Focal Sopra 2 im Test
Für die meisten HiFi-Liebhaber blieb die Utopia-Serie immer eine Utopie. Nach zwei Jahrzehnten soll die erschwinglichere Sopra 2 durch Techniktransfer Träume wahrmachen. Wir haben die Boxen von Focal getestet.

Vor 20 Jahren entwarf Focal die Grande Utopia und verschaffte sich damit einen Logenplatz in der ewigen Bestenliste. Mit der neuen Sopra-Serie kommen viele Utopien endlich auch in der Realität der nicht zu den Großverdienern zählenden Menschen an. Zudem lässt sich auch mit den kompakteren Gehäu...
Vor 20 Jahren entwarf Focal die Grande Utopia und verschaffte sich damit einen Logenplatz in der ewigen Bestenliste. Mit der neuen Sopra-Serie kommen viele Utopien endlich auch in der Realität der nicht zu den Großverdienern zählenden Menschen an. Zudem lässt sich auch mit den kompakteren Gehäusen der Kundenkreis erweitern. Nachdem wir in Ausgabe 8/15 bereits die Zwei-Wege-Kompaktbox Sopra No. 1 mit überragendem Ergebnis getestet haben, tritt jetzt die große Schwester an: Die Focal Sopra No. 2 ist ein Drei-Wege-Standlautsprecher für Räume zwischen 30 und 70 Quadratmetern.
Verkleinerte Kopie?
Mit ihrer Höhe von knapp 1,2 Metern wirkt sie wie eine maßstabsgetreu verkleinerte Kopie der Grande Utopia. Das perfekte Finish weckt Begehrlichkeiten. Die Sopra-Reihe wird im eigenen Werk in St. Étienne von Hand montiert. Sie weist so viele Besonderheiten auf, dass man über sie als einen der wenigen Lautsprecher einen Roman schreiben könnte, ohne die Leser zu langweilen. Selbst in diesem vierseitigen Bericht lässt sich nicht so leicht alles Wichtige unterbringen.
Focal zählt zu den Herstellern mit der höchsten Fertigungstiefe im Lautsprechersektor und lässt sich außergewöhnlich tief in die Karten blicken. Die Franzosen lieferten uns Messungen und Simulationsergebnisse bis in die kleinsten Details der Magnet-Systeme. Schließlich machte die Optimierung der Antriebe und Arbeitsbedingungen einen großen Teil der Arbeit an der neuen Baureihe aus.
Bei den High-Tech-Materialien der Membranen im Hause Focal gab es wenig Spielraum.Gerade mit der aus reinem Beryllium gefertigten 2,5-cm-Inverskalotte des Hochtöners hatten die Entwickler bereits vor 20 Jahren die Grenzen des Machbaren ausgereizt.
Doch in der Peripherie fand sich noch Potenzial für Verbesserungen. Stichwort IHL (Infinite Horn Loading): Weil die Luftverdichtung in der Kammer hinter dem Hochtöner selbst der extrem leichten und dabei steifen Beryllium-Kalotte Grenzen in der Performance setzt, haben die Konstrukteure ein endloses Horn ersonnen. Damit simulieren sie ein unendlich großes Volumen, ohne den Tieftönern, die noch mehr Platz zur Entfaltung ihrer Talente benötigen, etwas abzuzwacken.

Die kleine Kammer auf der Rückseite des im Magnetkern durchbohrten Beryllium-Hochtöners mündet in ein zur Gehäuserückseite ausgerichtetes Horn. Dessen Inneres ist mit Dämmschaum unterschiedlicher Dichte gefüllt, um die nach hinten abgestrahlten Schallwellen sanft zu absorbieren. Weil der Luftwiderstand dieser trompetenförmigen Öffnung gegen null tendiert, wird die Auslenkung und damit das Auflösungsvermögen der Kalotte nicht beeinträchtigt. Voilà, da hätten wir einen neuen, handwerklich elegant umgesetzten Ansatz für ein Problem, das Bowers & Wilkins mit dem Nautilus-Röhrchen regelt.
Das aufwendig gestaltete IHL-Modul fügt sich perfekt in den Knick zwischen dem Bassgehäuse und den nach vorne gekippten Aufsatz für den Mitteltöner ein. Der Mitteltonbereich verkörpert in den Augen der Focal-Entwickler das zentrale Schlachtfeld, wenn es um klangliche Durchbrüche geht, weil er im Spagat zwischen Hochton- und Bassbereich eine Brücke zwischen dem Dynamikverhalten des einen und der Abstrahlcharakteristik des anderen bewerkstelligen muss. Deshalb rückten sie dem mit 16,5 cm Durchmesser für beide Aufgaben angemessen dimensionierten Mitteltöner mit einer selbstentwickelten Simulations-Software unter Anwendung der Finite-Elemente-Analyse zu Leibe.
Anders als in der Vergangenheit stand dabei nicht nur die Erhöhung der Frequenz, bei der die W-Sandwich-Membran aufbricht, im Mittelpunkt des Interesses. Diesmal nahmen sie sich der Sicke an und entwickelten eine Bedämpfung störender Resonanzen. Daraus entwickelte Focal TMD (Tuned Mass Damper): eine Lösung des Zielkonflikts zwischen Resonanzbedämpfung, die gewöhnlich zu erhöhter Masse führt, und Bewegungsfreiheit, die sich wiederum nur mit einer leichten Sicke erreichen lässt.
Revolution der Sicke
TMD basiert auf einem Effekt, den sich auch Rennwagenkonstrukteure zunutze machen, indem sie an neuralgischen Punkten Schwingungstilger mit einer definierten Masse anbringen. Die "französische Revolution" der Sicke stützt sich auf zwei umlaufende Verdickungen und wurde zum Patent angemeldet. Ein Übriges zum perfekten Schwingungsverhalten soll die exponenzielle Formgebung der Membran beitragen.

Ein jahrelanges Forschungsprojekt führte Focal zu einer verbesserten Simulation des Magnetfeldes im Antrieb, die ein tieferes Verständnis für Dimensionierung, Positionierung und die Materialeigenschaften des zur Kontrolle des Magnetfelds gebräuchlichen Faraday-Rings förderte. Damit will der Boxenbauer mit eigener Chassis-Fertigung ein stabileres Magnetfeld erzielen, das bessere Kontrolle der Membran- Auslenkungen ermöglicht.
Am Ende stand NIC (Neutral Inductance Circuit), das dritte verheißungsvolle Kürzel hinter der neuen Baureihe. NIC soll die beiden 18-cm-W-Sandwich- Tieftöner und den W-Sandwich- Mitteltöner gleichermaßen in den Bereichen Auflösung und Dynamik beflügeln.
Das von der Grande Utopia abgeleitete Gehäuse-Design verfügt über Focus-Time-Anordnung mit nach vorne geneigtem Mitteltöner oberhalb des auf Ohrhöhe angebrachten Hochtöners für den gleichen Abstand der einzelnen Treiber zur Person. Um den Bässen zu mehr Volumen zu verhelfen, trennt das mittig angeordnete IHL-System die beiden Gehäusehälften nicht vollständig voneinander. Fest steht, dass die Verarbeitungsqualität eine der besten ist, die wir kennen.

Detail-Fetischist
Nun war es an der Zeit, den Klang zu erforschen. Was dabei zutage kam, verwischte die Grenzen zwischen Arbeit und Vergnügen. Die Französin betörte vom ersten Ton an mit einer raffinierten, wohldosierten Mischung aus Präzision, Spielfreude und höchster Neutralität. Das kam sehr schön bei Johnny Cashs Album "American V", etwa beim Titel "If You Could Read My Mind", zum Ausdruck. Gitarre und Stimme setzte die Sopra No. 2 mit Schmelz und Detailreichtum in Szene. Die Attacke und das Ausschwingen der Saiten waren perfekt auf den Punkt. Scheinbar schwerelos meisterte sie auch die Stücke auf der stereoplay- CD "Perfektes Timing Vol. 1", die belegten, wie perfekt die Treiber in puncto Tonalität und auch Timing aufeinander abgestimmt waren.
Einzig der Oberbass drängte sich ganz leicht in den Vordergrund, während sich die Focal ganz unten vornehm zurückhielt. Das fiel im Vergleich mit der B&W 802 Diamond auf, die es genau umgekehrt machte. Sie trug ganz unten etwas dicker auf, blieb jedoch im Oberbass sehr kontrolliert.
Am oberen Ende des Hörspektrums lieferte sich die betagte B&W mit der Sopra ein Duell der hochfesten High- Tech-Hochtöner, das mit einem Patt ausging. Schließlich entschieden die Mitten den Quercheck eindeutig zugunsten der Französin, die hier detailreicher wirkte und eine klar fokussierte, plastische Abbildung bot. Die Britin bildete flächig ab und versetzte sämtliche Klangkörper ein Stück nach hinten, während ihre Obertöne sich nach vorne drängelten.
Man konnte mit der 802 Diamond nicht so tief in den Raum hineinhören und sie wirkte auch nicht so neutral. Das machte die Sache klar: Die Focal Sopra No. 2 etablierte sich eine Stufe über der Ikone bei 64 Klangpunkten.