Kompakt-Lautsprecher
B&W 805 D4 im Test
In puncto Auflösung spielt die Bowers & Wilkins 805 D4 praktisch in einer eigenen Liga. Was bei der „Regalbox“ aber fast noch mehr erstaunt, ist die Größe und Authorität ihrer Musikwiedergabe.

Es ist nicht übertrieben, wenn der Autor behauptet, er sei mit englischen Zweiwege-Boxen musikalisch sozialisiert worden. Im Elternhaus sorgte jahrelang eine Spendor 45/1 für den guten Ton, und als Student kaufte sich der Schreiber während seines Auslandsjahres in Schottland den kleinen, legendären Studiomonitor LS 3/5A von Rogers.
Was ihn bei beiden Speakern immer sehr ansprach, war, dass sämtliche Musik stets wie aus einem Guss klang. Und dann die räumliche Abbildung! Da konnten viele andere Konstruktionen einpacken. Wenn man sich aber nicht nur für Kammermusik interessierte, dann waren die Defizite dieser Konstruktionen allerdings auch nicht zu überhören, insbesondere bei der kleinen Rogers: Sie konnte keinen Pegel und Tiefbass, und in puncto Grobdynamik gab es ebenfalls deutliche Grenzen.
Als der Testredakteur dann das erste Mal die „Regalbox“ B&W 805 D4 hörte, konnte er nicht glauben, was er da vernahm – auch wenn er darum weiß, was seit einer LS 3/5A passiert ist. Einem US-Kollegen, der für das High-End-Magazin „The Absolute Sound“ schreibt, erging es allem Anschein nach genauso: Er verglich den Eindruck, den B&Ws teuerster Two-Way-Speaker auf ihn machte, mit dem Besuch einer Magic Show in Las Vegas – pure Zauberei, die einen an den eigenen Sinnen zweifeln lässt.
Anders als die großen Magier arbeitet Lautsprecherhersteller B&W aber weder mit Tricks noch mit clever inszenierten Illusionen. Die Company aus Southwater ging technisch zwar oft sehr eigene Wege, blieb letztendlich aber immer auf dem Boden klassischer Boxenbaukunst.
Doch diese hat B&W für seine 800er-Serie in vielen Bereichen extrem auf die Spitze getrieben, womit wir bei der hochaufwendigen Technik unseres 8.800 Euro teuren Probanden angelangt wären. Beschäftigt man sich näher mit diesem, dann wird klar, warum die 805 D4 kostet, was sie kostet und warum sie der Gattung „Ausnahmelautsprecher“ zugerechnet werden darf.

Feinschliff an vielen wichtigen Details
Vergleicht man die Neuausgabe mit dem Vorgängermodell 805 D3 (Heft 2/16 - hier Jahrgengs-CD 2016 bestellen), das noch 2.800 Euro weniger kostete (!), dann könnte man zunächst glatt denken, es drehe sich um ein und denselben Lautsprecher. Doch dem ist nicht so. Die Treiber wurden zwar übernommen, doch in stark verbesserter Form.
Es handelt sich dabei um B&Ws legendenumwobenen 25-Millimeter-Diamantkalotten-Tweeter sowie um einen 16,5-Zentimeter-Tief-/Mitteltöner mit sogenannter Continuum-Membran. Letztgenanntes Chassis stammt selbstredend ebenso aus eigener Fertigung. Um welches Material es sich bei dem silberfarbenen Continuum-Stoff genau handelt, bleibt aus patentrechtlichen Gründen allerdings auch Jahre nach dessen Einführung unbekannt.
Eine Sache steht aber fest: Beim Konustreiber in Form eines gewobenen Geflechts sind Polyaramid-Fasern mit im Spiel. B&W hat nach eigenen Angaben acht Jahre Entwicklungsarbeit in das hochdämpfende Wundermaterial gesteckt. Es soll in Sachen Zähigkeit bei Impulsanregungen, Zugfestigkeit und innerer Dämpfung Maßstäbe setzen.

Seit dem Jahr 2016 haben die englischen Ingenieure die beiden Treiber aber nach und nach verfeinert: Das nunmehr 30 Zentimeter lange Vollaluminium-Gehäuse des Hochtöners wird jetzt von einer überarbeiteten Zweipunkt-Befestigung noch besser von den Vibrationen, die der Tief-/Mitteltöner erzeugt, entkoppelt.
Obendrein wurde die Antriebseinheit des charakteristischen Tweeter-on-Top-Designs mit dem Ziel weiterentwickelt, die dynamischen Fähigkeiten am unteren Ende des Übertragungsbereiches zu verbessern.
Dieses liegt, nebenbei bemerkt, irgendwo um die 2 kHz. Genauer lässt sich das wegen der sehr flachen Filterung (1. Ordnung) der Weiche und des recht großen Überlappungsbereichs der Chassis nicht angeben.
Im Vergleich zum Hochtöner sind die Überarbeitungen am Continuum-Treiber subtiler: Sie konzentrieren sich auf eine optimierte Schwingspule und einen Schwingspulenträger aus Fiberglas. Wie beim Vorgängermodell findet der 16,5er-Konus Unterstützung in Form eines nach vorne mündenden Bassreflexkanals.

Massiv verbessertes Gehäuse
Zu den weiteren Neuerungen gehören eine weitere, nunmehr vierte Farbe (Satin Walnuss) sowie fundamentale Verbesserungen am Kabinett. Letztgenannte schlagen mit zusätzlichem Volumen und drei Kilogramm Mehrgewicht zu Buche. Der Grund: Die D4-Version der 805 verfügt erstmals über ein „Reverse Wrap“-Gehäuse, das bisher den größeren Modellen der 800er-Baureihe vorbehalten war.
Bei diesem bestehen Front- und Seitenteile aus einem einzigen geformten Stück Schichtholz, das innen mit Birkenholz verstrebt und an klanglich besonders relevanten Stellen mit Aluminium verstärkt wird. Eine Aluplatte sitzt nunmehr direkt hinter der Schallwand. Mit ihr ist der Tiefmitteltöner direkt verbunden.
Derselbe Werkstoff findet sich auch auf der Rückseite der 805 D4 sowie auf der Boxenoberseite. Dort wurden die Aluplatten zusätzlich mit edlem Connol-Derly-Leder überzogen. Insgesamt soll die neue Gehäusekonstruktion große Vorteile in Bezug auf Steifigkeit und Beugungseffekte mit sich bringen.
Wer ans Gehäuse der 805 D4 klopft, wird staunen – oder sich den Knöchel verletzen. Will heißen: Das neue Gehäuse der B&W macht einen überragend stabilen und extrem hochwertigen Eindruck.
Überwältigende Natürlichkeit
Direkt vor dem Hördurchlauf mit der B&W lauschte der Rezensent einem Lautsprecher, den er sehr schätzt, Cantons Vento 90 (hier unser Test). Der Dreiwege-Wandler ist selbstverständlich wesentlich günstiger als der englische Konkurrent, dafür aber ein Preis-Leistungs-Überflieger, der vor allem sehr geradlinig, detailreich und offen klingt.
Gegen B&Ws 805 D4 machte die geschätzte Canton allerdings keinen Stich, derart natürlich, sauber und authentisch wirkte der kleine Zweiwege-Kandidat. Zur Überraschung der versammelten Tester konnte dieser sogar in puncto Maximalpegel und Tiefgang erstaunlich gut mit dem deutlich volumenstärkeren Konkurrenten aus Deutschland mithalten.
Bleiben wir hier kurz bei dem Begriff „natürlich“. Selbstverständlich war der Autor bei keiner der Produktionen zugegen, denen er mit der B&W fasziniert lauschte. Dennoch hat man als Hörer ein untrügliches Gefühl dafür, wie etwa eine Violine oder ein Klavier klingen sollten. Und dieses Gefühl der stetigen „Richtigkeit“ verfestigte sich im Laufe des Hörtests mit der B&W sogar noch.

Mozarts Violinsonaten, gespielt von Arthur Grumiaux und Walter Klien, ertönten in einer frühen, aber noch immer toll klingenden Philips-Aufnahme geradezu unfassbar klar und unangestrengt. Man hatte als Zuhörer den Eindruck, ganz nah an der Aufnahme und dem Ort des musikalischen Entstehens dran zu sein. Insbesondere das dynamische Auf und Ab, das der Kammermusik ihre besondere Spannung verleiht, vermittelte die B&W auf überwältigendem Niveau.
Andere Lautsprecher wirken hier im Vergleich in puncto Binnendynamik geradezu nivellierend. Doch selbst größere Klassikbesetzungen, Operneinspielungen oder auch Popmusik ertönte beim B&W-Kandidaten nicht nur überragend weiträumig und losgelöst, sondern richtiggehend lebensgroß und bisweilen sogar auch mächtig, so etwa Maurizio Pollinis Klavierspiel bei Schumanns Symphonischen Etüden (DG). Und um all das zu erleben, musste man noch nicht einmal besonders laut Musik hören!
Fazit
B&Ws 805 D4 ist nicht nur der mit Abstand beeindruckendste „Regallautsprecher“, den der Berichterstatter bis dato hören durfte; der englische Zweiwege-Speaker ist in einigen Disziplinen schlicht und einfach einer der besten Schallwandler überhaupt. Natürlichkeit, Auflösungsvermögen und Durchhörbarkeit liegen auf einem Niveau, das man mit dem Prädikat „Weltklasse“ wohl am treffendsten bezeichnet. Da die 805 D4 extrem transparent und gar nicht schönfärbend klingt, sollten Käufer daher unbedingt auf eine optimale Kette und eine ebensolche Aufstellung achten. Wer sich bei genannten Punkten aber ordentlich Mühe gibt, der wird schon nach wenigen Takten Musik in den eigenen vier Wänden nur noch eines denken können: „Welcome To The Magic, mein Lieber.“