LTE-Netzausbau gegen den Datenstau
Mehr zum Thema: o2 Deutsche Telekom VodafoneUnter Hochdruck führen die Netzbetreiber den neuen Mobilfunkstandard LTE ein, der Ausbau geht in Großstädten und dünn besiedelten Gebieten mehr als zügig voran und wird Engpässen in der Datenversorgung auf breiter Front entgegenwirken.

Wenn es im Stadtzentrum am Samstagabend unmöglich wird, per Smartphone das Kinoprogramm zu checken, weil die Bits und Bytes zäh tröpfeln statt fließen, ist das Netz womöglich mal wieder voll ausgelastet. Wenn beim Besuch auf dem Land hingegen die Geschwindigkeiten einbrechen und man statt au...
Wenn es im Stadtzentrum am Samstagabend unmöglich wird, per Smartphone das Kinoprogramm zu checken, weil die Bits und Bytes zäh tröpfeln statt fließen, ist das Netz womöglich mal wieder voll ausgelastet.
Wenn beim Besuch auf dem Land hingegen die Geschwindigkeiten einbrechen und man statt auf der Datenautobahn HSPA einmal mehr auf der Kriechspur GPRS unterwegs ist, hat wohl die sogenannte Economy of Scale in verkehrter Richtung zugeschlagen.
Für Netzbetreiber lohnt es sich nicht, für wenige zahlende Kunden ein dichtes und damit teures UMTS-Netz aufzubauen.
800 MHz sind Trumpf
Das sind Gründe zu verzweifeln - oder Gründe, über die Art der Mobilfunknutzung nachzudenken. Denn mit LTE steht ein Standard zur Verfügung, der das Potenzial hat, solche Probleme zu minimieren. Dazu tragen allein schon die drei in Deutschland hauptsächlich mit LTE assoziierten Frequenzbänder von 800 MHz, 1,8 GHz und 2,6 GHz bei. Denn physikalisch unterscheiden sich die Frequenzen durchaus.
connect-Netztest: LTE auf dem Prüfstand
So ist eine Mobilfunkstation bei 800 MHz und gegebener Sendeleistung fähig, einen Radius von fast zehn Kilometern zu versorgen. Bei UMTS mit 2,1 GHz in Deutschland schrumpft der maximale Zellradius schon auf etwa fünf Kilometer - in der Praxis braucht es mindestens die vierfache Anzahl an Mobilfunkstationen, um die gleiche Fläche mit UMTS zu versorgen wie mit LTE bei 800 MHz.
Entsprechend ermöglichen GSM oder LTE bei 1,8 GHz einen etwas weiteren Zellabstand als UMTS bei 2,1 GHz. 2,6 GHz-LTE-Stationen müssten theoretisch noch enger positioniert sein, doch ihre Nutzung ist ein ganz anderes Thema.

LTE eher verfügbar als UMTS
Der deutlich weitere Zellradius bei niedrigeren Frequenzen ist auch ein Grund dafür, dass Sprachtelefonie mit GSM auf 900 MHz nahezu flächendeckend verfügbar ist. Das Datennetz mit UMTS bei 2,1 GHz hat hingegen noch große Lücken, die wegen der dazu benötigten hohen Zellenzahl vermutlich nie geschlossen werden.
Von daher ist abzusehen, dass schon in naher Zukunft die Chance höher sein dürfte, auf dem Land eine schnelle Datenverbindung per LTE als per UMTS zu bekommen - wenn man beim richtigen Betreiber ist. Denn die nahezu flächendeckend verfügbare 900-MHz-GSM-Infrastruktur erleichtert den Netzbetreibern mit 800-MHz-LTE-Lizenz - also O2, Telekom und Vodafone - auch den Ausbau ihrer Infrastruktur.
Im Prinzip müssen sie vorhandene GSM-900-Standorte nur um zusätzliche Sendeeinrichtungen für LTE 800 erweitern. Problematisch kann das nur werden, wenn sich mehrere Anbieter einen Standort teilen, was in der Praxis gar nicht so selten vorkommt. Denn durch zu viele zusätzliche Funkmodule (Radioheads) und Antennen kann die zulässige Last der betroffenen Dächer und Sendemasten überschritten werden. Auch müssen die Anbieter dafür sorgen, dass der dank LTE mögliche höhere Traffic auch abgeführt werden kann.

Eine schnellere Anbindung ans so genannte Core-Netzwerk per schnellem Richtfunk oder per Glasfaser ist also Pflicht. Obwohl E-Plus keine LTE-800- Lizenz ersteigert hat, ist die Situation auch für die Grünen nicht ausweglos. Denn sie haben von der Regulierungsbehörde die Genehmigung erhalten, Teile ihres GSM-900-Spektrums für schnellen Datenfunk zu benutzen.
Auch E-Plus kann also in spärlich besiedelten Gebieten UMTS in der HSPA+-Variante oder eventuell sogar LTE bei 900 MHz ausrollen. Doch dafür haben die Düsseldorfer weniger Bandbreite zur Verfügung. Und zumindest die Nutzung für UMTS, das praktisch alle Endgeräte unterstützen, würde die gleichzeitige Nutzung von GSM ausschließen. Und GSM hat natürlich für die Telefonie immense Bedeutung.
Eine Basis, vielfacher Nutzen
Die weitgehende Beschränkung auf bestehende Mobilfunkstationen ist für die Netzbetreiber besonders wertvoll, schließlich ist das Akquirieren neuer, für den Mobilfunk geeigneter, meist hochgelegener Standorte eine der schwierigsten Aufgaben beim Netzausbau. Es müssen geeignete Plätze gefunden und mit den Eignern Verträge geschlossen werden - manchmal gilt es noch, den Protest einer spontan entstehenden Bürgerbewegung zu befrieden.
Wie schwierig das Thema Hausbesitzer ist, bekommt der Netzbetreiber auch bei jeder Nachrüstung oder Reparatur von Mobilfunkstationen zu spüren - mal ist der Vermieter verreist, dann hat wieder die Telefonnummer gewechselt und und und ... Da ist jeder Ansprechpartner weniger, den ein Netzbetreiber in seiner Liste führen muss, ein echter Gewinn für das Unternehmen.
Das erklärt vielleicht auch, warum die Mobilfunker in Deutschland für die Frequenzbereiche um 800 MHz mit 3,55 Milliarden Euro über zehnmal so viel Geld ausgegeben haben wie für den Bereich um 2,6 Gigahertz, der mit vergleichsweise günstigen 344 Millionen zu Buche schlug.
Bandbreite und Verfügbarkeit
Wobei nicht allein der günstige Preis für das 2,6-GHz-Band sprach, hier stand auch deutlich mehr Bandbreite zur Verfügung. Unter Bandbreite oder Spektrum versteht der Nachrichtentechniker die Differenz zwischen oberer und unterer Grenzfrequenz eines Übertragungsbandes. Wobei die zu erreichenden Transfergeschwindigkeiten proportional zur Bandbreite steigen, solange die sonstigen Bedingungen gleich bleiben.
Um eine Vorstellung zu vermitteln: Aus zweimal 10-MHz Spektrum holt eine LTE-Zelle theoretisch im Download bis zu 300 Mbit/s und im Upload bis zu 150 Mbit/s. Die oft genannten 100 respektive 50 Mbit/s kommen den in der Praxis gemessenen Werten aber deutlich näher. In weiterem Abstand zur Sendestation nehmen die Übertragungsraten deutlich ab, da der schlechtere Empfang fehlertolerantere Codierungen fordert.
Marktübersicht: LTE-Smartphones und -Tablets
Insgesamt rechnen Netzbetreiber üblicherweise damit, dass eine LTE-Zelle mit 20 MHz Bandbreite zum jetzigen Zeitpunkt etliche 100 aktiver Mobilfunknutzer mit schneller Internetanbindung versorgen kann. Mit wachsenden Ansprüchen, etwa durch steigenden Zugriff auf hochauflösende Videos, steigt aber auch der Bandbreitenbedarf des typischen Nutzers. Ein Mobilfunkstandort besteht nebenbei bemerkt in der Regel aus drei LTE-Funkzellen, die je 120 Grad des umgebenden Gebietes versorgen.
Bei der Auktion am 12. April 2010 kamen zwischen 791 und 862 MHz dreimal 20 MHz als LTE 800 zur Versteigerung. Der verbleibende Rest sorgt als sogenannte Duplexlücke dafür, dass sich Up- und Downloads nicht stören. Bei LTE 2600 konnten die Netzbetreiber zusammen sogar 190 MHz ersteigern. Der größte Anteil ging mit 65 MHz an Vodafone, gefolgt von O2 (50 MHz), Telekom (45 MHz) und E-Plus (30 MHz). Zudem stand noch Bandbreite im 1,8-GHz-Band zur Verfügung.
In diesem Band besitzt E-Plus nun 55 MHz Spektrum, die Telekom hat 40 MHz, wobei die Bonner das ersteigerte Spektrum für LTE und GSM nutzen, während die Düsseldorfer mit ihrem noch größeren Teil zunächst ihr GSM-Angebot ausbauen.
Telekom und Vodafone
Die Telekom setzt in ihrer urbanen Strategie darauf, dass ihr Netz an Mobilfunkstandorten für UMTS 2100 in größeren Städten mehr als eng genug steht, um mit LTE bei 1,8 GHz gute Versorgung auch innerhalb von Häusern zu gewährleisten - und darauf, dass der ständige steigende Bandbreitenbedarf eine Investition in ein solch engmaschiges Grid auch lohnt.

Vodafone dagegen schwört bisher wie auf dem bereits gut ausgebauten Land auch in den Städten auf das 800-MHz-Band. Damit schaffen die Düsseldorfer optimale Voraussetzungen, um selbst tief in Gebäuden gute Abdeckung zu gewährleisten. Der Nachteil: Durch die bei 800 MHz geringere Bandbreite haben sie weniger Ressourcen zur Verfügung. Auch das bei 800 MHz möglicherweise weitmaschigere Grid sorgt gegebenenfalls für Einschränkungen, schließlich müssen sich alle Nutzer innerhalb einer Zelle die Bandbreite teilen (LTE ist ein sogenanntes Shared Medium).
E-Plus und O2
E-Plus will, sobald der Bedarf an Kapazität das bisherige Netz überlastet, wie die Telekom auf LTE 1800 setzen. Dafür hat der Netzbetreiber bereits einige Vorarbeit geleistet: Beim recht spät erfolgten Ausbau des UMTS-Netzes auf HSPA+ wurden die GSM-1800-Stationen bereits auf LTE 1800 vorbereitet.
So kann die endgültige Bereitstellung von mehr Kapazität nun mit vergleichsweise geringem Aufwand erfolgen. Angesichts der wenigen LTE-Smartphones und Datensticks, die derzeit den neuen Mobilfunkstandard nutzen können, sieht sich E-Plus noch nicht genötigt, aktiv zu werden. Doch die Düsseldorfer gehen davon aus, dass sie bei LTE 2013 durchstarten. Das Angebot soll bereitstehen, sobald die entsprechende Nachfrage da ist.
Langsam kommt auch O2 in die Gänge. Bei der Breitbandversorgung der weißen Flecken hat sich der Netzbetreiber aus München trotz vorhandener 800-MHz-Lizenz bislang nicht hervorgetan. Da die Regulierungsauflagen aber mittlerweile in allen Bundesländern erfüllt sind, kann auch O2 mit dem Ausbau in den Städten loslegen.
Bis Ende des Jahres 2012 hat O2 LTE in Dresden, Nürnberg, Köln und im Bereich Frankfurt/Offenbach und Leipzig/Halle ausgebaut, in München, Hamburg, Berlin, Hannover und im Gebiet Rhein-Ruhr ist der Rollout im Gange.

Bis dato hat O2 keine Anstalten gemacht, von den Standardfrequenzen 800 MHz und 2,6 GHz abzuweichen und baut bis zum spürbaren Anstieg der Nachfrage das kostengünstigere 800er-Band aus. Sollte es zu Engpässen kommen, besitzen alle Netzbetreiber die nötigen Lizenzen, um an den Standorten zusätzliche 2,6 GHz mit deutlich gesteigerter Bandbreite nachzurüsten.
Für Bahnhöfe, Flughäfen und Stadtzentren haben die Telekommunikationsanbieter also ein mächtiges Instrument in der Hand, um auch große Menschenmengen an einem Ort zu versorgen. Was nicht heißt, dass es bei Fußballspielen, Konzerten oder ähnlichen Großereignissen nicht weiterhin zu eingeschränkter Dienstqualität kommen kann. Denn die für riesige Menschenmengen nötigen Netzkapazitäten kann kein Netzanbieter bereitstellen, wenn sie in einem abseits gelegenen Stadion nur wenige Stunden im Monat genutzt werden.
Fazit: LTE wird unverzichtbar
Mit LTE steht den Netzbetreibern ein Standard zur Verfügung, der viele Vorteile mit sich bringt. Dank flexibler Frequenzen von 800 MHz bis 2,6 GHz ist er sowohl zur Versorgung bevölkerungsarmer Gebiete wie auch zur Ausrüstung von vielgenutzten Hotspots geeignet.
Dabei lassen sich bestehende Mobilfunkstandorte flexibel zum Ausbau verwenden. Selbst unterschiedliche Strategien, wie das auf maximale Kapazität getrimmte LTE-Rollout bei der Telekom oder die auf möglichst breitflächige Versorgung ausgelegte Vorgehensweise von Vodafone lassen sich unter Nutzung bisheriger Standorte einfach umsetzen.
Mobilfunk-Netztest 2012: Telekom auf Platz 1
Daher entwickelt sich LTE schnell zum vergleichsweise preiswerten Problemlöser bei schlechter Versorgungslage auf dem Land und in verstopften Stadtnetzen, also überall da, wo herkömmliche Mobilfunktechnik an ihre Grenzen kommt. Wer unter den Schwachstellen des ländlichen Raums und dem Getümmel in den Städten leidet, tut gut daran, beim nächsten Smartphone-Kauf zumindest auf Quadband-LTE in der Featureliste zu achten.