Ratgeber

Interview mit Professor Jan Borchers

29.11.2010 von Bernd Theiss

ca. 5:10 Min
Ratgeber
VG Wort Pixel
  1. Usability-Test: Android gegen iPhone
  2. An den ersten Hürden gescheitert
  3. Startbildschirm, Kontextmenüs, Nachrichten
  4. Fazit: Einfachheit kontra Flexibiltät
  5. Interview mit Professor Jan Borchers

Herr Professor Borchers, konnte der Vergleich von Apples Betriebssystem iOS mit dem unter Schirmherrschaft von Google entwickelten Android große Unterschiede zutage fördern?

Prof. Dr. Jan Borchers: Zunächst müssen wir konstatieren, dass beide Betriebssysteme auf einem hohem Niveau liegen. Bei einer ähnlichen Untersuchung vor gut drei Jahren (connect 9/2007) waren die Unterschiede zwischen den acht verglichenen Betriebssystemen deutlich größer. Doch auch beim Vergleich von iOS mit Android zeigen sich Eigenheiten. So fällt den Probanden beim Erstkontakt die Bedienung von Android leichter, nach einer kurzen Einweisung jedoch dreht sich der Vorteil dann zugunsten des iPhone-Betriebssystems um.

Interview mit Prof. Borchers
Professor Borchers und Markus Jordans im Interview
© Archiv

Wie kann das sein?

Borchers: Das Userinterface von Android ist dem eines herkömmlichen Telefons oder Handys viel ähnlicher als die Bedienoberfläche eines iPhones. Das erleichtert den Nutzern den Einstieg, die vorher noch keinen Kontakt zu der neuen Generation von Touchscreen-Handys hatten. Sie finden viele Funktionen dort, wo sie sie erwarten. Doch hat man die Probanden erst einmal mit den Grundzügen beider Plattformen vertraut gemacht, erweist sich iOS als das leichter zu bedienende Betriebssystem.

Dazu haben Sie verschiedene Nutzungsszenarien untersucht. Wie kam es zu der Auswahl?

Borchers: Anhand von entsprechenden Studien haben wir zunächst die wirklich für die Besitzer relevanten Funktionen von Smartphones identifiziert. Dadurch konnten wir die ausufernde Liste vorhandener Features auf die Anwendungen zusammenstreichen, die von den meisten Smartphone-Besitzern am häufigsten genutzt werden. Um bei den aufwendigen Nutzertests keine Ressourcen zu verschwenden, haben Experten von P3 communications und der RWTH Aachen diese Liste auf Anwendungen untersucht, in denen sich zwischen Android und iOS in der Usability große Unterschiede ergeben. Zugrunde liegt hierbei eine ebenfalls aus der Zusammenarbeit der Media Computing Group mit P3 entstandene Methode - die Systematic Usability Verification -, die Schwachstellen durch ein formalisiertes Verfahren identifiziert und meßbar macht. So konnten wir schon vorab feststellen, dass etwa die Unterschiede in der Bedienung der auf beiden Systemen vorhandenen Musicplayer sehr gering sind. Da erübrigt sich eine Untersuchung in zeitaufwendigen User-Tests, selbst wenn die Player häufig genutzt werden.

Markus Jordans: Die Tests haben wir dann auf Bereiche eingegrenzt, die in der Systematic Usability Verification entweder bei Android oder aber bei iOS schlecht abgeschnitten haben. Hierzu zählen etwa die E-Mail-Clients bei Android oder der Kalender bei iOS. Aber auch das Telefon-Interface, das beim iPhone in der Kontaktansicht keine Anruftaste kennt, konnte schon in der Usability-Verification als potenzieller Stolperstein identifiziert werden.

Zeigte die folgende Benutzerstudie prinzipielle Unterschiede zwischen iOS und Android?

Borchers: Die beiden Systeme haben natürlich eine Menge gemeinsam. Apple hat mit der Einführung des iPhone das User-Interface revolutioniert, da konnte Android erst mal nur nachlegen. Dennoch kann klar differenziert werden. So kennt iOS für jede Funktion nur einen Bedienweg, während Android dem Nutzer meist mehrere Möglichkeiten anbietet.

Wie wirkt sich die Beschränkung innerhalb von iOS 4 auf die Usability aus?

Borchers: Bei Apples Ansatz muss sich der Nutzer wenig merken. "Keep it simple" heißt die Devise, und die führt zu Geräten, die einfach und sexy sind. Schwierigkeiten treten aber auf, wenn sich eine Funktion an einer nicht erwarteten Stelle findet. Das ist beim iPhone etwa bei der Lautlos-Funktion der Fall, die über einen kleinen Schalter realisiert ist. Das ist für ein Handy genauso ungewöhnlich wie praktisch, doch wenn der User es nicht weiß, findet er diesen Schalter nicht - zumal Apple ihn nicht entsprechend gekennzeichnet hat. Das ist eines der Beispiele, die zeigen, wo der Minimalismus zu weit gehen kann. Die nicht beschrifteten Taster des iPhone 4 sehen zwar sehr schick aus, doch sie können das Auffinden von Funktionen auch erschweren.

Kann Android dann mit seiner Vielfältigkeit punkten?

Borchers: Bei Android ist die Chance groß, dass auch ein unerfahrener Anwender eine Möglichkeit findet, ein Feature zu nutzen. Das liegt an der schon erwähnten Nähe zu bekannten Handy-Interfaces, aber natürlich auch an den verschiedenen Wegen, die Android bietet. Diese ermöglichen es dem erfahrenen User auch, sich die individuell beste Art der Bedienung auszusuchen. Doch gerade hier zeigt die Erfahrung der Usability-Forschung, dass viele Anwender einen einmal gefundenen Weg zur Bedienung dauerhaft beibehalten, selbst wenn er kompliziert und aufwendig ist. Zumal auch Android unglückliche Lösungen beinhaltet, etwa das Symbol zum Öffnen der App-Liste, das schwer als solches zu erkennen ist.

Fehlt Android bei solchen Mankos die Unterstützung durch die Usability-Forschung?

Borchers: Zunächst muss gesagt sein, dass Apple und Google hier aufwendig forschen und die Ergebnisse auch in ihre Produkte einbringen ...

... im Gegensatz zu Firmen wie Microsoft?

Borchers: Auch Microsoft betreibt auf diesem Gebiet umfangreiche und hochkarätige Forschung, scheint sie aber im Bereich der Smartphones nur wenig mit der Entwicklung zu verzahnen. Google hingegen legt wie Apple sehr viel Wert auf Usability, nur ist das Android-Betriebssystem noch sehr jung.

Jordans: Apple ist gut gestartet und hat sich dann inkrementell weiterentwickelt; von Android erwarten Insider bei der kommenden Version 3.0 einen weiteren Sprung in Sachen Bedienbarkeit.

Macht sich auch bemerkbar, dass Apple sich nach außen abschottet, während Android aus dem Konsens-orientierten Feld freier Software kommt? Borchers: Das iPhone setzt Maßstäbe, auch weil Steve Jobs alles ablehnt, was den Qualitätsanspruch verwässert. Solange Multitasking negative Auswirkungen auf die Performance hat, verbietet es Apple. Auch der Zugriff einer App etwa auf die Helligkeitseinstellung wird aus Ausdauergründen unterbunden. Damit sind beispielsweise Apps verboten, die das Display mit maximaler Helligkeit als Taschenlampe einsetzen. Der hierdurch entstehende Mehraufwand bei der Bedienung schützt den iPhone-Besitzer vor schlechten Erfahrungen, die aus schlampig programmierten Anwendungen resultieren. Der Android-User dagegen muss jede installierte Anwendung einzeln untersuchen, wenn Ausdauer oder Performance absacken. Mit der Integration der eigenen, aus dem Internet bekannten Services hat Google dafür eine gute Basis, das eigene System voranzutreiben. In manchen Bereichen sind herstellereigene Lösungen, etwa für die Exchange-Server-Anbindung, aus Usability-Sicht genauso schlecht wie die verschiedenen individuell aufgepfropften Skins als Benutzeroberfläche.

Jordans: Einerseits ermöglicht das offenere Android eine breitere Auswahl bei Formfaktoren und User-Interfaces. Auf der anderen Seite begrenzt Google bewusst die Differenzierungsoptionen durch Zertifizierung, sodass sich die Hersteller auf der standardisierten Android-Plattform gegenseitig kannibalisieren. Dadurch entsteht ein auf dem Smartphone-Markt weltweit zu beobachtender rasanter Preiswettbewerb.

Borchers: Für das Angebot an Smartphones ist die Vielfalt natürlich gut. Wer etwa viel schreibt, wird ein Android-Gerät mit Tastatur zu schätzen wissen.

Reicht das große virtuelle Keyboard auf dem Touchscreen nicht?

Borchers: Für das reine Schreiben ist der Touchscreen die dümmste Idee überhaupt. Vor dem Drücken einer Taste möchte der Finger diese fühlen. Dieses Pre-Feedback ist sehr wichtig, und das bietet kein Touchscreen.

Kann ein Resümee aus der Studie gezogen werden?

Borchers: Vor drei Jahren haben wir Feature-Phones mit dem damals brandneuen ersten iPhone verglichen. Die Bedienung des iPhone hat sich seither nur geringfügig geändert, doch das Konzept hat sich in weiten Kreisen etabliert. Dafür sterben die Feature-Phones aus. Das liegt daran, dass sich das Nutzerverhalten gedreht hat. Das iPhone hat dem mobilen Internet den Durchbruch gebracht, das Handy entwickelt sich langsam zum Media-Consumption-Device.   

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