Mord an der Dynamik
Tod in Raten
Der Tod der Dynamik erfolgte in Raten. In einem gut recherchierten Artikel für die Online-Redaktion der Süddeutschen Zeitung (www.sueddeutsche.de/kultur ) vollzog Jens-Christian Rabe nach, wie die Ingenieure im Laufe der Jahrzehnte die Dynamik Dezibel um Dezibel abwürgten. AUDIO prüfte das anhand einiger eklatanter Beispiele nach (siehe Bild).
Ausgerechnet mit dem Siegeszug der Digitaltechnik zertrümmerten die Master-Mixer einen ihrer größten Vorteile: die gegenüber einer - selten erreichten - Dynamik von etwa 40 Dezibel auf der Langspielplatte ja wirklich formidablen 96 dB der Compact Disc. Auch wenn keine Digitalproduktion diesen theoretischen Wert je erreichte, schnurrte die Dynamik vieler Neu-Produktionen mittlerweile auf 3 (in Worten: drei!) dB zusammen.
Doch auch die Remasterer von betagten Aufnahmen opfern dem Pegel-Götzen Zug um Zug das Leben in der Musik alter Meister. Nicht wenige Beatles-Fans rieben sich zum Beispiel nach Anhören der Hit-Kompilation "One" verwundert die Ohren. Auch auf die Gefahr hin, als ewig gestriger Nostalgiker zu gelten, empfiehlt der Autor dieser Zeilen: Oldie-Fans mit einem Faible für Dynamik sollten lieber nach gut erhaltenen LP-Originalen fahnden, statt die jeweils allerneueste Remaster-CD ungehört zu kaufen.
Wobei bitteschön im Kopf bleiben sollte: Auch die besten LPs transportieren nicht die originale Dynamik. Spätestens beim Schneiden der Press-Matrizen mussten die Cutter die höchsten Spitzen kappen. Nur wirken 25 dB bei exzellenten Pop-Produktionen - Paradebeispiele sind Beatles- und Steely-Dan-LPs - immer noch erheblich lebendiger und potenter als viele der digitalen Dynamik-Kastraten.