1&1-Netz: Noch außer Konkurrenz aber mit unserem Benchmark getestet
Durch die Nutzer-Migration von Telefónica zu Vodafone und den nur langsam voranschreitenden Netzausbau können wir zur Qualität des 1&1-Netzes nur eine Sonderbetrachtung bieten. Die erfolgt aber nach allen Regeln unseres bewährten Benchmarks.
Normalerweise testet connect nur Produkte, die die Serienreife erreicht haben. Doch bei Mobilfunknetzen ist das so eine Sache. Von 2G geht es bis 5G im 10-Jahres-Takt, dazwischen gab es 20 Release genannte Ausbauschritte und bei jedem Netzbetreiber ungezählte Feature-Roll-Outs und Frequenzerweiteru...
Normalerweise testet connect nur Produkte, die die Serienreife erreicht haben. Doch bei Mobilfunknetzen ist das so eine Sache. Von 2G geht es bis 5G im 10-Jahres-Takt, dazwischen gab es 20 Release genannte Ausbauschritte und bei jedem Netzbetreiber ungezählte Feature-Roll-Outs und Frequenzerweiterungen. Doch was bei 1&1 gerade abläuft, geht über diese kontinuierlichen Verbesserungen hinaus.
Der Telekommunikationsanbieter mit Stammsitz in Montabaur ersteigerte bei der 5G-Auktion 2019 eigene Frequenzen und damit eine eigene Mobilfunklizenz. In Übereinstimmung mit an die Lizenzvergabe gekoppelten Auflagen der Bundesnetzagentur (BNetzA) startete 1&1 am 8. Dezember 2023 das eigene Mobilfunknetz mit zu Anfang fünf Mobilfunkzellen.
Mittlerweile hat der Ausbau Fahrt aufgenommen, im zweiten Quartal 2025 sollen nach Firmenangaben 1200 Antennen in Betrieb gewesen sein, im dritten ist die Gesamtzahl auf 1500 gestiegen. Im Vergleich zu den laut BNetzA für den 1. Januar 2025 insgesamt gelisteten 73 095 Standorten in Deutschland ist das natürlich ein recht geringer Anteil. Um für die nötige Netzabdeckung zu sorgen, setzt 1&1 auf National-Roaming-Partner.
Bis Ende August 2024 übernahm Telefónica die Aufgabe, bei 1&1-Kunden für die nötige Abdeckung zu sorgen. Seither kommen Neukunden bei Vodafone unter, die etwa 12 Millionen Bestandskunden werden schrittweise von Telefónica ins 1&1-Netz mit Vodafone-Roaming migriert.
Mit im Schnitt etwa 27 500 migrierten Kunden pro Tag, in der Spitze waren es dem Vernehmen nach 50 000, war dieser Prozess am 11. November beendet. Bedenkt man, dass die Crowd-Sourcing-Datenerfassung zwischen dem Mai und dem Oktober lief, die Drive- und Walktest-Messungen zwischen dem dritten und vierten Quartal stattfanden, ist leicht einzusehen, dass das 1&1-Netz nicht im direkten Vergleich mit den Teilnehmern unseres regulären Netztests bewertet werden konnte. Wir haben uns daher für eine Einzelbetrachtung entschieden.
Doppelter Aufwand, angepasste Methodik
Das gesamte Test-Prozedere ist im Artikel „So testen wir“ beschrieben. Um den besonderen Bedingungen bei 1&1 gerecht zu werden, gab es bei den Messungen von 1&1 jedoch gewisse Abweichungen. So waren für 1&1 zwei extra Drivetest-Wagen und zwei extra Walktest-Teams unterwegs. Die eingesetzten Smartphones waren natürlich auf das Roaming im Vodafone-Netz eingestellt, schließlich ist das die Variante, die 1&1-Kunden nun und in Zukunft offensteht.
Die für 1&1 eingesetzten Messteams fuhren und gingen die gleichen Routen und steuerten die gleichen POIs an wie die der etablierten Netzbetreiber. Nur ein geringer zeitlicher Versatz entkoppelte die 1&1-Messungen von denen von Vodafone, Telefónica/O2 und Telekom. Auf diese Weise war hundertprozentig sichergestellt, dass 1&1-Messungen beim National-Roaming nicht das Netz des Roaming-Partners Vodafone stören.
Beim Crowdsourcing filterte umlaut aus allen Messungen, die die Netzkennung von 1&1 trugen, diejenigen mit Telefónica als Roaming-Partner aus. Auf diese Weise war sichergestellt, dass etwa bei der Bewertung der Netzabdeckung nur das 1&1-Netz mit Vodafone-Roaming zu Buche schlug. Andernfalls hätten Telefónica und Vodafone bei 1&1 zu einer größeren Abdeckung führen können als die der beiden etablierten Netzbetreiber allein.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Bei der Abdeckung ist es eine interessante Frage, welchen Anteil native Zellen an der gesamten Versorgung der 1&1-Kunden haben. Hier zeigen die umlaut-Messungen einen nur niedrigen Anteil echter 1&1-Mobilfunkzellen in den gesamten Crowd-Daten dieses Betreibers. Beim Vergleich der Performance der 1&1-Basisstationen mit den Vodafone-Basisstationen im 1&1-Netz (National-Roaming) zeigen sich einige Tendenzen.
Bei den durchschnittlichen Downlink-Transferraten und bei der Latenz hatten die 1&1-Zellen die Nase vorn, während die Vodafone-Stationen beim durchschnittlichen Uplink-Speed schneller waren. Wobei dieser Vergleich nicht fair ist, da die 1&1-Standorte überwiegend in Gebieten guter Anbindung konzentriert sind, während das Roaming über Vodafone auch in schwer und sehr schwer zu versorgenden Gebieten herhalten muss.
Die Funkverbindungen, der Experte spricht vom Radio Access Network oder RAN, machen natürlich nicht allein die Qualität eines Mobilfunknetzes aus. 1&1 setzt bei der Vernetzung der Zellen auf ein sogenanntes Open- oder O-RAN, das dank offener Schnittstellen mit standardisierten Komponenten unterschiedlicher Hersteller arbeiten kann. Ob das ein Vor- oder ein Nachteil gegenüber proprietären Netzen von Ericsson, Nokia, Huawei oder anderen ist, wird erst die Zukunft zeigen.
Bei der Architektur des sogenannten Core-Netzes, das die Mobilfunkzellen verbindet, kommt eine dezentralisierte Infrastruktur zum Einsatz. Diese besteht aus vier Kern-Rechenzentren, die 24 Edge-Zentren vernetzen. Diese wiederum stehen mit – Stand Juni – 279 von 500 bisher geplanten Far-Edge-Rechenzentren in Verbindung. Diese wiederum versorgen die Antennenstandorte über Glasfaser. Die engmaschiger verknüpfte Struktur soll bei zahlreichen Anwendungen, etwa solchen, die in der Cloud laufen, zu kürzeren Latenzen führen.
Messwert-Analyse
Ein Vergleich der Messwerte zeigt, dass 1&1 im Bereich der Datenverbindungen fast schon gleichauf mit dem National-Roaming-Partner Vodafone ist. Nur bei den Walktests in den Großstädten kann Vodafone einen etwas größeren Vorteil für sich herausarbeiten, während auf Verbindungsstraßen und bei Bahnfahrten 1&1 kleinere Vorteile für sich verbuchen konnte, in Kleinstädten sind beide gleichauf.
Bei den Telefonie-Messungen dreht sich das Bild dann etwas. Besonders bei den Walktests in den Großstädten, aber auch auf den Verbindungsstraßen telefonierte man mit Vodafone spürbar stabiler als mit 1&1. Bei den Drivetests und bei der Bahn war das Kräfteverhältnis insgesamt ausgeglichener, mit teils leichten Vorteilen für Vodafone.
Bei der über Crowdsourcing bei den Kunden gemessenen Versorgungs-Güte zeigte erneut das Vodafone-Netz allein einen kleinen Vorteil gegenüber 1&1 mit den Roten als National-Roaming-Partner. Besonders beim Bereitstellen hoher und sehr hoher Geschwindigkeiten hatte Vodafone zum Teil deutlich die Nase vorn.
Interessant: Bei den Latenzen schneidet Vodafone, trotz der sehr dezentralisierten Struktur des 1&1-Kernnetzes, besser ab. Hier braucht 1&1 wohl einen deutlich größeren Ausbau seiner Mobilfunkstationen, um theoretische Vorteile einer dezentralisierten Infrastruktur auch ausspielen zu können.
Interessant ist bei einem neuen Netz natürlich auch die Stabilität. Die bewerten umlaut und connect in der separaten Metrik der Zuverlässigkeit. Die berücksichtigt nur die Kennwerte, die für eine durchgängige Versorgung von Kunden auf einem für die Alltagsnutzung hinreichenden Niveau relevant sind. In dieser Kategorie landet 1&1 hinter Vodafone, Telefónica/O2 und Telekom auf dem vierten Platz.
Der Abstand zu den etablierten Mitbewerbern blieb in der Periode von Drive-, Walk- und Crowd-Tests für einen Netzbetreiber im Aufbau aber erstaunlich gering. Wir können dem Betreiber aus Montabaur für diesen Zeitraum seine hohe Zuverlässigkeit attestieren.
Das ermöglicht natürlich keine Prognose, was passiert, wenn in naher Zukunft und dann in kurzer Zeit die im Moment laut 1&1 vorbereiteten zusätzlichen 4500 Standorte in Betrieb genommen werden. Die erste Bewährungsprobe ist aber bereits bestanden.
Fazit
Mit langjähriger Erfahrung aus dem Mobilfunkprovider-Geschäft und dem Mobilfunknetz-Vorstand Michael Martin, der sich zuvor als Director Radio, Transport (Transmission) & Network Operations bei Sunrise im hochklassigen Schweizer Telekommunikationsmarkt seine Sporen verdient hat, ist 1&1 als Netzbetreiber durchgestartet. Dabei setzen die Montabaur im Funknetz zurzeit noch zum weit überwiegenden Teil auf Vodafone als National-Roaming-Partner. Doch da, wo sie eigene Stationen haben, zeigen sie, dass sie es auch selbst können.
Nach der aktuellen Benchmark-Metrik berechnet, würde 1&1 bei über 910 Punkten landen. Das wäre für den Netzbetreiber Platz 4 hinter den etablierten Mitbewerbern. Die vergebene Verbalnote „sehr gut“ in unserer Sonderbetrachtung hat sich der Neueinsteiger verdient. Eine solche Bewertung setzt üblicherweise eine Gesamtpunktzahl von mehr als 850 Punkten voraus. Damit dürfen wir 1&1 gratulieren, der Einstieg ist auf hohem Niveau geglückt.
Hier die einzelnen Messwerte und Ergebnisse zum Download: