Kopfhörer
Beyerdynamic Custom One Pro im Test
Kopfhörer machen Leute - ob mobil, im Studio oder zu Hause. Meist spielen sie aber nur eine einzige Rolle und sind nicht an Hörgewohnheiten anpassbar. Beyerdynamic bringt jetzt den ersten vierstufigen Bassreflex-On-Ear.

Wer hat nicht schon mal einen gut klingenden Kopfhörer zurückgelegt, weil ihm das Design nicht gefiel? Eigentlich schade, doch ein Kopfhörer ist nun mal etwas Individuelles. Mittlerweile sind auch Hi-Fi-Kopfhörer der Privatsphäre entkommen und haben selbst auf jungen Schädeln Platz genommen.
Klang und Kleidung passen aber nicht immer zusammen. Die Idee des "Customizing" ist nicht neu und hat etwas Dr. Dre's Produktreihen so beliebt gemacht. Beyerdynamic denkt modische Attribute einen Schritt weiter und stellt den menschlichen Hörer auf die "Soundprobe". Vier Bassstufen sollen diverse Hörgewohnheiten ansprechen. Das ist insbesondere spannend, weil jedes Gehör seine eigene Außenohr-Übertragungsfunktion mit sich bringt.

Präsenzen im Ohr
Ein frequenzneutral abgestimmter Kopfhörer klingt nicht automatisch auf allen Schädeln gut und richtig. Gehörgangsresonanzen zwischen 3 und 15 kHz differieren von Mensch zu Mensch. Es kann sein, dass Ihr Ohrkanal bei 3,3 kHz um 14 Dezibel verstärkt, während Ihr bester HiFi-Freund immer bei 2,4 kHz bis 16 Dezibel mehr aufs Trommelfell bekommt. Bei einem Glas Wein (man hört 3 Dezibel weniger) philosophieren Sie dann stundenlang - mittlerweile ist die Flasche leer (-6 db) - über Abstimmungsqualitäten von lautsprechern oder Kopfhörern. Aber das macht ja schließlich Spaß. Am nächsten Tag klingt alles wieder viel detailreicher und dynamischer: Das Ohr ist erneut auf 0 db.
Klick in Stufen
Was macht der Bass im Präsenzbereich? Oberwellen. Ist er zu laut, deckt er den Hochtonbereich zu (Maskierung), was dann dröhnt und grummelt. Bassdrums kicken jedoch bei 1 bis 3 kHz und obliegen deshalb einer sauberen Oberwellen-Addition, anderenfalls klingt es eher nach Topfschlagen mit Tupperware.
Erfreulich, dass der beyerdynamic Custom One Pro hier keine Probleme bereitet. Zumindest auf den ersten beiden Bassreflexstufen: wobei mir "Light Bass" eine Stufe zu "light" ist und "Linear" bereits so viel Basskraft addiert, dass ein deutlicher Groove-Faktor hinzukommt - wie bei einem AKG K550, nur etwas substanzieller im Tiefbachbereich. Auf Stufe 3, "Vibrant Bass", bekommen Beats und Drums eine unüberhörbare Dominanz.
Kaufberatung: Die besten Kopfhörer bis 300 Euro
Hört man ausschließlich Hip Hop, Dub, House und Elektronik, erzeugt das den nötigen Kick. "Heavy Bass" lässt dann aber dermaßen die Schalen wackeln, dass mit feinen Differenzierungen endgültig Schluss ist. Auch gerät die Treiber-Muschel-Kombo ins Dröhnen und Rumpeln. Na ja, wer's mag...

Kopfhörer 2.0
Beyerdynamic verbindet seine Vier-Stufen-Klangregelung mit einer variablen, passiven Geräuschreduzierung. Mehr Bass bedeutet also eine geringere Bedämpfung von Außengeräuschen, da das Gehäuse schrittweise offener wird."Light Bass" ist dagegen maximal geschlossen. Das sind zwei Kopfhörer in einem. Mit dieser Variabilität verspricht der Heilbronner Hersteller Studio- und Bühneneinsatz. Äußerlich ist er ohnehin an viele Geschmäcker anpassbar.
Die auf dem Papier äußerst niederohmigen 16-Ohm-Treiber bleiben in der Praxis allerdings leiser als gedacht. Mit wachsender Reflexöffnung nähert sich der Hörer dem Verhalten eines "Offenen" und zieht mehr Spannung. Schon auf Stufe 2 fühlt es sich wie ein 100-Ohm-Hörer an. Jedoch tut dies dem mobilen Einsatz keinen Abbruch, zumal hierbei die Dämpfung nach außen weiterhin sehr gut funktioniert - selbst bei hohen Pegeln.
Weltmusik-Disco

Die Einstellung "linear" zeigt bei der Abstimmung eine leichte Tendenz zum Lautsprecherhören. Frontlastig und tief mit trockener Studio-Note bildet der On Ear seinen Klang. Auf "Dimanche a Bamako" von Produzent Manu Chao und dem malischen Duo Amadou & Mariam klingen Percussions, Shaker und Gitarren weniger fein aufgelöst als beim T50p aus gleichem Hause. Xylofon und Stimmen kommen jedoch nicht direkt aus dem Kopf und klingen etwas natürlicher, der knackige Bass bleibt treibend. Eine bassneutrale Einstellung ist aber kaum zu finden, weshalb der Studio-Einsatz in Frage gestellt werden muss. Für den unbeschwerten HiFi-Genuss drückt der Hörer zudem etwas stark auf den Kopf. Brillenträger können darunter leiden.
Der Custom One pro passt in keine Kategorie: Klanglich weniger stark als teablierte Konkurrenten, bringt er dennoch so viel Flexibilität mit, dass er sich als universeller On-Ear für Sport, Bahn und Sofa anbietet.