Technics SL-1000R im Test
Die frühen Technics waren fürs Studio konzipiert und wurden zu HiFi-Legenden. Jetzt kommen sie zurück: wir haben den Plattenspieler SL-1000R mit einem Aluminiumgehäuse getestet.

Geräte aus dem professionellen Bereich haben es im Laufe der HiFi-Geschichte immer wieder geschafft, im Heimbereich zu Legenden zu werden: Man denke etwa an die BBC-Monitore LS 3/5a. Für Plattenspieler ist eine solche Erfolgsgeschichte allerdings äußerst rar, obwohl die klassischen technischen T...
Geräte aus dem professionellen Bereich haben es im Laufe der HiFi-Geschichte immer wieder geschafft, im Heimbereich zu Legenden zu werden: Man denke etwa an die BBC-Monitore LS 3/5a. Für Plattenspieler ist eine solche Erfolgsgeschichte allerdings äußerst rar, obwohl die klassischen technischen Tugenden wie Gleichlauf und Rumpelabstand in Heim und Studio dieselben sind.
Zu den frühen Crossover-Produkten im Analogbereich zählte der Technics SP-10, der als erstes direkt angetriebenes Laufwerk ab 1969 Studios und Rundfunkanstalten im Sturm eroberte. Laufwerk, Ansteuerung und Armeinheit waren baulich streng getrennt, um individuell in Studiotische eingebaut zu werden.
Die Vorgänger
Das hinderte HiFiisten nicht daran, das Gerät auch mit individuellen Zargen im Heim zu verwenden. Ab der Mk2-Version gab es dann auch verschiedene Zargen im Baukastensystem aus exotischen Materialien, u.a. viskoelastischem Schaum mit Rosenholzfurnierung oder vulkanischem Obsidian-Steinglas, die Kombis wurden SL-1000 genannt. Letztes Jahr deutete sich an, dass Technics genau diese Legenden neu auflegt und bei der Namensgebung der Tradition treu bleibt: SP-10R heißt die Einbauvariante und SL-1000R das Komplettlaufwerk.
Neu konstruiert: der Teller
In beiden Fällen ist das Herzstück natürlich die Kombination aus Motor und Teller, die für das Projekt SP-10/SL-1000R komplett neu entwickelt wurde. Der Teller ist allein schon vom reinen Gewicht von 7,9 Kilogramm her rekordverdächtig, seine Konstruktion folgte allerdings nicht der Maximierung der Masse allein, auch wenn deren Trägheit dem Gleichlauf zuträglich ist.
Zu diesem Zweck installierten die Technics-Ingenieure zwölf Gewichte aus Wolfram im Außenbereich des Tellers: einem Metall mit extrem hoher spezifischer Masse, nur unwesentlich unter jener von Blei. Das Herzstück des Tellers ist zweiteilig, um Resonanzen und materialspezifische akustische Eigenschaften möglichst auszubalancieren: Unten ein Träger aus Aluminium-Druckguss, oben eine auf höchste Präzision geschliffene und gebürstete Messingscheibe, auch diese immerhin zehn Millimeter stark.
Die beiden Tellerelemente sind miteinander verschraubt, liegen aber ohne direkte Verbindung nur dank ihres Gewichts und dreier Zapfen auf dem kleineren Subteller auf. Eine dämpfende Schicht aus Spezialgummi sorgt als Basis des Tellers fürs Eliminieren letzter Resonanzanteile.

So stark ist der Motor
Der Antrieb wurde nach den Erfahrungen mit dem SL-1200G für den schweren Teller neu entwickelt: Die Elektromagnete sitzen in Form von Luftspulen fest auf der Platine, jeweils neun Stück ringförmig nach oben und nach unten angeordnet, beide Schichten um 20 Grad zueinander versetzt. Eisenkerne gibt es nicht. Die beiden Ringrotoren sind mit Permanentmagneten darüber und darunter angeordnet und erzeugen dank der zwölfpoligen Ansteuerung der Statormagnete eine besonders gleichmäßige Kraftentfaltung bei gleichzeitig hohem Drehmoment.
Einen leichten Teller zu beschleunigen ist keine Kunst, doch die 7,9 Kilogramm bewegt man in weniger als einer Sekunde nur mit hohem Drehmoment auf Solldrehzahl, das der Hersteller mit 0,39 Newtonmeter angibt. Und ebenso schnell wieder zur Ruhe bringt, denn der Direktantrieb wirkt gleichzeitig als Bremse, wenn man den „Start/Stop“-Knopf drückt – eines der wenigen Details, das äußerlich an die Studio/DJ-Gene des Technics-Spielers erinnert.
Immerhin 40 Kilo bringt das Gesamtpaket auf die Waage und ist doch kein klassischer Masse-Vertreter: Das Gehäuse ruht auf Absorberfüßen, die es gegenüber Trittschall unempfindlich machen sollen. In das aus dem Vollen gedrehte Alu-Hauptteil werden die Laufwerkseinheit und getrennt eine Armbasis eingelassen. Auf Wunsch lassen sich noch zwei weitere, identische Basen außen andocken. Der S-förmige Arm, der aus Magnesium gefertigt ist, lässt sich mit einer riesigen Schraubeinheit im Ganzen in der Höhe verstellen, um den vertikalen Winkel perfekt an die Bauhöhe des Tonabnehmers anzupassen.

Studio oder HiFi? Beides!
Fast die gesamte Testerriege fand sich im stereoplay-Hörraum ein, um die Frage zu ergründen, ob der SL-1000R eher seine Profi oder seine High-End-Gene klanglich zeigen würde. Peter Gabriels „San Jacinto“ versprüht sonst klanglich schnell den künstlichen Charme der 1980er, klang aber über den Technics, das eingebaute Ortofon Quintett Blue und die angeschlossene KEF Muon überwältigend modern: staubtrockene, souveräne, ultratiefe Bässe und eine räumlich weite, bedächtige Ruhe im Klangbild, wie man es vielleicht eher von einer analogen Bandmaschine als von einem Plattenspieler erwartet hätte.
Spätestens beim Vorspiel II von Wagners „Walküre“ (dirigiert von Haitink) lösten sich alle HiFi-philosophischen Fragen von selbst auf: Dass eine analog umgepresste Digitalaufnahme so warm und räumlich spielen kann, hätte man schon nicht vermutet, aber der Technics bildete zugleich die etwas saubere Akkuratesse der Studioaufnahme perfekt ab und hinterließ die Hörer mit offenem Mund. Für Jubelstürme sorgte auch das legendäre „Reunion“-Konzert der Weavers, dessen Raumtiefe mit dem subsonischen Stampfen schlicht perfekt war und das seine Stimmschönheit entfaltete, ohne die historisch-minimalistische Aufnahmetechnik zu beschönigen. Ein Plattenspieler, der in seiner Geschichte wurzelt, aber für die Ewigkeit gebaut ist.