Kompaktbox
Focal Sopra 1 im Test
Auch das Konzept der Zwei-Wege-Box kann man weiterentwickeln. Die Sopra 1 von Focal ist eine der schönsten, wohlklingendsten Kompaktboxen. Wie schlägt sie sich im Test?

Das Klischee sagt: eine Kompaktbox besteht aus Tiefmitteltöner, Hochtonkalotte und einem mehr oder minder kreativ geformten Gehäuse. Das gilt auch für die neue Sopra 1 der französischen Mustermanufaktur Focal. Die Sopra- Linie (Sopra heißt im Italienischen "oben" oder "ober" und erinnert an die Stimmlage Sopran) positioniert man im modern-technischeren Design unmittelbar unter den Flaggschiffen der Utopia-Linie. Nun reibt sich der Focalist verwundert die Augen: stolze 8000 Euro das Paar für eine Zwei-Wege-Kompaktbox, die auch noch eine ähnliche Bestückung gegenüber dem ähnlich teuren und nunmehr sieben Jahre am Markt befindlichen Schwestermodell Diablo Utopia aufweist? Wo bleibt da der Fortschritt?
Gemach! In der Sopra 1 steckt genug Innovation, ohne dass die Box gleich revolutionär anders aussieht. Die augenfälligste Neuerung ist das breite, offene Gitter auf der Rückseite hinter dem Hochtöner. Dahinter oder vielmehr davor steckt die Idee, die invers geformte Beryllium- Kalotte auf ein nach hinten offenes Volumen spielen zu lassen, was zugleich aber völlig resonanz- und kompressionsfrei die rückwärtigen Schallanteile quasi ins Nichts laufen lässt. Im Gegensatz zu berühmten Boxen von Mitbewerbern, die diesen Effekt mittels eines konischen Röhrchens erzielen wollen, öffnet sich das bei Focal "Infinite Horn load" genannte Bedämpfungselement trompetenförmig nach hinten. Dadurch versprechen sich die Focal-Entwickler reduzierte Verzerrungen im kritischen Bereich 1,5 bis 4 kHz um nicht weniger als 30%, was die Ankopplung einfacher macht.
Revolution aus der Mitte
Deutlich weiter als beim Beryllium- Hochtöner, dessen Membran und Aufhängung man bei Focal schon mit der Utopia-3-Serie für ausentwickelt betrachtete, gehen die Neuerungen beim Tiefmitteltöner. Bei der Membran hielt man am W-Cone fest, einem Sandwich aus ultrahartem Glasfiber und hochdämpfendem Spezialschaumstoff, wie er schon in der Diablo Utopia eingesetzt wurde.

Völlig neu ist dagegen der Antrieb des 17 Zentimeter messenden Allround-Konus: Während das Schwestermodell mit einem "Flower"-Magneten mit sechs außen angebrachten Neodym- Pillen Kraft gewinnt und Kompression wie magnetische Unlinearitäten vermeidet, treibt nur ein einziger winziger Neodym- Ring den Sopranisten über eine auch mit 25 mm Durchmesser sehr kompakte Schwingspule an. Die drohenden Unlinearitäten, die das starke, sich bewegende Magnetfeld der Schwingspule bei hohen Strömen auf den Permanentmagneten ausübt, bekam man mit einem trickreich platzierten Abschirmring aus Kupfer, dem sogenannten Faradayschen Ring, in den Griff. Das erlaubt höhere Auslenkungen ohne Verlust an Antriebskraft und zugleich eine sehr niedrige Tuning-Frequenz, die der kompakten Schönheit ungeahnten Tiefgang verleihen soll.
Doch was passiert mit der Aufhängung der nicht allzu großen Membran, wenn sie derartige Sprünge vollführen und zugleich den gesamten Mittenund Präsenzbereich verzerrungsfrei und transparent wiedergeben soll?
Als Problemquelle machten die hauseigenen Akustikforscher besonders den Übergang zwischen Sicke und Membran aus: Wird die herkömmliche Sicke mit notwendigerweise recht leichter (weil schnellerer) Konstruktion so stark ausgelenkt und beschleunigt, fängt sie selbst zu schwingen an und zieht die Membran gegenphasig in unerwünschte Richtungen. Um das zu vermeiden, bekamen die Gummiringe zwei ringförmige Massedämpfer eingegossen, die jegliche Reflexion von der Außenbefestigung abdämpfen und der Membran damit ein völlig kolbenförmiges Schwingen ermöglichen.

Bei der von Reflexionen unbeeinflussten Wiedergabe hilft auch das Gehäuse: Es ist nicht einfach angefast, sondern vollständig verrundet, Kantenreflexionen haben also weder vom Konus noch von der Kalotte irgendeine Chance. Die leicht angeschrägte Form ist dabei kein Design-Gag, sondern ergibt sich aus dem trompetenförmigen Hochtönergehäuse einerseits und der leichten Anwinklung und kohärenten Positionierung des Konus, um Laufzeit- und Abstrahldifferenzen zum Hörer auszuschließen.
Hörtest
Und so begann auch der Hörtest mit einer eindrucksvollen Vorstellung: Friedemanns "Saitensprung" klang vielleicht weniger wuchtig als bei den XXLKompakten, dafür homogener, feinperliger in den Höhen und mit einer atemberaubenden Genauigkeit im Timing.Im Vergleich zur Diablo Utopia macht die Sopra 1 dabei auch etliche Dynamik- und Basspunkte gut und präsentierte sich stimmiger, erwachsener.
Katie Meluas "Lucy in the sky with diamonds" überzeugte mit einer wohligen Club-Atmosphäre, einer perfekt ausgeleuchteten Gitarre und einer samtweichen, doch zugleich spritzigen und detailreichen Stimmdarstellung.
War die Grundabstimmung nun eher detailreich oder eher sanft? Beides! In einer bis dato ungekannt audiophilen Balance vereinte die Sopra scheinbare Gegensätze, und das auch bei kritischem Musikmaterial: Jochen Kowalskis Countertenorstimme bei Bachs "Ich habe genug" klang hier strahlend und rein, die Focal folgte jeder dynamischen und klangfarblichen Schattierung, ohne jedoch auch nur eine Spur aggressiv oder scharf zu wirken. Zum Finale lud eine Rockband samt Orchester: Scorpions "Acoustica" mit den Berliner Philharmonikern war anderswo vielleicht schon druckvoller zu hören, keinesfalls aber so impulsgenau, mitreißend und fein transparent. Womit die Frage, ob es einen hörbaren Fortschritt bei klassischen Kompaktboxen gibt, auf besonders elegante Weise mit Ja beantwortet wurde.