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Technik. Tests. Trends.
Mord an der Dynamik

AUDIO pure music one

Autoren: Redaktion connect und Lothar Brandt • 12.3.2008 • ca. 2:45 Min

Michail Iwanowitsch Glinka, geboren 1804 in Nowopasskoje bei Smolensk, gilt als Vater der russischen Musik. Das franko- und germanophile Establishment am Zarenhof nannte seine mit volkstümlichen Zitaten gespickten Schöpfungen seinerzeit "Kutschermusik". Der Beliebtheit tat dies keinen Abbruch, im ...

Michail Iwanowitsch Glinka, geboren 1804 in Nowopasskoje bei Smolensk, gilt als Vater der russischen Musik. Das franko- und germanophile Establishment am Zarenhof nannte seine mit volkstümlichen Zitaten gespickten Schöpfungen seinerzeit "Kutschermusik". Der Beliebtheit tat dies keinen Abbruch, im Gegenteil. In seine zweite Oper "Ruslan und Ludmilla" (nach Puschkin) von 1837 wob Glinka zudem reichlich orientalisches Kolorit ein. So taucht schon in der Ouvertüre kurz eine für westliche Ohren eigenartige Tonfolge auf, die als "Skala des Tschernomor" Musikgeschichte schrieb. Tschernomor heißt in der Oper ein böser Zwerg, der Ludmilla, Braut des Prinzen Ruslan raubt. Janowski nimmt die Ouvertüre mitreißend rasant, was die wirbelnden Streicherfiguren besonders hoch drehen lässt.

Sinfonie

Der Tscheche Antonin Dvorak, geboren 1841 im damals böhmischen Nelahozeves bei Prag, verhalf tschechischer Musik weltweit zu Ruhm und Ehre. Zeitgenossen wie Johannes Brahms bewunderten den ehemaligen Bratscher wegen der Überfülle seiner melodischen Einfälle. Dvorak verstand es dabei unnachahmlich gut, auch eigene Themen wie Folklore klingen zu lassen, weil er unter anderem gerne Tanzrhythmen seiner Heimat verwandte. Als er 1889 seine achte Sinfonie in Angriff nahm, war er bereits ein international anerkannter Komponist, der glücklich das Landleben inmitten seiner sechs Kinder genoss.Entsprechend heiter ist das Werk, dessen unbeschwerte Stimmung von den gelegentlichen Eintrübungen nur noch betont wird - vergleichbar den Gesetzen der Dynamik, in denen laute Passagen auch den Kontrast zu leisen brauchen, um richtig zu wirken. Deshalb nutzt Dvorak den Kunstgriff einer düsteren Einleitung in Moll, ehe das dadurch besonders helle Dur-Thema den Eröffnungs-Satz strahlen lässt.

Im zweiten Satz lockern immer wieder Klänge wie von Straßenmusikanten die entrückte Atmosphäre des Adagios auf. Und die Anmut des dritten Satz wird durch den tänzerischen Rhythmus flankiert. Auffallend experimentell wirkt das Finale, in dessen furiosen Satz Dvorak eine lange, leise Passage in c-Moll einwebt. Den auch dynamisch enorm wirkungsvollen Kontrast arbeitet Janowski wie wenige Dirigenten (und übrigens auch Ton meister) brillant heraus.

Serenade

Geht es bei Dvorak zumindest teilweise mit Pauken und Trompeten zur Sache, so ist das abschließende Werk der CD ausschließlich den Streichern des RSB vorbehalten.Mit seiner Streicher-Serenade schrieb der 1840 in Wotkinsk geborene Peter Iljitsch Tschaikowsky eines der melodisch reizvollsten Werke, nicht nur der russischen Musik. Man hört den bekennenden Mozart-Fan und begnadeten Ballett-Komponisten nahezu in jeder Note heraus.

Aber lehnen Sie sich erst mal zurück und genießen Sie das wunderschöne Einleitungsthema des Kopfsatzes, mit die bezauberndsten 1:40 Minuten der Musikgeschichte. Nicht enttäuscht sein, wenn es danach flott wirbelt. Kurz vor Ende des Satzes kommt es wieder, dieses Traum-Thema.

Im zweiten Satz zeigt Tschaikowsky den großen Wiener Walzer-Königen ganz nebenbei, was so ein Russe aus dem Dreivierteltakt machen kann. Herrlich. Aber noch nicht satt von purer Schönheit? Dann geben Sie sich dem fast durchgehend piano, maximal mezzoforte genommenen dritten Satz hin. Selig, sämig und souverän am Rande des Kitsches schlängelt sich zum Teil über gezupften Saiten (pizzikati) eine Melodie dahin.Bis es dann bei 5:30 heißt: Tief Luft holen. Es folgt eine dermaßen sehnsuchtsvolle, sangbare Passage, dass man schon einen Stein in der Brust haben muss, wenn diese Kantilene einem nicht das Herz erweicht. Janowski drillt sein Orchester unbarmherzig auf  Pianissimo-Spielkultur - hier hören Sie die Früchte dieser Arbeit. Dankenswerterweise zogen die Tonmeister den Pegel der gesamten Serenade nicht unbotmäßig hoch, so dass die Dynamik auch den leisen Extrembereich voll auskostet.

Nach dieser Elegie schockt auch Tschaikowsky nicht sofort mit Highspeed, sondern leitet das Finale langsam ein. Dann - ab 1:53 - geht es aber hurtig fort, und Janowski nimmt das "Allegro con spirito" in typischer Manier im ICE-Tempo, achtet jedoch sorgfältig darauf, dass keine Note ungehört vorbeirauscht. Und zum krönenden Abschluss schenkt uns Tschaikowsky noch einmal sein Traum-Thema aus dem ersten Satz.