Standlautsprecher
B&W 702 S2 im Test
In der 700er-Serie überträgt B&W Nautilus-Technologie auf bezahlbare Lautsprecher. Wie schneidet der Standlautsprecher B&W 702 S2 mit Carbon-Hochtöner und Continuum-Mitteltöner im Test ab?

Technologische Neuerungen erst in Prototypen oder schwer erreichbaren Luxus-Produkten einzuführen und dann Schritt für Schritt in bezahlbare Produkte zu integrieren, ist nicht nur in der High-End-Branche ein Schlüssel zum Erfolg. Und da die englischen Lautsprecherspezialisten von B&W diese Strategie perfektioniert haben, wartete die Szene auch nur auf den Zeitpunkt, wann die zahlreichen technologischen Revolutionen der 800-D3-Serie in erschwinglicher Form erhältlich sein werden.
Der Zeitpunkt ist jetzt. Mit der 700-S2-Serie kommen die Continuum-Töner und Sandwich-Bässe in bezahlbare Regionen, und nicht ohne Zufall ähnelt das Spitzenmodell der bisher kleinsten 804 D3.
Das macht der Hochton
Dieser Technologietransfer zu weniger als dem halben Verkaufspreis war gewiss eine Herausforderung. Das große, und völlig autark arbeitende Entwicklerteam von B&W musste insbesondere den Meriten der Diamant-Technologie mit einem konventionellen AluHochtöner nahekommen.

Es landete bei der Produktionstechnik, mit der auch die sündhaft teuren ultraharten Kalotten der D3-Serie produziert werden. Verfahrenstechniker sprechen dabei vom Gasabscheidungsverfahren, bei dem unter Einwirkung extremer Temperaturen und Drücke Kohlefaseratome auf einem Trägermaterial abgeschieden werden und sich zu einem Diamantgitter formen.
Genau dies findet auch beim Carbon-Hochtöner der neuen 700-S2-Serie statt – mit dem Unterschied, dass das Trägermaterial Aluminium verbleibt und nur mit einer hauchdünnen härtenden Schicht versehen wird. Diese Schicht wird aufgrund ihrer geringen Dicke nicht explizit Diamant genannt, gibt dem Aluminium aber ähnliche Eigenschaften wie Härte gegen Verformungen und eine starke Bedämpfung der Materialresonanz.

Ein drittes Element, ein 0,3 mm starker Kohlefaserring, versteift die Membran zusätzlich von hinten bzw. außen, insgesamt verschiebt sich die Resonanzfrequenz auf 47 kHz, was nach gängiger Forschung selbst mit Interferenzen und Überlagerungen nicht in den hörbaren Bereich zurückwirken kann.
Um diesen Aufwand auch klanglich bis zum Hörer wirken zu lassen, bekam die 25-mm-Kalotte eine Behausung vom Feinsten spendiert: einen massiv gegossenen Aluminiumkörper mit über einem Kilogramm Masse mit innen liegendem, sich verjüngendem Volumen in der mittlerweile schon 20 Jahre erprobten Nautilus-Technologie. Das Ganze thront durch Spezial-Moosgummi federnd gelagert und bestens entkoppelt frei auf der Box, was nebenbei Kantenreflexionen vermeidet und der Kalotte ein freies Rundstrahlen ermöglicht.

Weiter unten noch feiner
Um sich keinen Bruch in Zeit- und Abstrahlverhalten einzuhandeln, sind sowohl die Kalotte als auch der 15 cm durchmessende „FST“-Mitteltöner mit Filtern 1. Ordnung bei hohen 4000 Hz getrennt und spielen dabei in einem weiten Bereich miteinander. Dessen Konstruktion ist technologisch am dichtesten an der Flaggschiff-Serie dran: Durch eine Befestigung per mittiger Feder-Gewindestange am Alu-Druckgusskorb ist der ganze Mitteltöner vom Gehäuse entkoppelt.
Die verwobene Membran aus einer besonders weichen und innerlich dämpfenden Aramidfaser namens „Continuum“ stammt aus der 800 D3 und sorgt im weiten Übertragungsbereich für ein zu hohen Frequenzen hin sanft einsetzendes Biegewellenverhalten. Im Gegensatz zum Kevlar, das in früheren und preiswerteren B&W-Modellen eingesetzt wurde, dämpft Continuum in Verbindung mit der sickenlos auf Schaumstoff aufliegenden Außenbefestigung und einem äußeren Massedämpfungsring die Partialschwingungen auf ihrem Weg zum Membran-Äußeren deutlich ab, ohne dass sie im Rand reflektiert werden können. Das reduziert das von klassischen Biegewellenwandlern bekannte gegenphasige Abstrahlen ebenso wie den von harten, großen Mitteltönern bekannten abrupt einschnürenden Abstrahlwinkel.
Ein Phaseplug aus Spezial-Schaumstoff, das in etwas abgewandelter Form auch bei den drei Tieftönern zum Einsatz kommt, bedämpft die Mitteltonmembran auch innen. Deren Aufbau mit sehr tief bauender Schwingspuleneinheit und Sandwich-Membran ist ebenfalls der Top-Serie entlehnt, aber mit Pappe und einem geschäumten Polystyrol dazwischen. Ihre effektive Membranfläche ist trotz des größeren Korbes etwas geringer als die des Mitteltöners. Dafür können sie umso mehr Hub und im Dreierpack auch richtig Luft bewegen.

Jederzeit entspannt
Beeindruckend groß und kraftvoll massig legte die 702 S2 denn auch mit Stanley Clarkes „Justice Grooves“ los. Dem Oberbass durfte man dabei eine leichte Dominanz nachsagen, die sich aber aufgrund ihrer Impulsgenauigkeit hervorragend ins rundum entspannte Klangbild integrierte und nach einigen Experimenten mit dem richtigen Wandabstand (80 cm am Ende) auch nivellierte. Dabei gelang der Neuen das Kunststück, herausragend entspannt und homogen zu spielen, ohne dunkel oder fad zu wirken.
Entspannung und Größe
Zugegeben, den spritzigen Glanz und die ultragenaue Auflösung einer 804 D3 erreichte ihr Hochtöner nicht ganz. Susanna Yoko Henkel ging Tschaikowskys Violinkonzert (Acousence) denn auch eine Spur gereifter, ruhiger, ja bedächtiger an. Dynamischer Krawall oder Effekthascherei sind beider Sache nicht. Wer nicht gerade mit einem Studiomonitor nach feinsten Details forschen will, kann das aber auch als Vorteil empfinden, denn weder beim Timing noch in den wunderschön schattierten Klangfarben ergaben sich bei der herausragend plastischen Darstellung irgendwelche Nachteile.
Im Gegenteil: Älteren und den Ohren weniger schmeichelnden Pop-Aufnahmen wie Peter Gabriels „So“ diente die B&W eine Portion Wärme und Sanftheit an, ohne den eigentlichen Charakter oder die Qualitäten zu verschleiern. So hörten sich die Tester Stunde um Stunde durch die Tiefen des redaktionsinternen Archivs und entdeckten nicht eine einzige Aufnahme, die der 702 S2 nicht zum Genussmittel gereichte. Für weniger als die Hälfte erreicht man zwar nicht die ultimative Auflösung der 804 D3, aber sonst praktisch alle im Alltag wichtigen Qualitäten nebst einem sensationellen Langzeit- und Entspannungsfaktor.

Die ganze Familie 700: neu!
Technologisch nimmt die neue Serie mit Carbon-Hochtöner, Continuum-Mitteltöner und Aerofoil-Bässen stärkere Anleihen an die 800-D3-Reihe, weshalb auch die Nomenklatura, beginnend bei 702 S2, sie als kleine Schwester der Flaggschiff-Serie ausweist. Gehäusegrößen und die Klassifizierung der Modelle nehmen dagegen auf die CM-S2-Serie Bezug, was auch die Modellvielfalt mit drei Stand- und drei Kompaktmodellen mit teilweise ähnlichen Gehäusemaßen erklärt.
Denn neben dem Primus inter Pares 702 S2 gibt es noch eine große Standbox 703 S2 mit plan eingebautem Hochtöner statt des freistehenden für 3000 Euro Paarpreis, die schmalere 704 S2 für 2400 Euro bietet auch volle Drei-Wege-Technik bei kleineren Chassis-Durchmessern. Bei den Kompaktboxen beerben die Modelle 705 S2 und 706 S2 (2200 und 1400 Euro) die bekannten CM6 und CM5, während die 707 S2 mit 1000 Euro den Reigen schließt.