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phyphox-App: Physik in der Hosentasche

Physikexperimente mit dem Smartphone

Moderne Smartphones haben vielfältige Sensoren eingebaut, von denen viele Nutzer gar nichts ahnen. So lässt sich ein Smartphone unter anderem als Thermometer, Barometer, Kompass und Helligkeitsmesser nutzen.

Autor: Christian Immler • 18.9.2024 • ca. 6:20 Min

Physikexperimente mit Smartphones
Phyphox: Physik in der Hosentasche
© Andrey Suslov / shutterstock.com / Phyphox

Die App phyphox (Android und iOS)ist das Physiklabor fürs Smartphone, man kann damit unterschiedlichste Daten messen und grafisch darstellen. Nebenbei vermittelt die an der RWTH Aachen entwickelte App Physikkenntnisse mithilfe abwechslungsreicher physikalischer Experimente mit den Smartphonesensore...

Die App phyphox (Android und iOS)ist das Physiklabor fürs Smartphone, man kann damit unterschiedlichste Daten messen und grafisch darstellen. Nebenbei vermittelt die an der RWTH Aachen entwickelte App Physikkenntnisse mithilfe abwechslungsreicher physikalischer Experimente mit den Smartphonesensoren – statt mit trockener Theorie und teuren Messgeräten.

Sensoren im Smartphone

In Smartphones stecken eine Vielzahl an Sensoren, die von verschiedenen Apps und Systemkomponenten verwendet werden, von denen man aber kaum etwas mitbekommt. Je nach Smartphonemodell sind verschiedene Sensoren eingebaut: Lagesensor (drei Achsen), Bewegung (drei Achsen), Magnetkompass, Gyroskop, Annäherungssensor, Helligkeitssensor, GPS und Schrittzähler finden sich in fast allen Smartphones. Sensoren für Luftdruck und Temperatur sind meist nur in sehr leistungsfähigeren Geräten zu finden.

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Außerdem lassen sich Kameras und Mikrofon des Smartphones für verschiedene Messungen nutzen. Bluetooth, WLAN, Mobilfunk und NFC liefern weitere Daten. Achten Sie darauf zuzustimmen, wenn Anfragen nach Berechtigungen für diverse Systemkomponenten eingeblendet werden, da sonst die Werte nicht korrekt gemessen werden können. Zusätzlich kann man noch verschiedene externe Messgeräte per Bluetooth koppeln, um weitere Arten von Messdaten auf dem Smartphone auszuwerten.

Da bei den wenigsten Smartphones dokumentiert ist, welche Sensoren eingebaut sind, sehen Sie in der App Mein Gerät (Android) nach, die alle Sensoren auflistet, aktuelle Messwerte anzeigt und darüber hinaus ausführliche Hardwaretests des Smartphones anbietet.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App Mein Gerät
Die App Mein Gerät von 3k Developers zeigt alle Sensoren im Smartphone und deren Messwerte.
© connect

Grundlagen der Bedienung der phyphox-App

Der Startbildschirm der App phyphox zeigt eine Liste aller möglichen Experimente, die die Entwickler und Zulieferer aus der Community immer mal wieder erweitern. Es kann immer nur ein Experiment gleichzeitig laufen. Alle Experimente bestehen aus mehreren Bildschirmseiten mit verschiedenen grafischen oder digitalen Anzeigen der Messwerte. Das Abspielsymbol oben startet das Experiment. An der gleichen Stelle können Sie die Datenerfassung pausieren.

Bei allen Experimenten, die in Echtzeit Sensordaten erfassen, ist außer dem aktuell gemessenen Wert auf der Seite Graph eine grafische Verlaufskurve zu sehen. Die Achsen in diesen Graphen skalieren sich automatisch. So ist in der Waagerechten immer der gesamte Verlauf des Experiments zu sehen ist, und es rutschen keine älteren Daten links aus dem Bild, wenn rechts neue dazukommen.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App
phyphox schlägt verschiedene physikalische Experimente vor, die die Sensoren des Smartphones zu Messzwecken verwenden.
© connect

Die vertikale Achse passt sich den Messwerten an. Der größte Wert definiert den oberen Rand der Grafik, der kleinste den unteren. Im Menü auf jeder Seite oben rechts finden Sie eine ausführliche Erklärung zu jedem Experiment, können die Messdaten exportieren oder den Fernzugriff auf das Smartphone ermöglichen (siehe unten „Messdaten aus der Ferne betrachten“ und Workshop „Messdaten exportieren und mit Google grafisch darstellen“).

Eine Zeitautomatik startet das Experiment automatisch nach einer frei festlegbaren Verzögerung, um das Smartphone in den Versuchsaufbau zu setzen. Nach der vorgegebenen Dauer stoppt das Experiment automatisch, damit beim Entnehmen des Smartphones aus dem Versuchsaufbau keine Werte erfasst werden, die das Ergebnis verfälschen. Fehlen notwendige Sensoren auf dem verwendeten Smartphone, lässt sich das entsprechende Experiment nicht starten.

WhatsApp-Logo

Position und Bewegung über GPS-Satelliten erfassen

Alle aktuellen Smartphones empfangen GPS-Signale. Allerdings nutzen die meisten Anwender dies nur zur Navigation. GPS bietet deutlich mehr. phyphox zeigt die exakten Standortkoordinaten samt der Höhe über NN genau an. Daraus errechnet es Verlaufskurven mit Geschwindigkeit, Bewegungsrichtung und zurückgelegter Entfernung. Um die Daten verschiedener Messungen vergleichen zu können, werden die aktuelle Genauigkeit sowie die Anzahl empfangener Satelliten angezeigt. Im Menü können Sie die Koordinatenerfassung auf Satelliten-Position begrenzen, um Fehler zu vermeiden, da Android den Standort zusätzlich anhand von Funkzellen und bekannten WLANs ermittelt.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App Sonar
Ein Sonar sendet kurze Schallimpulse, die von Wänden oder festen Objekten reflektiert werden. Daraus kann die Entfernung berechnet werden.
© connect

Frequenz eines Pendels und Erdbeschleunigung messen

Hängt das Smartphone in einem Pendel, ermittelt der Gyroskopsensor (Kreiselkompass) die Schwingungsfrequenz. Zusammen mit der Pendellänge lässt sich daraus die Erdbeschleunigung von 9,81 m/s² ermitteln. Umgekehrt kann aus diesem Wert die Länge des Pendels zurückgerechnet werden. Bei längerer Messzeit bei gleichmäßigem Schwingen liefert das ein sehr exaktes Ergebnis.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App und Pendel
(links) Ein Smartphone, das in einem Pendel schwingt, misst die Erdbeschleunigung. Je länger das Pendel, desto genauer die Messung. (rechts) Die Pendelbewegung wird in allen drei Ebenen erfasst und kann auf einem zweiten Smartphone bequem ausgelesen werden, während das erste im Pendel schwingt.
© Christian Immler

Helligkeit am Arbeitsplatz

Die Beleuchtungsstärke ist besonders für Arbeitsplätze ein entscheidender ergonomischer Faktor. Sie kann bereits in Abständen von wenigen Zentimetern stark schwanken, was das menschliche Auge dank der schnelle Anpassung der Pupille nicht objektiv wahrnimmt. phyphox nutzt den Helligkeitssensor des Smartphones und spart damit ein teures Beleuchtungsmessgerät. Bei Bewegungen durch den Raum wird der Helligkeitsverlauf als Kurve dargestellt, um hellere und dunklere Bereiche gut erkennen zu können.

Whatsapp-Logo in einer Sprechblase

Neigung von Rampe oder Dach

Die Neigung einer Fläche lässt sich mit analogen Winkelmessern oft schwer ermitteln, da man an seitliche Kanten nicht herankommt oder keinen exakt horizontalen Bezug hat. Mithilfe des Neigungssensors lassen sich Neigungswinkel genau ermitteln, wenn das Smartphone flach oder mit einer Kante auf der geneigten Fläche liegt. Lassen Sie bei diesem Versuch, der eigentlich nur einen statischen Wert liefern soll, für mehr Genauigkeit das Smartphone einige Sekunden lang ruhig liegen, bis sich ein zuverlässiger Messwert eingependelt hat.

Lärmmessung mit Schalldruck und Frequenzverlauf

Lärm ist einer der gefährlichsten Einflüsse an Arbeitsplätzen – zumal die gesundheitliche Schädigung erst deutlich verzögert eintritt. phyphox enthält mehrere Experimente, um den Schalldruck sowie Audiokorrelation, Frequenzspektrum und Frequenzverlauf zu messen. Auf diese Weise können Sie die Wirkung von Schallschutzmaßnahmen schnell erkennen und beurteilen. Mit einem zweiten Smartphone erzeugen Sie dazu Prüftöne bestimmter Frequenzen, die unterschiedlich gut absorbiert werden. Ein Oszilloskop stellt Töne grafisch dar, um Modulationen auf Sinustönen, Sägezahn und andere Geräuschmuster zu erkennen.

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Berührungslose Stoppuhren

Um mit der vorinstallierten Stoppuhr auf dem Smartphone Zeiten zu messen, muss man den Touchscreen berühren, was nicht in jeder Situation so leicht möglich ist. phyphox liefert verschiedene Stoppuhren, die sich durch akustische Signale, Bewegung, Annäherung oder Lichtsignale auslösen und auch wieder stoppen lassen.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App Zeitautomatik
Die Zeitautomatik startet und beendet die Messung, ohne das Smartphone zu berühren und dabei womöglich Ergebnisse zu verfälschen.
© connect

Höhe und Geschwindigkeit eines Aufzugs während der Fahrt

Vertikale Bewegungen bewirken Veränderungen der Höhe über der Erdoberfläche. Diese lassen sich über einen kurzen Zeitraum sehr genau anhand des Luftdrucks mit dem Barometer messen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sich der Luftdruck wetterbedingt im Messzeitraum nicht verändert.

Das funktioniert auch, wenn das üblicherweise für die Höhenmessung verwendete GPS-Signal nicht empfangen wird, zum Beispiel in geschlossenen Räumen. Ein Experiment in phyphox wendet diese Methode an, um die Geschwindigkeit eines Aufzugs zu messen. Um die Beschleunigung zu ermitteln, wird zusätzlich die Z-Achse des Beschleunigungssensors genutzt. Damit die Bewegung genau entlang der Z-Achse des Smartphones erfolgt, sollte es während der ganzen Fahrt ruhig auf dem Boden der Aufzugskabine liegen und nicht in der Hand gehalten werden.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App und Aufzug
(links) Um die Messdaten nicht mit Körperbewegungen zu verfälschen, sollte das Smartphone während der Aufzugfahrt ruhig auf dem Boden liegen. (rechts) Mithilfe von Barometer und Beschleunigungssensor werden die Höhe, Geschwindigkeit sowie die Beschleunigung eines Aufzugs gemessen.
© Christian Immler

Fazit

Die App phyphox liefert auf spielerische Weise Grundkenntnisse in Experimentalphysik. Die Experimente lassen sich durchaus auch für nützliche Messungen im Alltag verwenden, da die in Smartphones eingebauten Sensoren mit sehr hoher Genauigkeit messen. Zusätzliche Sensoren erweitern die Möglichkeiten.

Workshop: Messdaten exportieren und mit Google grafisch darstellen

Messkurven auf dem Smartphone zu beobachten, mag interessant sein. Zur ernsthaften Auswertung überträgt man die Datensätze am besten auf Google Drive und wertet sie dann auf dem PC oder Tablet in Tabellenform aus. Alternativ laden Sie Daten in Excel oder LibreOffice.

Workshop: Messdaten exportieren und mit Google grafisch darstellen: Scereenshot UnZip
Die App UnZip für Google Drive entpackt Zip-Archive, ohne dass man herunterladen mus.
© connect
  1. Exportieren Sie die Daten eines Experiments über den Menüpunkt Daten Exportieren oben rechts im Format CSV (Tabulator, decimal comma) direkt aus phyphox in die Ablage bei Google Drive. Das Experiment wird dazu angehalten.
  2. phyphox erzeugt eine Zip-Datei, die zunächst entpackt werden muss. Sie brauchen sie dazu nicht auf den PC herunterzuladen. Google Drive im Browser bietet im Menü der Datei unter Öffnen mit ein Addon Zip, Unzip an, mit dem Sie die CSV-Datei mit den Messdaten aus dem Archiv entpacken können. Auf dem Smartphone können Sie zum Entpacken Apps wie Total Commander oder ZipXtract verwenden.
  3. Öffnen Sie jetzt die CSV-Datei mit Google Tabellen, sehen Sie alle Messdaten in Tabellenform und können sie mathematisch auswerten.
  4. Google-Tabellen bietet vielfältige Werkzeuge, um Grafiken zu erstellen. Markieren Sie alle Daten ohne leere Zeilen oder Spalten am Ende, und wählen Sie im Menü Einfügen/Diagramm. Sofort erscheint eine Grafik.
  5. Klicken Sie auf die drei Punkte oben rechts in der Grafik, können Sie mit dem Diagrammeditor einen anderen Diagrammtyp wählen, Datenbereiche, Farben und Legende anpassen oder noch weitere Datenreihen aus anderen Messreihen zum Vergleich hinzufügen.
Workshop: Messdaten exportieren und mit Google grafisch darstellen: Scereenshot Google Tabellen
Messergebnisse können in Google Tabellen ausgewertet und grafisch dargestellt werden.
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Info: Messdaten aus der Ferne betrachten

Für berührungslose Zeitmessungen, die akustisch oder durch andere Sensoren ausgelöst werden, wie auch für physikalische Messungen, bei denen das Smartphone unbeaufsichtigt einen Hang herunterrollt oder in einem Pendel hängend die Erdbeschleunigung misst, bietet phyphox einen Fernzugriff.

Der Menüpunkt Fernzugriff erlauben startet einen Webserver auf dem Smartphone und zeigt die lokale IP-Adresse im WLAN an. Über diese lassen sich die Daten auf einem zweiten Gerät im Browser anzeigen, ohne das Smartphone physisch greifbar zu haben. Ein QR-Code erleichtert den Fernzugriff von anderen Smartphones oder Tablets zusätzlich.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App Messdaten Fernzugriff 2
Messdaten aus phyphox über ein lokales Netzwerk im Browser auf einem PC anzeigen.
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Für Outdoormessungen ohne WLAN in der Nähe kann auf dem messenden Smartphone ein Hotspot eingerichtet werden, an dem sich ein zweites Smartphone, Tablet oder Laptop anmeldet. phyphox zeigt bei aktivem Hotspot auch die IP-Adresse, über die die App ohne LAN erreichbar ist.

Phyphox: Physikexperimente mit Smartphones - Screenshot App Messdaten Fernzugriff 1
Per Fernzugriff Daten anzeigen, wenn das Smartphone nicht direkt zugänglich ist.
© connect
KI-Einsatz in Mobilfunknetze