Smartphone-Historie
Geschichte des Handys: Vom Knochen zum Phablet
Mittlerweile traut man sich ohne Smartphone fast gar nicht mehr aus dem Haus. Die Alleskönner beherrschen unseren Alltag – das war vor 20 Jahren nicht vorstellbar. Ein Rückblick auf die Geschichte des Handys.

In 20 Jahren wachsen Städte zu Metropolen, werden Kinder groß – und auch der Mobilfunk hat immens an Bedeutung gewonnen. Ein Leben ohne Handy können sich heute die wenigsten vorstellen. Man geht ohne Schlüssel oder Brieftasche aus dem Haus, doch selten ohne Handy. Und statt der Bettlektüre liegt bei vielen der mobile Kommunikator auf dem Nachttisch griffbereit.
Vor gut 20 Jahren sah das noch ganz anders aus: Zwar starteten die damals schon konkurrierenden D-Netzbetreiber Telekom und Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) 1992 mit ihren Netzen, doch es fehlte an Endgeräten — was Mannesmann-Chef George Schmitt veranlasst haben soll, das Kürzel GSM (Global System for Mobile Telecommunications) in „God, Send Mobiles!“ umzumünzen.
Knapp 4.000 Mark fürs Handy
Telekom-Mobilfunkvorstand Klaus Hummel versprach zum Netzstart im Juli 10 000 Mobiltelefone zur Verfügung zu stellen. Die ließ sich der Konzern freilich teuer bezahlen: So durfte man für die ersten portablen Apparate je nach Modell und Hersteller bis zu 4.000 Mark blechen. Damit nicht genug: Für den Telefonservice kassierten die Netzbetreiber schon mal 80 Euro Grundgebühr pro Monat, und bei Minutenpreisen von fast zwei Mark hatten Dampfplauderer schlechte Karten. Kein Wunder also, dass sich bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von rund 46 800 Mark der Kreis der mobilen Telefonierer auf gut verdienende Businessnutzer und Technikbegeisterte beschränkte.
Nur knapp ein halbes Jahr nach dem Startschuss der D-Netze schrieb Ex-Chefredakteur Peter Waldleitner im Editorial der connect- Erstausgabe begeistert: „Im Zeitalter von Mobilfunk, digitalen Telefonnetzen und Videokonferenzen spielt der Standort von Büro und Arbeitsplatz kaum noch eine Rolle. Daten rasen in Sekundenschnelle um den Erdball. Die Schlüsseltechnologie Telekommunikation wird unser Leben in den nächsten Jahren radikal verändern“. Recht hat er behalten – und das nicht nur im Hinblick auf das Geschäftsleben.

Das Smartphone macht süchtig
Die evolutionäre Entwicklung der Hardware trug stark zur Erfolgsstory bei: Das erste Handy in Deutschland – das Motorola International 3200, als „Knochen“ bekannt – war 600 Gramm schwer und passte in keine Jackentasche. Doch binnen kurzer Zeit wurden die Geräte deutlich leichter, kleiner und damit auch komfortabler. Heutzutage wiegen die filigranen Allrounder meist unter 150 Gramm und sind längst zum Alltagsgut geworden. Seit dem Verkaufsstart des iPhones anno 2007 sind bekanntermaßen die Smartphones auf dem Vormarsch: Laut dem Branchenverband Bitkom besitzen über 44 Millionen Bundesbürger ein modernes Touchscreen-Gerät.
Mit der neuen Generation ändert sich auch das Kommunikationsverhalten: Statt zu Plaudern und zu Simsen ist heute Surfen angesagt. So greifen Smartphone-Nutzer hierzulande schon alle zehn Minuten zum Handy, checken E-Mails, hören Musik, schauen fern oder laden Apps herunter. Selbst ein Drittel der über 65-Jährigen pflegt Kontakte via Whatsapp, Facebook und Co. Das Internetphone wird oft erst kurz vor dem Einschlafen zur Seite gelegt.
Lesetipp: Nokia-Historie: Vom 1011 bis zum Lumia 930
Als Nokia vor 16 Jahren mit dem 7110 das erste WAP-fähige Handy auf den Markt brachte, konnte sich das noch keiner ausmalen. Statt dem World Wide Web gab’s Monochrom-Bildchen, und bis die WAP-optimierten Seiten endlich im Display erschienen, konnte man gleich Urlaub beantragen.
Google und Apple: über 1 Million Apps
Neben dem mobilen Internetzugang sind Apps bei den Smartphones das wichtigste Pfund: So gibt’s Tools für nahezu alle geschäftlichen und privaten Themen- bereiche, die sich per Klick kinderleicht herunterladen lassen. Damit tritt die Hardware immer mehr in den Hinter- und das Betriebssystem in den Vordergrund – zumal alle Operating Systems (OS) einen eigenen App-Store angeschlossen haben.
Lesetipp: Top 10: Die besten Android-Handys
Bei der Anzahl an Apps spielen Google mit über 1,5 Millionen Android-, und Apple mit rund 1,4 Millionen iOS-Apps ihre Dominanz aus. Das Geschäft mit Apps läuft aber nicht bei jedem: Der Windows Phone Store dümpelt mit mageren 340 000 Tools mehr schlecht als recht vor sich hin. Bereits baden gegangen sind Blackberry, Nokia mit seinen Symbian-Apps und Samsung mit seiner hauseigenen Plattform Bada.
Chinesen auf der Überholspur
Beim Smartphone-Absatz hat Samsung Apple indes längst abgehängt: Von den 337,2 Millionen Smartphones, die im zweiten Quartal 2015 weltweit verkauft wurden, waren über 73,2 Millionen Samsung-Modelle. Die Koreaner konnten damit einen Marktanteil von 21,7 Prozent erzielen, Apple kommt mit 47,5 Millionen verkauften iPhones auf knapp 17,4 Prozent.
Weit hinter den beiden Topsellern rangieren Huawei, Xiaomi und Lenovo mit 8,9, 5,3 und 4,8 Prozent Marktanteil, Alle drei sind chinesische Hersteller, die überproportional wachsen und bekannte Marken wie Sony, Blackberry und Microsoft recht zügig aus der Top-Five-Rangliste verdrängt haben. Die Konsequenz im überhitzten Smartphone-Markt: Der seit Jahren strauchelnde Handybauer Blackberry wird als Übernahmekandidat gehandelt, Microsoft will sein Handygeschäft stark zurückfahren und streicht diesbezüglich schon mal über 8000 Stellen weltweit.

Neben den Smartphones wächst auch die Anzahl der Tablet-PCs stetig, die dem stationären Rechner zu Hause den Rang ablaufen. Den Stein ins Rollen gebracht hat einmal mehr Apple, die binnen 28 Tage nach der Markteinführung des iPads am 3. April 2010 eine Million Geräte verkaufen konnten, Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Die Kalifornier sind mit 24,5 Prozent nach wie vor die Nummer eins, doch die Android-Hersteller wie Samsung, Lenovo, LG Electronics und Huawei verkaufen insgesamt mehr Geräte als Apple.
Immer schneller, immer billiger
Neben der Hardware spielen auch die Netze eine gewichtige Rolle bei diesem Siegeszug: Geriet man Anfang der 90er außerhalb der Ballungsräume und abseits der Autobahnen ganz schnell in ein Funkloch, sind mittlerweile nahezu 100 Prozent der Bevölkerung mit Mobilfunk versorgt, auch UMTS ist zumindest in den D-Netzen fast flächendeckend verfügbar. Datengeschwindigkeiten von bis zu 7,2 Mbit/s sind beim Surfen die Regel und nicht mehr die Ausnahme.
Mit der LTE-Frequenzvergabe wurde 2010 die nächste Mobilfunkgeneration eingeläutet, mit der theoretisch bis zu 100 Mbit/s möglich sind. Knapp zwei Jahre später rollen Telekom, Vodafone und O2 ihre Highspeed-Netze in den Städten aus; die unterversorgten weißen Flecken sind, wie von der Bundesnetzagentur gefordert, inzwischen nahezu mit Breitband abgedeckt. Drei Jahre später treiben die D-Netz-Riesen den Ausbau weiter voran und beglücken einige Städte schon mit 300 Mbit/s.
Die Eile, die die Mobilfunker an den Tag legen, kommt nicht von ungefähr: Der Datenhunger der Gigabit-Gesellschaft wächst rasant – und nur zufriedene Kunden sind treue Kunden. Auch will man mit der neuen Technik neue Geschäftsfelder erschließen: So stehen Lösungen für E-Health, fürs vernetzte Haus und Auto sowie für Mobile Payment in den Startlöchern. Und was machen die Preise? Die sind auf gutem Weg: Seit die Discounter den Netzbetreibern einheizen, sind die Kosten um mehr als 80 Prozent gefallen. Dafür sind die Nutzerzahlen rasant gestiegen: Mit über 112 Millionen gibt’s in Deutschland mehr SIM-Karten als Einwohner.
Die Handy-Geschichte in der Timeline

1992
Startschuss: Am 30. Juni wird das erste kommerzielle Telefonat im D2-Netz von Mannesmann (heute: Vodafone) geführt – ein paar Tage, bevor die Konkurrenz von D1 loslegt. Allerdings sind anfangs die Endgeräte sowohl knapp als auch mit bis zu 4000 Mark für heutige Verhältnisse irrsinnig teuer. Auch die Gesprächsminute ist nicht eben günstig: 1,40 Mark pro Minute müssen die Nutzer mindestens berappen – bei einer Grundgebühr von 80 Mark im Monat.
1993
Premiere: Anfang des Jahres testet connect erstmals Handys – oder D-Netz-Handhelds, wie die Dinger damals noch hießen. Später kommt mit dem Siemens S1 das erste Modell mit grafischer Benutzerführung auf den Markt. Die Standby-Zeiten der klobigen Telefone liegen zwischen fünf und 16 Stunden – einen ganzen Arbeitstag ohne Kontakt zur Steckdose überstehen die wenigsten.
1994
Mit E-Plus startet der dritte Netzbetreiber – und braucht neue Handymodelle, da das E-Netz auf 1800 MHz funkt, die bisherigen Geräte aber für das D-Netz mit 900 MHz ausgelegt sind. Dualband- Handys, die beide Frequenzen beherrschen, wird es erst drei Jahre später geben.
1995
D2 Mannesmann sorgt mit seinem Privatkundentarif für einen ersten Mobilfunkboom und kräftigen Zuwachs in der Kundenkartei. Das Siemens S4 stellt einen neuen Standby-Rekord auf: Über 54 Stunden Betriebszeit und über fünf Stunden Sprechzeit sind eine Sensation. Motorola bringt ein Micro- Tac-Modell mit einem Ausstattungsmerkmal, das es bis dahin noch nicht gab: dem Vibrationsalarm.
1996
Die beiden D-Netze starten den Regelbetrieb des Kurzmitteilungsdienstes SMS, der bis heute fleißig genutzt wird. Die Handy-Innovationen des Jahres sind besonders zahlreich: Nokia bringt mit dem „Banane“ genannten 8110 das erste Designhandy und stellt seinen ersten Communicator vor. Hagenuk präsentiert ein Gerät mit ins Gehäuse integrierter Antenne – und setzt damit einen Trend. Und Motorola stellt in den USA das StarTac vor, das ein Jahr später auch nach Deutschland kommt – es ist das erste Klapphandy überhaupt.
1997
CallYa und X-tra heißen die ersten Prepaid-Angebote in Deutschland – eine Grundvoraussetzung für den beispiellosen Boom der folgenden Jahre. Handys gibt’s mittlerweile für eine Mark mit Vertrag.

1998
Mit Viag Interkom (heute Telefónica Deutschland) startet der vierte Netzbetreiber in Deutschland. Schon 13 Millionen Bundesbürger telefonieren mobil – erstmals werden mehr Handys verkauft als Festnetztelefone.
1999
Auf der Cebit wird die Texteingabehilfe T9 vorgestellt – und mit großen Erwartungen das Internet fürs Handy namens WAP präsentiert. Allein die Handys fehlen wieder einmal zur Nutzung der neuen, verheißungsvollen Dienste: Siemens hatte sich beim Standard verspekuliert und bringt sein S25 mit WAP 1.0, die deutschen Netze setzen aber auf WAP 1.1. Ende des Jahres kommt mit dem Nokia 7110 endlich das erste WAP-fähige Handy.
2000
Nach einer Übernahmeschlacht, die ihresgleichen sucht, wird D2 Mannesmann zu Vodafone D2. Die Lizenzen für das Mobilfunknetz der dritten Generation werden für wahnwitzige 98,8 Milliarden Mark versteigert – an sechs potenzielle UMTS-Netzbetreiber, von denen aber nur die bekannten vier übrigbleiben. Im Herbst tritt der Datenturbo GPRS an – und wieder fehlen passende Endgeräte …
2001
Der Kurzstreckenfunk Bluetooth ist verfügbar – und hat die Infrarot- Schnittstelle mittlerweile als De-facto-Standard abgelöst. Ericsson legt sein Handygeschäft mit Sony zusammen und bringt noch schnell das erste Handy mit 256 Farben im Display: das T68.

2002
Eine neue Geräte-Generation taucht auf: die Kamerahandys. Nokia hat mit dem 7650 das erste am Start. Gleichzeitig startet der Multimedia-Messaging- Dienst MMS – samt Postkarten- Service. Die ersten Smartphones der MDA/Xda/ VPA-Serie kommen auf den deutschen Markt. Und Vodafone startet mit live! ein ganz auf Multimedia ausgerichtetes WAP-Portal.
2003
Sony Ericssons T610 avanciert zum Hit. Immer mehr Handys tragen Farbdisplays zur Schau. Der Verkauf von Klingeltönen und Handygames gewinnt an Bedeutung – die Werbung im TV dafür wird immer penetranter.
2004
Die UMTS-Netze nehmen den Regelbetrieb auf – wieder fehlen zunächst die Handys. Die ersten Modelle: Nokias 7600 und das Vodafone- Gerät Samsung Z105.

2005
Drei Dinge prägen das Jahr: Simyo startet als erster Discounter und tritt eine Welle los, ebenso wie die E-Plus-Tochter Base mit ihrer Flatrate. Sony Ericsson läutet mit seinen Walkman-Modellen derweil die Ära der Musikhandys ein.
2006
Vodafone und T-Mobile launchen auf der Cebit den UMTS-Turbo HSDPA. Immer mehr Handys und Smartphones bekommen WLAN-Schnittstellen. Die Tarife geraten durch die Discounter unter Druck und rutschen gewaltig. BenQ-Siemens gibt nach nur einem Jahr auf.
2007
HSDPA erreicht nun im Idealfall 7,2 Mbit/s und liegt damit auf DSL-Niveau. Push-Mail kommt groß in Mode und wird auch für Privatkunden erschwinglich. Smartphones werden immer beliebter und günstiger. T-Mobile bringt das erste iPhone exklusiv am 9. September auf den deutschen Markt.

2009
T-Mobile hat im Februar 2009 mit dem G1 exklusiv das erste Android-Phone in Deutschland im Programm. Das Google- Handy mit bemerkenswertem Bedienkonzept wird von HTC gefertigt.
2010
TopIm Mai haben die vier Netzbetreiber bei der größten Frequenzversteigerung in der Geschichte Deutschlands nach 224 Runden 41 neue Blöcke für insgesamt 4,4 Milliarden Euro ersteigert. Telekom, Vodafone und O2 sichern sich die heißbegehrten 800er-Frequenzen, E-Plus verzichtet. Damit ist der Grundstein für den nächsten Mobilfunkstandard LTE gelegt. Im August 2010 nahmen Telekom-Chef René Obermann und die Staatssekretärin Tina Fischer die erste 4G-Station in Kyritz/Brandenburg in Betrieb. Nur einen Monat später startete Vodafone mit LTE.

2012
Anfang Juli 2012 bot auch O2 mit dem HTC One XL ein LTE-Handy für den Datenturbo an. Der Netzausbau geht unterdessen stetig weiter.
2015
Zeit für neue Gadgets: Nach Android startet auch Apple in den Smartwatch-Markt. Die Apple Watch kostet je nach Ausführung zwischen 400 und 18 000 Euro. Mitte Juni haben die Deutsche Telekom, Vodafone und O2 Mobilfunk-Frequenzen für den mobilen Breitbandausbau für 5,1 Milliarden ersteigert. Dabei ergatterte Vodafone für knapp über 2 Milliarden Euro das größte Paket.