Standlautsprecher Technics SB-G90 im Test
Die Standbox Technics SB-G90 orientiert sich technisch am Referenzlautsprecher SB-R1. Kann der High-Tech-Koax im Test auch beim Klang mithalten?

Obwohl die HiFi-Branche hinter den Kulissen hin und wieder einmal gehörig in Bewegung gerät, gelten viele ihrer Marken als Stabilitätsanker in einer schnelllebigen Technikwelt. Eine von diesen Marken, die schon auf eine über 50-jährige Geschichte zurückblicken kann, ist Technics. Seit 1965 fer...
Obwohl die HiFi-Branche hinter den Kulissen hin und wieder einmal gehörig in Bewegung gerät, gelten viele ihrer Marken als Stabilitätsanker in einer schnelllebigen Technikwelt. Eine von diesen Marken, die schon auf eine über 50-jährige Geschichte zurückblicken kann, ist Technics. Seit 1965 fertigt der japanische Elektronikkonzern Panasonic, der damals noch Matsushita hieß, hochwertige HiFi-Technik unter diesem Namen, seit 1973 prangt der schlichte Serifenschriftzug fast unverändert auf den Geräten. Wahren Kultstatus erreichten insbesondere die unverwüstlichen DJ-Plattenspieler aus der SL-1200-Serie, die hierzulande nur als „Zwölf-Zehner“ bekannt sind, dem Spitznamen für die in Clubs und Diskotheken beliebtere Ausführung in Mattschwarz mit der Modellbezeichnung SL-1210.
Noch vor einigen Jahren schien Panasonic, damals selbst mit größeren Umstrukturierungen beschäftigt, die Marke nicht mehr weiterführen zu wollen und stellte 2010 sogar die Produktion des erfolgreichen Kult-Plattenspielers ein. 2014 besann man sich jedoch anders und kündigte zur Internationalen Funkausstellung in Berlin die Wiedergeburt von „Technics“ an, die auch gleich mit einem Paukenschlag begann. Technics präsentierte mit der streamingfähigen Vorstufe SU-R1, der kraftvollen Endstufe SE-R1 und der monumentalen Standbox SB-R1 eine Referenzanlage auf allerhöchstem technischen Niveau und ließ damit durchblicken, wohin die Reise gehen sollte. In den vergangenen drei Jahren wurde das Sortiment Stück für Stück mit innovativen Produkten erweitert, auch der legendäre Zwölf-Zehner durfte endlich seine lang ersehnte Neuauflage erleben, sowohl in der limitierten GAE- und der hochwertigen G- als auch in der abgespeckten GR-Version.
Der neueste, erst seit Kurzem im Handel erhältliche Wurf aus der Technics-Schmiede ist der Standlautsprecher SB-G90, der zwar um einiges schlichter ist als der Referenzlautsprecher SB-R1, sich aber sehr wohl technisch an ihm orientiert. So kommen bei der SB-G90 ebenfalls 16-cm-Langhub-Tieftöner und ein koaxialer Mittel-/Hochtontreiber zum Einsatz, wenn auch in weniger aufwendiger Ausführung. Der Hersteller setzt durchgehend auf Aluminium-Membranen, was der Box eine einheitliche Klangcharakteristik über den ganzen Übertragungsbereich verleiht, der sich getreu der HiRes-Strategie von Technics in den Höhen bis 100 kHz erstrecken soll. Im Bass weist sie mit einem vom stereoplay-Labor ermittelten Minus-3-dB-Punkt bei 35 Hz einen selbst für diese Größenklasse ziemlich beachtlichen Tiefgang auf.

Auf den Punkt gebracht
Technics verfolgt bei den Lautsprechern das Ideal der Punktschallquelle und setzt daher konsequent auf Koaxialtreiber. Die SB-G90 arbeitet im Mittelton allerdings nicht mit einer Flachmembran, wie die SB-R1 oder die Kompaktbox SB-C700, sondern mit einem klassischen 16-cm-Konus aus eloxiertem Aluminium. Ein großer Magnet mit Kupferpolplatte und eine Unterhangschwingspule sollen ein absolut lineares Verhalten der Membran über den gesamten Auslenkungsbereich sicherstellen.
Innerhalb des Spulenträgers befindet sich eine 2,5-cm-Hochtonkalotte mit eigenem Antriebssystem, das aus Gründen der Linearität ebenfalls auf eine Unterhangspule vertraut. Der Magnetspalt ist mit Ferrofluid gefüllt, um die Wärmeableitung zu verbessern und damit die Belastbarkeit des Hochtöners zu erhöhen. Eine Schallführung mit einem vor der Membran liegenden Mittelsteg optimiert das seitliche Abstrahlverhalten der Kalotte und sorgt dadurch für einen harmonischen Übergang vom Mitteltöner zum Hochtöner bei 3.200 Hz.
Um den Vorteil des Koaxialsystems voll ausschöpfen zu können, legt Technics größten Wert auf Präzision. Durch eine exakt justierte Anordnung der Treiber wird der Zeitversatz zwischen Mittel- und Hochton ausgeglichen, was die Box über einen weiten Frequenzbereich präzise und impulstreu spielen lässt und sich vor allem in einer besonders exakten räumlichen Abbildung niederschlagen soll.
Bei 480 Hz setzen zwei Tieftöner mit eloxierter Aluminium-Membran ein und runden das System nach unten hin stimmig ab. Für Substanz und Dynamik im Bass sind die Chassis auf maximalen Hub ausgelegt, Technis hat den Antrieb daher mit einer Überhangspule und einem leistungsstarken Doppelmagneten ausgestattet.
Grundsolide gestaltet
Eine Eigenschaft scheint den japanischen Entwicklern noch besonders am Herzen gelegen zu haben. Der Lautsprecher ist extrem stabil konstruiert, um jeglichen Einfluss, der durch Resonanzen oder Vibrationen auftreten könnte, zu minimieren. Sowohl die Tieftöner als auch der Koaxialtreiber sind von einem massiven Druckgusskorb eingefasst. Dann sind die Schallwandler nicht vorne am Korbring, sondern hinten an der Polplatte, wo sich wegen der schweren Antriebseinheit das meiste Gewicht ballt, an einer senkrechten Zwischenwand befestigt. So sind sie im Schwerpunkt stabilisiert und neigen im Betrieb weniger stark zum Schwingen. Außerdem sind sie von der Gehäusefront entkoppelt, wodurch die Körperschallübertragung auf die Außenwand reduziert wird. Horizontale Streben fixieren die Zwischenwand und versteifen das Gehäuse zusätzlich. Sogar die Frequenzweiche wurde in einer separaten Kammer am Boden untergebracht und ist damit vom Rest des Gehäuses entkoppelt. Ein umfangreiches Paket an Maßnahmen, die alle nur ein Ziel haben: Sie sollen auch noch das letzte Quäntchen Klangqualität aus der SB-G90 herausholen.

Hörtest: Bestechend präzise
Ob sich der ganze Aufwand in der Realität wirklich bemerkbar macht, sollte sich schließlich im Hörtest zeigen, bei dem die SB-G90 von Beginn an eine überbordende Spielfreude an den Tag legte und mit ihrer Spritzigkeit begeisterte. Locker und leicht schienen ihr selbst die wildesten Passagen von der Hand zu gehen, keine Dynamik war ihr zu hoch, kein Klangbild zu komplex. Die bombastische Alpensinfonie von Richard Strauss, für die der Komponist eine Mindestbesetzung mit 130 Musikern, darunter zwölf oder mehr Hornisten, vorgesehen hatte, trieb die Box zu Höchstleistungen. Das vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Mariss Jansons eingespielte Werk erstrahlte in ungeahnter Pracht, die SB-G90 überzeugtedabei vor allem mit Präzision und Transparenz, glitt aber manchmal etwas zu sehr ins Analytische ab und wirkte dann eher als kühler Techniker denn als emotionaler Künstler.
Ein kleiner Wermutstropfen, der die Freude allerdings nur wenig trüben kann. Vor allem dann, wenn man sich erst einmal an die besonders weitläufigen und tiefen Bühnen gewöhnt hat, die von der Box erzeugt werden. Das wirkt nicht nur bei Klassikaufnahmen, sondern auch bei einem Album wie „Stripped“ von Macy Grey, das bei Chesky Records in Kunstkopftechnik aufgenommen wurde und daher einen besonderen Fokus auf eine realitätsnahe Räumlichkeit legt. Solche Musik liegt ihr, weil sie damit ihre Stärke in der Abbildung voll ausspielen kann.
Technics setzt den vor drei Jahren eingeschlagenen Weg mit der SB-G90 unbeirrt fort. Der mit Bedacht konzipierte und bis ins letzte Detail absolut hochwertig ausgeführte Lautsprecher erfüllt auch höchste Ansprüche und erweitert das in kurzer Zeit bereits umfangreich gewachsene Sortiment an HiFi-Geräten um ein weiteres Glanzstück.