Ratgeber
Interview mit Professor Jan Borchers
- Usability-Test: Android gegen iPhone
- An den ersten Hürden gescheitert
- Startbildschirm, Kontextmenüs, Nachrichten
- Fazit: Einfachheit kontra Flexibiltät
- Interview mit Professor Jan Borchers
Herr Professor Borchers, konnte der Vergleich von Apples Betriebssystem iOS mit dem unter Schirmherrschaft von Google entwickelten Android große Unterschiede zutage fördern?
Prof. Dr. Jan Borchers: Zunächst müssen wir konstatieren, dass beide Betriebssysteme auf einem hohem Niveau liegen. Bei einer ähnlichen Untersuchung vor gut drei Jahren (connect 9/2007) waren die Unterschiede zwischen den acht verglichenen Betriebssystemen deutlich größer. Doch auch beim Vergleich von iOS mit Android zeigen sich Eigenheiten. So fällt den Probanden beim Erstkontakt die Bedienung von Android leichter, nach einer kurzen Einweisung jedoch dreht sich der Vorteil dann zugunsten des iPhone-Betriebssystems um.

Wie kann das sein?
Borchers: Das Userinterface von Android ist dem eines herkömmlichen Telefons oder Handys viel ähnlicher als die Bedienoberfläche eines iPhones. Das erleichtert den Nutzern den Einstieg, die vorher noch keinen Kontakt zu der neuen Generation von Touchscreen-Handys hatten. Sie finden viele Funktionen dort, wo sie sie erwarten. Doch hat man die Probanden erst einmal mit den Grundzügen beider Plattformen vertraut gemacht, erweist sich iOS als das leichter zu bedienende Betriebssystem.
Dazu haben Sie verschiedene Nutzungsszenarien untersucht. Wie kam es zu der Auswahl?
Borchers: Anhand von entsprechenden Studien haben wir zunächst die wirklich für die Besitzer relevanten Funktionen von Smartphones identifiziert. Dadurch konnten wir die ausufernde Liste vorhandener Features auf die Anwendungen zusammenstreichen, die von den meisten Smartphone-Besitzern am häufigsten genutzt werden. Um bei den aufwendigen Nutzertests keine Ressourcen zu verschwenden, haben Experten von P3 communications und der RWTH Aachen diese Liste auf Anwendungen untersucht, in denen sich zwischen Android und iOS in der Usability große Unterschiede ergeben. Zugrunde liegt hierbei eine ebenfalls aus der Zusammenarbeit der Media Computing Group mit P3 entstandene Methode - die Systematic Usability Verification -, die Schwachstellen durch ein formalisiertes Verfahren identifiziert und meßbar macht. So konnten wir schon vorab feststellen, dass etwa die Unterschiede in der Bedienung der auf beiden Systemen vorhandenen Musicplayer sehr gering sind. Da erübrigt sich eine Untersuchung in zeitaufwendigen User-Tests, selbst wenn die Player häufig genutzt werden.
Markus Jordans: Die Tests haben wir dann auf Bereiche eingegrenzt, die in der Systematic Usability Verification entweder bei Android oder aber bei iOS schlecht abgeschnitten haben. Hierzu zählen etwa die E-Mail-Clients bei Android oder der Kalender bei iOS. Aber auch das Telefon-Interface, das beim iPhone in der Kontaktansicht keine Anruftaste kennt, konnte schon in der Usability-Verification als potenzieller Stolperstein identifiziert werden.
Zeigte die folgende Benutzerstudie prinzipielle Unterschiede zwischen iOS und Android?
Borchers: Die beiden Systeme haben natürlich eine Menge gemeinsam. Apple hat mit der Einführung des iPhone das User-Interface revolutioniert, da konnte Android erst mal nur nachlegen. Dennoch kann klar differenziert werden. So kennt iOS für jede Funktion nur einen Bedienweg, während Android dem Nutzer meist mehrere Möglichkeiten anbietet.
Wie wirkt sich die Beschränkung innerhalb von iOS 4 auf die Usability aus?
Borchers: Bei Apples Ansatz muss sich der Nutzer wenig merken. "Keep it simple" heißt die Devise, und die führt zu Geräten, die einfach und sexy sind. Schwierigkeiten treten aber auf, wenn sich eine Funktion an einer nicht erwarteten Stelle findet. Das ist beim iPhone etwa bei der Lautlos-Funktion der Fall, die über einen kleinen Schalter realisiert ist. Das ist für ein Handy genauso ungewöhnlich wie praktisch, doch wenn der User es nicht weiß, findet er diesen Schalter nicht - zumal Apple ihn nicht entsprechend gekennzeichnet hat. Das ist eines der Beispiele, die zeigen, wo der Minimalismus zu weit gehen kann. Die nicht beschrifteten Taster des iPhone 4 sehen zwar sehr schick aus, doch sie können das Auffinden von Funktionen auch erschweren.
Kann Android dann mit seiner Vielfältigkeit punkten?
Borchers: Bei Android ist die Chance groß, dass auch ein unerfahrener Anwender eine Möglichkeit findet, ein Feature zu nutzen. Das liegt an der schon erwähnten Nähe zu bekannten Handy-Interfaces, aber natürlich auch an den verschiedenen Wegen, die Android bietet. Diese ermöglichen es dem erfahrenen User auch, sich die individuell beste Art der Bedienung auszusuchen. Doch gerade hier zeigt die Erfahrung der Usability-Forschung, dass viele Anwender einen einmal gefundenen Weg zur Bedienung dauerhaft beibehalten, selbst wenn er kompliziert und aufwendig ist. Zumal auch Android unglückliche Lösungen beinhaltet, etwa das Symbol zum Öffnen der App-Liste, das schwer als solches zu erkennen ist.
Fehlt Android bei solchen Mankos die Unterstützung durch die Usability-Forschung?
Borchers: Zunächst muss gesagt sein, dass Apple und Google hier aufwendig forschen und die Ergebnisse auch in ihre Produkte einbringen ...
... im Gegensatz zu Firmen wie Microsoft?
Borchers: Auch Microsoft betreibt auf diesem Gebiet umfangreiche und hochkarätige Forschung, scheint sie aber im Bereich der Smartphones nur wenig mit der Entwicklung zu verzahnen. Google hingegen legt wie Apple sehr viel Wert auf Usability, nur ist das Android-Betriebssystem noch sehr jung.
Jordans: Apple ist gut gestartet und hat sich dann inkrementell weiterentwickelt; von Android erwarten Insider bei der kommenden Version 3.0 einen weiteren Sprung in Sachen Bedienbarkeit.