Lautsprecher
B&W CM 10 im Test
Die CM-Serie gibt es seit 2006. Sieben Jahre später bringt B&W endlich das Flaggschiff dieser Linie - in dem allerdings auffällig viel Technik von den großen Nautilus-Modellen eingebaut ist...

Normalerweise musste man bei den CM-Modellen immer genauer hinschauen: Ist das wirklich eine B&W? Ordentlich furnierte oder lackierte Gehäuse im schlicht-noblen rechteckigen Gehäuse gibt es auch von der Konkurrenz zuhauf. Einzig der bestens beleumundete, sickenlose Kevlar-Mitteltöner, der im wichtigen Bereich zwischen 350 bis 4000 Hertz für beste Auflösung sorgt, gab einen Hinweis auf die Herkunft.
Das passiert mit der neuen CM 10 garantiert nicht mehr. Der oben aufgesetzte Hochtöner im Torpedo-förmigen Metallgehäuse ist seit Langem ein einzigartiges Markenzeichen der Briten. Mit der exponierten Stellung des Hochtöners meinen die Briten, die üblichen Schallwand-Reflexionen vermeiden und so eine verbesserte Räumlichkeit erzeugen zu können.

Mehr als nur eine große CM 9
Aber sonst? Was kann eine CM 10 mehr als die fast gleich große CM 9 (2.500 Euro), dem bislang größten Schwestermodell? Zumindest einmal mehr Bass. Weil der Hochtöner auf das Top-Deck wanderte und die CM 10 insgesamt etwas tiefer baut, ergab sich der Platz für einen dritten 17-Zentimeter- Tieftöner. Dieser sorgt im neuen Flaggschiff für mehr Tiefgang, vor allem aber für einen deutlich höheren Maximalpegel. Das stereoplay-Messlabor ermittelte hier stattliche 110 unverzerrte Dezibel. Das ist für eine grazile Erscheinung wie die CM 10 gar nicht so übel.
Kaufberatung: Die besten Standboxen bis 1.500 Euro
Der zweite Punkt - und hier schlägt die CM 10 die Brücke zu den großen Nautilus-Modellen - ist die Befestigung des Mitteltöners im Gehäuse. Bei einer CM 9 geschieht dies über profane Schrauben, die zwangsweise die Vibrationen der Schallwand auf den Mitteltöner übertragen.

In der neuen CM 10 ist die Aufhängung nach Nautilus-Art gelöst: Der Mitteltöner liegt auf einem elastsichen Gellager auf der Schallwand auf und wird von einer Metallstange, die auf der Rückseite der Box arretiert ist, nach hinten gezogen. So haben die Schallwand-Vibrationen weniger Chancen, die für unser Ohr so wichtigen Mitten zu beeinträchtigen.
Ob daher das überragende Klirr-Verhalten oberhalb 500 Hertz rührt? Das Messlabor jedenfalls war begeistert: Solche Klirr-Armut (siehe Tabelle unten) gibt es von Lautsprechern dieser Größe nur selten zu bestaunen.

Die große Ruhe im Klang
Und auch zu hören: Mit ihrer Transparenz in den Mitten legt die CM 10 die Messlatte dieser Klasse fraglos um etliche Zentimeter höher. Die Stimme der Schauspielerin und Sängerin Krista Posch im eigentümlichen "Das Lied" kam frei von jeglicher Unschärfe und von Artefakten; Frau Posch stand exakt umrissen knapp einen Meter vor den Boxen.
Praxis: Lautsprecher richtig aufstellen und einwinkeln
Wenn man der neuen CM neben der großen Mitten- Präzision eine weitere Auszeichnung geben muss, dann diese: Die Abbildungsgröße und -genauigkeit sind atemberaubend. Nie kam der Eindruck auf, das Klangbild hinge an oder in den Schallwandlern. Womöglich eine Konsequenz aus der aufwendigen Positionierung der neuen Top-Kalotte?

Gemessen an der kleineren CM 9 und der (fast genau so guten CM 8) bringt die große Schwester ein stattliches Mehr an Bass mit. Hier darf man zwiegespalten sein: Einerseits sorgt gerade diese Mehr für die wohlige Fülle, für das sonore Moment in den Stimmen und bei den Gitarren und Streichern, auf der anderen Seite wirkt es manchmal ein bisschen zu satt.
Eine Aufstellung in der Nähe der Raumecken verbietet sich deshalb genauso wie die Kombination mit schwachen Verstärkern mit geringer Basskontrolle. Wir haben verschiedene Amps ausprobiert und mit dem Rotel RA 1570 sogar eine so geniale Kombination gefunden, dass wir ihr in der nächsten stereoplay nochmals eine größere Geschichte widmen werden.

Ein unfairer Vergleich?
Aber wo steht die CM 10 nun? CM 8 und CM 9 lässt sie hinter sich: Mehr Bass-Autorität, deutlich mehr Dynamik-Reserve und vor allem die freieren Mitten stellen sie standesgemäß weit über die kleinen Schwestern. Aber erreicht das CM-Flaggschiff tatsächlich - wie vom B&W-Vertrieb unterstellt - das Klangpotenzial der großen Nautilus-Schallwandler?
Ja, wenngleich nur in Teilbereichen. Die derzeit kleinste Nautilus-Standbox, die 804 Diamond (7.000 Euro) spielt sehr viel schlanker und in den Mitten nicht unbedingt offener und präziser. Aber der Diamant-Hochtöner der 804 ist immer noch eine (Auflösungs-)Klasse für sich und im hörrelevanten, für die Struktur und Präzision der Klangbilder so wichtigen Oberbassbereich spielt die Nautilus griffiger und "schneller". Allerdings ist der Vergleich ja auch unfair: Die 804 Diamond ist fast um das Doppelte teurer...

Auch das unterschiedliche Temperament fällt auf. Hier die überschäumend spielfreudige Diamond, immer bereit, das nächste Klangereignis aufs Genaueste herauszustellen. Dort die CM, die, obwohl ja so fein und offen im Mittelhochtonbereich, doch dezenter und entspannter daherkommt - was für das Langzeithören klassischer Musik klar von Vorteil ist. Aber auch für das Hören von Jazz und Pop: Man kann mit diesem Lautsprecher herrlich lange und genussvoll lauschen. Und genau so soll es sein.