Testbericht
Röhren-Vorverstärker Octave HP 300 MK II
Hilfe, jammert der Stereofan, eine neue Octave-Vorstufe für 3250 Euro biedert sich auch Surroundern an! Gut möglich, dass beim Hören jegliche Sorge schmilzt.
- Röhren-Vorverstärker Octave HP 300 MK II
- Datenblatt

"Gut 30 Jahre Erfahrung", knurrt Andreas Hofmann auf die Frage hin, was denn in seiner neuen Vorstufe HP 300 Mk 2 für 3250 Euro steckt. In Anbetracht der immer analytischer klingendenen Mitspieler habe er die Elektronik gegenüber der Vorgängerin HP 300 (7/01, 2650 Euro, 53 Punkte) nun etwas wärmer abgestimmt. Dann holt der Firmenchef aber aus und berichtet, dass seine Karlsbader den 40 Watt starken Netzteil-Umspanner selber wickeln und dass er als Kernmaterial nicht die üblichen EI- oder ringförmigen Bleche nimmt, sondern für teures Geld exklusiv in der Schweiz gefertigte mit PMz-Zuschnitt (Skizze nächste Seite). Nur so ließen sich Vorstufentaugliche Trafos mit geringem Streufeld und vor allem mit geringer Wicklungskapazität bauen, in die weniger Schmutz aus dem Netz sickern kann. Bei der neuen Mk 2 stößen Störer gleich noch auf weitere Barrieren. Etwa bei der Anodenspannungs-Aufbereitung auf einen mit einem dicken Transistor bewehrten Regelkreis, der wie eine elektronische Siebdrossel wirkt, die jegliche ungesunden Zuckungen sicher unterbindet - und trotzdem, wenn etwa die Netzspannung schwankt, nicht ausflippt. Die finale Spannungsglättung besorgt ein dicker 1000-Mikrofarad-Elko, der von Epcos/Siemens stammt, also aus deutschen Landen.

Besonders schöne Bauteile steuern Hersteller aus dem Osten bei: Die extra vibrationsfeste und nach Klingelarmut ausgesuchte Eingangsröhre ECC 82 kommt vom slowakischen Hersteller JJ; die besonders impulsschnelle, russische Spanngitter-Doppeltriode ECC 88 liefert Sovtek. Deren flotte Arbeit unterstützen Transistorhelfer (Stromquellen) in der Kathoden-Zuleitung. Dazu kommen zwei strompotente Leistungspuffer-ICs im Ausgang (BUF 634 von Burr-Brown). Diese verstärken nicht selbst, sorgen aber für niedrigen Anschlusswiderstand und damit für Verträglichkeit auch mit längeren Kabeln zum Endverstärker.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen legte Hofmann zwecks Stör-Unterdrückung noch eine dezente Überalles-Gegenkopplungsschleife an, deren Wirkung der feintunende Besitzer über den Schalter "-6 dB" um 6 -Dezibel erhöhen kann - bei entsprechender Verringerung der Verstärkung. Lieben Highender derartige Nachkorrektur nicht sonderlich, kommt vermehrter Argwohn erst mit den neuen Einsatzmöglichkeiten auf. Octave hat eine umfängliche Relaisbank eingebaut, über die ein Multikanal-AV-Receiver seine Frontkanäle durch die HP 300 Mk 2 reicht ("Bypass Aux"; funktioniert auch über die symmetrischen Ausgänge).

Dadurch kann der anspruchsvolle Hörer gemäß der von stereoplay empfohlenen Methode "aus 2 mach 5" seine gute Stereo-Anlage mitsamt den Boxen auch für die Frontkanäle beim Surroundhören nutzen. Dafür liefert Octave sogar eine modische, lernfähige Universal-Fernbedienung mit.
Mode hin, Mode her, lag die ältere HP 300 noch bei 53 Punkten, kamen nun die Vorstufen dieser Liga nicht mehr an die junge, super schwungvoll auftrumpfende Badenerin ran. So wirkte die nunmehr auch deutlich preisgünstigere Linn Majik Kontrol (8/06, 2700 Euro) zurückhaltender und schlanker. Die altbewährte Pre 1 G 2 von AudioNET (4/01, 2490 Euro) holte sich bei den relativ lieblich aufgezeichneten Weisen der CD "Dreaming Through The Noise" von Vienna Teng (Zoe) wegen besonders kerniger Basswiedergabe und sehr akkuratem Gesang noch ein Sonderlob. Doch schon bei den leicht fetzigeren Titeln von Rebecca Pidgeons "The Raven" (Chesky-CD/SACD) stürmte die HP 300 Mk 2 nach vorne. Nun erschien die Stimme ungezwungener und dennoch lebendiger, schelmischer und anrührender. Die Gitarrenbegleitung rankte sich dreidimensionaler, feiner drum herum; die Klavierläufe perlten flüssiger, Bässe schnurrten vergnügter dahin.
Ihre Fähigkeiten durfte die Octave dann zwischen dem Naim-Player CD 555 und den Thorens-Monoblöcken TEM 3200 (6/06 und 1/06; beide Referenz) mit diversen Edel-Schallwandlern auch bei "gefährlichen" Werken entfalten: zum Beispiel bei der vom vielköpfigen The All Star -Percussion Ensemble eingespielten "Carmen Fantasy" (Golden String). Was sonst allzu leicht nervt, geriet mit dieser Kette und der HP 300 Mk 2 zur reinen Freude. Ein Hochgenuss, den wunderschön blitzenden und blinkernden Klangstrahlen der Triangeln und der Tamburine zu folgen. Oder Filzklöppeln zuzusehen, wie sie über das Vibra- oder Xylophon huschen und glockig-schwebende oder hölzern-pochende Klänge hinterlassen. Das ganze Ballett-Instrumentarium von ganz oben bis ganz unten übertrug die Octave so härtefrei, so traumhaft echt, wie es der Musikfreund eben erst von einer 54-Punkte-Vorstufe verlangen kann.
Nach diesem Erfolg wollten die Tester auch noch das optionale MC-Phonoteil (850 Euro) ausprobieren, das mit empfindsamen ICs die Musiksignale empfängt und den Platten-Frequenzgang mit einer JAN 6072 A entzerrt (Joint Army and Navy; eine rauscharme Version der Doppeltriode ECC 83). Nun brachte die HP 300 Mk 2 zwar nicht mehr ganz den unendlichen Raum zustande wie bei CDs, dafür agierten die etwas enger aufgerückten Musiker fast noch impulsiver und couragierter. Kurz: Die HP 300 Mk 2 hört sich bei Hochpegelquellen traumhaft und bei LPs immer noch fantastisch an.
Octave HP 300 Mk II
Octave HP 300 Mk II | |
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Hersteller | Octave |
Preis | 3250.00 € |
Wertung | 54.0 Punkte |
Testverfahren | 1.0 |