzelnen an seinen richtigen Platz: unglaublich! Sie ermöglichte sogar auf ungünstigeren Sitzplätzen ein Durchhören der Musik, ein Mitverfolgen jeder einzelnen Stimme. Kollege Lothar Brandt attestierte ihr die "Abbildungsschärfe einer Lesebrille" - aber mit der Breite eines Panoramagemäldes. Die Focal konterte die etwas überdeutliche Artikulation mit einer sanfteren, tonal volleren Vokalwiedergabe.
Praxis: Lautsprecher richtig aufstellen
Beim einst beliebten Testtrack "Tricycle" von Flim & The BB's schnellte der Tiefbass mit ungekannter Präzision aus den geregelten Woofern, die Focal weichte diese Bassschläge merklich auf. Die detaillierte Ehrlichkeit der BM 35 kann aber auch ernüchternd wirken. Schwächen der Aufnahmetechnik legt sie gnadenlos offen.

Es nahte die Stunde der Wahrheit, die Benotung. Die Focal musste sich in puncto Abbildung und Durchhörbarkeit geschlagen geben, im Bass war sie kräftiger, dafür weniger genau. Trotz ihres Sieges taugt sie als Arbeitsreferenz für die Redaktion aber nur sehr bedingt - wie soll man mit ihr eine Endstufe testen? Mit dem passenden B&M-CD-Player werden dank konsequenter Digitalverbindung sogar Vorstufe und Wandler überflüssig. Auch High Tech kann eben konsequent sein - und wunderbar klingen.
Fazit
Die BM 35 von Backes&Müller könnte mit ihrer Technik eine neue Ära der High-End-Geschichte begründen - die des digitalen Aktiv-High-End. Letztlich ist es aber ihr Klang, genauer gesagt: ihr beeindruckendes Bühnenbild, diese bisher unerreicht detaillierte und fast begehbar räumliche Darstellung der Musik, die sie von allen anderen Lautsprechern unterscheidet. Das funktioniert sogar ohne perfekt bedämpften Raum und eine millimetergenaue Aufstellung. Toll, dass eine solche Revolution endlich mal wieder aus Deutschland kommt!
Backes & Müller BM35
Backes & Müller BM35 | |
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Hersteller | Backes & Müller |
Preis | 56000.00 € |
Wertung | 107.0 Punkte |
Testverfahren | 1.0 |