Die letzten Smartphone Zwillinge
Honor 50 und Huawei Nova 9 im Test
Der Verkauf der Marke Honor hat den Niedergang von Huaweis Smartphone-Sparte besiegelt. Honor 50 und Huawei Nova 9 sind die letzten Modelle, denen man die gemeinsame Vergangenheit noch ansieht. Wie unterschiedlich zeigen sich die Smartphones im Test?
- Honor 50 und Huawei Nova 9 im Test
- Honor 50 und Huawei Nova 9 im Kameratest

Am 17. November 2020 wurde der Verkauf von Honor offiziell bekannt gegeben. Huawei hat sich nur auf massiven Druck von seiner erfolgreichen Tochter getrennt: Für eine Weiterführung der Geschäfte fehlten schlicht die technischen Komponenten, sodass die Entscheidung alternativlos war. Es gibt wenige Details zum Verkauf, bekannt ist, dass das Konsortium „Shenzhen Zhixin New Information Technology“ die Marke übernommen hat, den Preis schätzen Experten auf mehr als 12 Milliarden Dollar.
In einer schriftlichen Stellungnahme bekräftigte Huawei damals, weder Anteile zu halten noch sonst in irgendeiner Form weiter in Honor involviert zu sein. Hier findet sich auch ein Hinweis auf die neuen Eigentümer: Der Vorschlag zum Kauf sei von 30 „Agenten und Händlern“ der Marke Honor gekommen, die dann auch den Zuschlag erhalten hätten. Wenn man diese Zeilen richtig interpretiert, dann waren es die Industriepartner entlang der eigenen Lieferkette, die Honor übernommen haben.
Heute lässt sich sagen, dass dieser Schritt erfolgreich war. Nachdem die Verbindungen zu Huawei gekappt waren, bekam Honor wieder jenen Zugang zu Hightech, der Huawei weiterhin verwehrt bleibt. In ihrem aktuellen Bericht zum chinesischen Smartphone-Markt zählen die Marktforscher von Canalys Honor zum herausragenden Hersteller des dritten Quartals 2021 mit einem Wachstum von über 100 Prozent. In China ist Honor nun die neue Nummer Drei und zum Jahresende geht man daran, auch außerhalb von China verlorenen Boden wieder zu erobern. Das im Heimatmarkt sehr erfolgreiche Honor 50 geht nun auch in Deutschland in den Verkauf.

Erfolgsrezept von Huawei
Parallel dazu sendet auch die Mutter Huawei, deren Smartphone-Geschäft durch die Sanktionen praktisch zum Stillstand gekommen ist, ein Lebenszeichen. Ein paar Tage vor der Deutschlandpräsentation des Honor 50 lud man die Presse zu einem Produkttermin und zauberte erstmals seit mehr als einem Jahr ein neues Smartphone aus dem Hut: Das Nova 9 sieht dem Honor 50 zum Verwechseln ähnlich und es bewegt sich preislich und technisch auf der gleichen Stufe.
Wenn man bedenkt, dass die Entwicklung eines Smartphones vom Reißbrett bis zur Serienreife bei mehr als einem Jahr liegt, dann wird klar, dass beide Modelle im gleichen Büro konzipiert wurden. Es dürften die letzten Zwillinge von Huawei und Honor sein. Und in ihrer einzigartigen Konstellation zeigen sie auf, warum Huaweis Chancen, bei einem bestehenden US-Handelsembargo im Smartphone-Markt wieder Fuß zu fassen, gegen null tendieren.
Denn trotz der Ähnlichkeiten fehlen dem Nova 9 zwei entscheidende Voraussetzungen zum Erfolg: Hardwareseitig fehlt 5G, softwareseitig Google und der Pay Store. Aber betrachten wir zunächst das Gehäuse. Hier wird nämlich einer der Bausteine sichtbar, der entscheidend zu den großen Zeiten von Huawei beigetragen hat.

Verarbeitung und Ausstattung des Honor 50 und Huawei Nova 9
Beide Phones sind exzellent ausbalanciert: Das Gewicht stimmt, die an den Seiten gerundete Rückseite schmiegt sich der Hand an, die Haptik mit Metallrahmen und Glasrücken ist sehr hochwertig. Design, Verarbeitung und Anfassqualität überzeugen auf ganzer Linie und müssen den Vergleich mit einem Highender nicht scheuen. Der gleiche Befund gilt für die Displays. Sie sind an den langen Seiten elegant gebogen, sodass ein fast randloser Eindruck entsteht. Wenn man von vorne draufschaut, bestehen die Phones praktisch nur aus Display, was ihnen einen ultramodernen Look verleiht. Auch die inneren Werte stimmen: Zur schnellen 120-Hertz-Rate gesellen sich sehr gute Helligkeits- und Kontrastwerte – stark!
Mit Blick auf den Speicher wird es wieder preisgerecht. Beide Phones werden mit 128 GB für 500 Euro verkauft, eine Speichererweiterung ist nicht möglich, aber dafür gibt es Dual-SIM. Das uns zur Verfügung gestellte Testmodell des Honor 50 kam mit 256 GB Speicher und kratzt mit 599 Euro an der Oberklasse. Hier wird deutlich, dass beide Hersteller nicht den Weg von Preisbrechern à la Xiaomi oder Realme gehen wollen und sich stattdessen in Richtung Premium orientieren. Günstig ist weder das Honor 50 noch das Nova 9. Das zeigt auch der Blick auf die Kamera- Ausstattung: Ein sehr gutes Weitwinkel ist ohne Frage eine gute Basis, wir hätten uns aber ein besseres Ultraweitwinkel und eine dritte Brennweite gewünscht.

Leistung des Honor 50 und Huawei Nova 9
Beide Phones setzen auf Qualcomms Snapdragon 778G, ein modernes Mittelklasse-SoC, das für Gaming optimiert wurde und auch anspruchsvolle 3D-Spiele mühelos darstellen kann. Die Performance ist mehr als solide, aber (in Benchmarks) doch spürbar unterhalb von Qualcomms Top-Serie 800 angesiedelt.
Auch mit MediaTeks Dimensity 1200 AI (OnePlus Nord 2) kann der 778er nicht ganz mithalten. Neben der Leistung wird auch moderne Connectivity geboten, 5G gehört genauso dazu wie Wi-Fi 6 und Bluetooth 5.2. Doch nun wird es kurios. Weil Qualcomm aufgrund des US Embargos keine 5G-Komponenten an Huawei verkaufen darf, hat man eine maßgeschneiderte Lösung entwickelt: den Snapdragon 778 4G, also ein modifiziertes 778er ohne 5GModem.
In der Software hinterlässt das Embargo ebenfalls tiefe Spuren, denn auch die Zusammenarbeit mit Google ist nicht möglich. Auch wenn Huawei seine App Gallery zu einer ernsthaften Alternative zum Play Store entwickelt hat, ist die App-Auswahl im Vergleich eingeschränkt. Problematisch wird es zudem, wenn man bereits Nutzer der Google-Cloud in Form von Fotos oder Gmail ist.

Fazit zu den Smartphones von Huawei und Honor
Halten wir also fest: Für 500 Euro legt Huawei ein Smartphone auf den Tisch, dem nicht nur der Play Store fehlt, sondern auch der wichtigste Mobilfunkstandard der kommenden Jahre. Zum gleichen Preis bekommt der Kunde mit dem Honor 50 einen Zwilling ohne diese Einschränkungen. Diese Wahl, die so leicht fällt, macht klar, wie düster die Aussichten für Huaweis Smartphone-Sparte sind. Honor erscheint daneben wie der Phönix aus der Asche.