Testbericht
Vollverstärker Naim Nait XS
Nait Xtra Small nennt Naim ihren neuesten Verstärker für 1700 Euro. Das ist echtes britisches Understatement.
- Vollverstärker Naim Nait XS
- stereoplay Interview mit Paul Stephenson (Managing Director Naim Audio)
- Datenblatt

Manchmal sind gute Rezepte einfach. Das hat sich wohl auch die Entwicklermannschaft von Naim in Salisbury gedacht, als sie den Nait XS konzipierte: Sie nahm ihren Top-Vollverstärker Supernait (3500 Euro, 9/07), entschlackte seine Ausstattung soweit wie möglich, und schon war die neue, deutlich günstigere Version fertig. Nur: Ist dieses Rezept beim Nait XS, der für 1800 Euro in den Läden steht, aufgegangen? Wurde wirklich an der richtigen Stelle gespart?

Äußerlich kann man beim Nait XS den Unterschied zum Supernait an dem etwas weniger massiven Gehäuse, dem Fehlen des Balancereglers und der nicht vorhandenen Tastenreihe zur Aufnahmewahl sehen. Das ist schon mal eine gute Idee, da wohl die meisten Musikfreunde diese Features verschmerzen können und es recht viel Geld spart. Denn Naim verwendet sonst auch für die Aufnahmewahl teure Reed-Relais mit extraharten Rhodiumkontakten und für den Balanceregler hochwertige Alps-Regler mit Motor. Dass die digitalen Ein- und Ausgänge entfielen, wird hingegen nur die freuen, die einen sehr guten CD-Player sowie andere digitale Quellen mit guten D/A-Wandlern haben.
Blickt man nun ins Innere, ist man hingegen verblüfft, dass es kaum einen Unterschied der analogen Verstärkerplatinen der beiden Brüder gibt. Allenfalls fällt ins Auge, dass der Nait XS einen schwächeren Trafo der irischen Nobelschmiede Talema besitzt, wodurch sich auch die kleinere Nennleistung erklärt. Ansonsten gibt es feinste Bestückung mit kleinen, direkt auf der Oberfläche montierten Bauteilen (Surface Mounted Devices, SMD), die sehr kurze Signalwege ermöglichen.

Die Schaltung des Vorstufenteils ist von der NAC 202 (12/02) übernommen und somit, wie die Leistungssektion, identisch mit der im Supernait. Damit besitzt auch der Nait XS die gleichen sehr strompotenten bipolaren Transistoren von Sanken. Im Gegensatz zu den Naim-Endverstärkern, die nur mit NPN-Typen realisiert sind, finden sich im XS sowohl NPN- als auch als PNP-Typen, wodurch er wie alle neueren NaimVollverstärker komplementär aufgebaut ist. Klanglich sei dies zwar nicht ganz so gut, schallt es aus Salisbury, doch sei es effektiver und biete deshalb mehr Leistung.
Sehr aufwendig und löblich ist die kanalgetrennte Gleichrichtung mit satten Siebelkos des britischen Herstellers BHC sowie die separate Versorgung der für die Fernbedienbarkeit nötigen Elektronik des Neuen.
Obwohl er preislich näher am kleinen Bruder Nait 5i (5/08) liegt, lässt er sich im Gegensatz zu diesem mit einem externen Netzteil aufrüsten. Dabei kann der Naim-Freund zwischen dem Flatcap 2 X für 830 Euro, dem Hi-Cap für 1500 Euro oder gar dem Supercap für 4800 Euro wählen.

Obwohl der Nait XS sowohl Cinch-Anschlüsse als auch die von Naim so geliebten DIN-Buchsen bietet, empfiehlt sich denen, die eine Naim-Quelle besitzen, der Anschluss über die DIN-Verbindung, da der Cinch-Weg im Inneren über ein zusätzliches Flachbandkabel führt.
Ein Eingang lässt sich auf feste Verstärkung umschalten, etwa um den Nait in ein HD-Quadrosystem (1/09) einzubinden. Auch besitzt er einen Vorstufen-Ausgang, der einen Subwoofer ansteuern kann. Beides zeigt, dass Naim den XS auch für komplexere Anlagen fit gemacht hat.
Im stereoplay-Hörraum brauchte er dies alles nicht, als er mit den Referenz-Lautsprechern Magico V 3 (6/08) verbunden wurde. Und schon die ersten Takte überraschten die Tester angenehm, denn er musizierte äußerst schlüssig und klangfarbenstark. So war der Vergleich mit dem kleinen Bruder Nait 5 i schnell durchgeführt. Dieser vermittelte zwar ebenfalls natürliche Klangfarben und erfreute mit seiner anheimelnden Spielweise, doch war der Nait XS ein weitaus schwereres Kaliber. So ließ er große Orchestertuttis deutlich gelassener sowie stabiler vernehmen und erinnerte darin stark an seinen großen, teureren Bruder Supernait. Doch den direkten Vergleich mit diesem stereoplay Highlight verlor der Nait XS dann doch. So behielt der Supernait bei komplexen Passagen mehr die Übersicht und bot den tieferen wie auch konturierteren Bass. Eindeutig war der Abstand aber geringer als der zum kleinen Bruder.

Als gleichwertiger Partner entpuppte sich der Linn Majik I (1/08), wie der Supernait mit einem stereoplay Highlight gekrönt. Beide Verstärker hatten ihre Fürsprecher. Zogen die einen die üppigen Klangfarben des XS vor, wodurch bei Geigen und Gitarren satte Holzkörper zu vernehmen waren und Stimmen wie etwa die von Johnny Cash bei "One" ("American III, Solitary Man"; Columbia) sonorer erklangen, verwiesen die anderen auf die feinere Artikulation, den tiefer hinab reichenden Bass und die minimal offeneren Höhen des Majik I.
Blieb der Linn bei Großorchestralem standhafter und gab den Konzertraum tiefer und großzügiger wieder, gefiel der Nait XS bei Kammermusik mit mehr Schmelz und durch die Eigenschaft, die Musiker näher an den Hörplatz zu ziehen.
In der Summe aller Eigenschaften befanden die Tester auf ein Patt und verliehen dem Nait XS deshalb ebenfalls ein stereoplay Highlight.