Ayon Scorpio XS im Test
Welch Licht leuchtet dort? Es ist der Röhren-Vollverstärker Ayon Scorpio XS, der sich perfekt in Szene zu setzen weiß. Auch sein Klang lockt – elegant, kraftvoll, passgenau. König Kunde bestimmt über das Schaltungskonzept. Lesen Sie unseren Test hierzu.

Wie uns Namen in die Irre führen können. Wir hören „Ayon“ – und denken an ein fernes Land voller Zauberer. Genau das könnte die Ur-Überlegung der Namensgeber gewesen sein. Man will uns verwirren, uns verführen. Tatsächlich ist Ayon eine Marke aus Österreich, der Name ist reine Fantasie...
Wie uns Namen in die Irre führen können. Wir hören „Ayon“ – und denken an ein fernes Land voller Zauberer. Genau das könnte die Ur-Überlegung der Namensgeber gewesen sein. Man will uns verwirren, uns verführen. Tatsächlich ist Ayon eine Marke aus Österreich, der Name ist reine Fantasie.
Ein Kunstprodukt, aber clever. Die Company residiert nahe Graz, im Norden. Das Firmengebäude liegt recht idyllisch inmitten eines Waldes. Auf der Webseite lassen sich die Chefs nicht sehen, aber glaubhaft wurde uns vom deutschen Vertrieb versichert, dass alles in Österreich entsteht.
Da schaut man besonders kritisch auf den Preis – doch der ist angemessen. 2850 Euro ruft Ayon für den Scorpio XS auf. Das ist ein Röhren-Vollverstärker, der sich wundersam wandelbar gibt. Er kann als lupenreine Triode in der Urform aufspielen. Ein umgelegter Schalter – und plötzlich haben wir es mit einer Pentode zu tun. Das ist schlau:
Dieser Verstärker passt sich je nach Abnehmer den Vorlieben und Gegenheiten an. Besitzen wir leistungshungrige Standboxen, dann wählen wir lieber die Pentode. Wollen wir uns im Röhren-Feinklang sonnen, dann kann die Triode die bessere Wahl sein. Alles kann, nichts muss.

Wie die meisten Hersteller stellt Ayon seine Leistungsaufbereiter auf der Oberfläche aus. Es glimmt wie ein Kamin. Die Leistungsröhren stammen aus Russland von Electro Harmonics – vier Modelle des Typs EL34. Davor liegen aus gleicher Quelle drei 12AU7. Das ist nicht wundersam, sondern eher ein Zeichen für stabiles Handwerk.
Alles sieht so aus wie ein Urtier, wie der Archetyp der Bauweise. Schön verkapselte Trafos im Rücken, ein Knopf für die Lautstärke, einer für die Quellenwahl – weniger ist nicht möglich, mehr nicht sinnvoll. Vier Eingänge stehen auf der Rückseite bereit, alle per Cinch. Eine Phono-Stufe hätte uns gefreut, aber hier setzt Ayon mit dem Spheris II auf eine hauseigene externe Lösung. Also kein wirkliches Manko.
Was uns gefällt: Bevor jedwede Form der Verstärkung angesetzt wird, bereitet der Scorpio zuerst mit internen Filtern und großen Trafos den Stromfluss auf. Hier gibt es Kraft und zugleich die Abwesenheit von bösen Einflüssen.
Das Gehäuse selbst besteht aus massivem Aluminium und ist unangreifbar für Magnetismus. Der Rest erzaubert keine neue Sprache – das ist halt ein sehr gut gemachter Vollverstärker auf Röhrenbasis, wie ihn unsere Väter gekannt haben. Nur besser und konsequenter.

Hörproben
Aber die Konkurrenz ist stark: Das gleiche Prinzip fahren auch manche Mitbewerber aus Fernost, die noch dazu an der Preismarke kratzen. Hier muss der Klangeindruck den Unterschied machen. Wir legten mit einem neuen Album los. Schon mal etwas von OIL gehört?
„Naturtrüb“ heißt das Debüt und passt so gar nicht in die deutsche Popwelt. Zwar spricht man deutsch, aber es groovt mächtig. Böse Riffs, peitschendes Schlagzeug und abgrundtiefer Bass. Der Mix ist mächtig. Wirklich harte Kost für einen feinsinnigen Röhren-Amp. „Fluss der Zeit“ wird von einem mächtigen Dreiklang im Bass eröffnet.
Super, wie der Scorpio der Figur folgte. Da war der typische Samt eines Röhren-Amps mit den charakteristischen Klirrfaktoren, dazu aber auch ein packendes Element. So süßlich der Scorpio die Musik erklingen ließ, so stramm ließ er sie auch nicht aus seinen Fängen. Hier werden auch die Freunde des analytischen Tons glücklich. Stark die Abbildung des Raums, das Atmende – wir lauschten einem Musikmeister.
Nun gut, den großen Push vermochte der Scorpio nicht zu stemmen. „Yoko Ohne“ ist brachial im Tiefbass – da ging der Ayon etwas in die Knie. Das war zu komplex, zu wuchtig. Das machte uns aber nicht nervös. Die feinen Informationen waren da, das war uns wichtiger. Wie es grundsätzlich auf unsere Werte ankommt. Wollen wir in den Solarplexus getroffen werden oder eher ins Herz unserer Emotionen?

Genau hier lagen die Stärken des Scorpio. Wir schwenkten um auf Klassik. Die beste Aufnahme von Brahms’ erster Sinfonie? Da streiten selbst die Kenner nicht. Sie ist in Wien entstanden, die dortigen Philharmoniker werden dirigiert von Herbert von Karajan. Und wir sind früh dabei in der Geschichte der Stereophonie: Die Decca-Tontechniker fingen dieses Erlebnis im Jahre 1959 ein.
Was für eine Pracht, dazu viel Luftigkeit und Emotionen. Und wir können Karajan selbst hören. Wie selten zuvor hat er hier den Klang geknetet und mitgestöhnt. Das Finale überrollt uns mit großartigen Klangwellen, wir wollen in den Celli baden.
Genau diese Sehnsucht erfüllte der Ayon Scorpio XS. Alles war an seinem Platz, dazu der ganz weite Klangteppich. Der Ayon zeigte sich in seiner klassischen Bauform als der schönste Schmeichler, zugleich als feiner Analytiker der Röhrenzunft.
Lesetipp: Wie funktionieren Kpfhörer-Verstärker?
Fazit
Das lockt den Spieltrieb: Dieser Amp kann Pentode und Triode sein. Da sind Vorlieben gefragt, ebenso die Abstimmung auf die Lautsprecher. Wir haben freudig experimentiert. Der Grundcharakter blieb im Test stabil: viel Röhrenflair, viel Lust am Musizieren. Verarbeitung und Preispolitik sind blitzsauber. Extrem praktisch ist überdies der mikroprozessorgesteuerte Einmesscomputer.