Smartphone
HTC U12 Plus im Test
Beim U12 Plus stimmt der Unterhaltungswert, und auch das Bedienkonzept hat was. Womit kann HTCs Topmodell im Test noch punkten?

Unter Druck das Richtige tun. Vor dieser Herausforderung steht derzeit der taiwanesische Markenhersteller HTC, der mit ambitionierten Smartphones wie dem U12 Plus nur zu gerne in die Erfolgsspur zurückkehren möchte. Bereits die beiden Vorläufer, das U11 Plus und das U11, zeigten vor allem mit ihren exzellenten Kameras und ihrem ausgefallenen Edge-Sense-Bedienkonzept gute Ansätze.
Beim Nachfolger bleibt HTC seinem Weg treu. Augenscheinlichste Neuerung: In die glatten Glasoberflächen ist auf der Vorder- und der Rückseite jeweils eine Dual-Kamera eingebettet. Damit lassen sich unter anderem eindrucksvollere Porträtaufnahmen mit variabler Unschärfe im Hintergrund (Bokeh) erstellen.
Glänzender Auftritt
Aufsehen erregen seltene Farbvarianten wie ein goldschimmernder Glasrücken in Rot oder das dezent lichtdurchlässige Schwarz-Blau. Abgesehen von den Fingerspuren sieht das U12 Plus blendend aus. Die Hauptkamera ist nahezu plan eingebunden, der Fingerabdrucksensor so weit entfernt, dass man die Linsen beim Entsperren kaum versehentlich berühren kann.
Die für den turbulenten Alltag nötige Robustheit bringt der knapp 190 Gramm schwere Metall-Glas-Mix allemal mit. Das exzellent verarbeitete Gehäuse ist nach IP68-Norm zertifiziert und gilt damit unter Einhaltung der Testvorgaben als staubdicht und wasserresistent.

Druckempfindlicher Rahmen
Der Übergang zwischen der sanft gerundeten Rückseite und dem Korpus verläuft fließend. Auf der Oberseite mag die kleine Abstufung zwischen dem Gorilla-Schutzglas und dem Rahmen die Optik ein klein wenig stören. Doch das hat einen praktischen Grund: Die geradlinige, leicht hervorstehende Kante erleichtert die Edge-Sense-Steuerung über die drucksensiblen Seitenränder.
Wie gehabt registrieren Sensoren den Händedruck und führen dann die gewählten Bedienschritte aus. HTC hat hier die „Griffvarianten“ und vor allem das Funktionsangebot erweitert. Das Gute: Edge Sense arbeitet auch mit selbst installierten Apps aus dem Play Store zusammen. Künftig soll jede Anwendung individuell auf die gewünschte Art mit Druck umgehen. In der Beta-Version klappte das. Ein bereits realisiertes Beispiel: In Google Maps vergrößert ein Händedruck den Kartenausschnitt. In der Benutzeroberfläche startet dagegen der Edge Launcher.
Ein/Aus-Schalter und Lautstärketasten sind mechanische Attrappen. Sie reagieren manchmal schwerfällig auf Druck und sind daher (ein-)gewöhnungsbedürftig. Dabei helfen kurze Vibrations-Rückmeldungen.

Nichts Neues beim Display
Beim nahezu vollformatigen Bildschirm scheint alles beim Alten geblieben zu sein. Technologie (LCD), Format (18:9), Größe (6 Zoll) und die hohe Auflösung (1440 x 2880 Pixel) wurden vom U11 Plus übernommen. Die Inhalte werden denn auch knackig-scharf dargestellt. Leider fällt die gemessene Helligkeit mit 306 cd/m2 weiterhin zu gering aus. In heller Umgebung leidet so die Ablesbarkeit.
Hervorragende Performance
In Fahrt kam das High-End-Smartphone in den Benchmark-Tests. Kein Wunder: Mit dem Snapdragon 845 treibt kein Geringerer als Qualcomms aktueller, KI-fähiger Top-System-Chip das Gerät zu Höchstleistungen. Mit 6 GB Arbeitsspeicher und frei nutzbaren 48 GB stimmt zudem das Platzangebot. Der vorhandene Hybrid-Steckplatz nimmt wahlweise eine Micro-SD-Speicherkarte oder eine zweite Mobilfunkkarte auf. Herstellerangaben zufolge unterstützt das U12 Plus in der Dual-SIM-Variante die Sprachtelefonie in den LTE-Netzen (VoLTE) noch nicht. Das soll sich aber demnächst ändern.

Zwei Dual-Kameras
Bereits die Fotoabteilungen der Vorgänger hatten es in sich. Beide mussten sich aber vorne und hinten mit jeweils einem Optiksystem begnügen. In HTCs neuem Spitzenmodell steht der 12-Megapixel-Hauptkamera mit optischer Bildstabilisierung eine relativ lichtschwache Teleoptik (f/2.6) zur Seite. Deren optischer Zweifach-Zoom vergrößert bei gutem Licht die Motive ohne nennenswerte Qualitätsverluste.
In den Messungen kam die neue Dual-Kamera zwar nicht ganz an die herausragenden Vorgänger heran. Unsere Probeaufnahmen überzeugten dennoch: Die Fotos zeigten bis in den Hintergrund viele Details und wirkten mit ihren natürlichen Farben schön ausgewogen. Der jetzt lasergestützte Autofokus stellte schnell und präzise scharf.
Bei Tageslicht liefern viele Top-Smartphones gute Bilder. Die Testaufnahmen des U12 Plus lagen darüber hinaus auch bei ungünstigeren Lichtverhältnissen auf einem vorzüglichen Niveau. Auch hier überzeugten die vergleichsweise geringen Farbabweichungen und die Detailtreue. Selbst das Bildrauschen hielt sich in Grenzen.
Absolut sehen lassen können sich auch die Videoclips, die im 4K-Format mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde aufgezeichnet werden. Für den guten Aufnahmeton sorgen vier Mikrofone. Die Audio-Boost-Funktion wirkt wie ein akustischer Zoom und zeichnet die O-Töne der Motive in höherer Lautstärke auf.
Und die Selfies? Das 8-Megapixel-Duo erstellte ansehnliche Porträts mit manuell oder automatisch geregelten Bokeh-Effekten. Die voreingestellte Automatik des Verschönerungsprogramms meinte es allerdings zu gut. Hier wäre weniger mehr gewesen. Aber das lässt sich in den Einstellungen anpassen.

Hier spielt die Musik
Auf den guten Ton im Smartphone hat HTC schon immer großen Wert gelegt. Unser Testexemplar machte da keine Ausnahme: Das Stereo-Duo, bestehend aus Telefon-Hörer und Freisprech-Lautsprecher, gab die Musik passabel wieder. Mit dem hochwertigen, bequem sitzenden In-Ear-Headset für den USB-C-Anschluss geht noch mehr: Die Hörbeispiele klangen hier erstaunlich erwachsen. Umgebungsgeräusche kann der Prozessor während der Wiedergabe dezent unterdrücken (Active Noise Cancellation). Zur Optimierung kann man seinen Gehörgang mithilfe von Testtönen und den Hörer-Mikrofonen vermessen und ein persönliches Audio-Profil speichern. Zudem waren Messwerte wie Klirrfaktor und Rauschabstand exzellent. Die fehlende Klinkenbuchse kann mit einem Kopfhöreradapter kompensiert werden. Letzterer lag unserem Paket – im Unterschied zu einem transparenten Cover – nicht bei.
Als Basis für die Sense-Benutzeroberfläche dient Android Oreo (8.0.0). HTC verspricht zudem ein Update auf die kommende Betriebssystem-Generation (Android P).
Im Expresstempo unterwegs
Der Datenaustausch via Mobilfunk und WLAN dürfte in der Praxis stets im Höchsttempo laufen. Beispiel: Das X20- Modem des Qualcomm-Chips schafft im LTE-Downstream bis zu 1,2 Gbit/s. Bluetooth 5.0 und NFC vervollständigen die Funkstandards. Die USB-C-3.1- Schnittstelle verkürzt die Wartezeiten beim kabelgebundenen Datentransfer der Videos und Fotos auf das Notebook. Zudem kann das U12 Plus via USB-C seine Displayinhalte an PC-Bildschirme mit HDMI- oder Display-Port-Anschluss weiterreichen.

Punktabzüge in der Ausdauer
Im connect-Praxismix kam das U12 Plus mit seinem 3500-mAh- Akku auf eine Ausdauer von nur 6:05 Stunden. Das ist in dieser Klasse zu wenig. Zum schnellen Aufladen liegt immerhin ein 12,5-Watt-Netzadapter bei; im Glasgehäuse integrierte Spulen für die induktive, kabellose Energieübertragung fehlen. Im alten D-Netz (GSM) und in den LTE-Bändern bei 800 und 2600 MHz hätten die Sendeleistungen höher ausfallen können. In den Akustikmessungen waren die Ergebnisse in Ordnung.
Vor allem die Abstriche bei der Ausdauer und teils auch bei den Funkeigenschaften verhindern letztlich den Sprung in die Spitzenklasse. Hier sollte HTC die Hebel ansetzen – ohne dabei seine Eigenständigkeit und die gebotenen Entertainment-Qualitäten zu vernachlässigen. Kamera, Audiowiedergabe, Ausstattung sowie die formidable Performance überzeugen im U12 Plus ebenso wie die praktikable, sehr vielseitige Edge-Sense-Bedienung.