Standlautsprecher
Dali Oberon 9 im Test
Gewichtig, groß und mit ordentlich Membranfläche will die Dali Oberon 9 für 1800 Euro pro Paar klanglich überzeugen. Zeigt der Aufwand im Test Wirkung?

Der Sinn der beiden Bassreflex-Ports erschließt sich schon vor dem ersten Hören. Die untere ist hilfreich, um die Dali Oberon 9 zum Manövrieren auf das Transportwägelchen zu hieven und am Aufstellungsort im Hörraum wieder herunter zu wuchten. Denn ohne diese Hilfe könnten die über 35 Kilogramm Gewicht dieses stattlichen Lautsprechers schnell zu einem Bandscheibenvorfall führen, wenn man die Aufstellung alleine vornimmt. Die obere Bassreflexöffnung wiederum bewährt sich bei der Feinjustage der Position, doch dazu später mehr.
Zunächst der Hinweis, dass auch dem erfahrenen Tester ein Lautsprecher, der 36,4 Kilo pro Stück ohne Frontbespannung wiegt und dabei zum Paarpreis von 1800 Euro verkauft wird, nur äußerst selten unterkommt. Wobei Gewicht alleine natürlich noch kein Qualitätsmerkmal ist. Dass hier ein guter Teil desselben durch die Verwendung von MDF (Medium-density Fibreboard) für den Gehäusebau verwendet wird, schon eher.
Der gut zu verarbeitende und nicht zu stark ausgeprägten Resonanzen neigende Holzwerkstoff gilt vielen Lautsprecherentwicklern auch in teureren Preisklassen als erste Wahl. Im Falle unserer Test-Dali ist der Korpus in einem sauber ausgeführten dunklen Walnuss foliert, Maserungsstruktur inklusive. Alternativ steht Esche schwarz zur Wahl, die Front ist im neutralen Schwarz gehalten.

Die Verarbeitung entspricht im positiven Sinne auf jeden Fall dem Standard, der sich in dieser Preisklasse erwarten lässt, rechnet man den filigranen Aluminiumrahmen mit ein, über den die Oberon 9 über Spikes oder Gummifüße Kontakt zum Boden aufnimmt, übertrifft er ihn sogar. Wobei der beeindruckendste Aspekt des Top-Modells aus der preiswertesten Dali-Serie die Größe ist. Knapp 1,20 Meter ist das Gehäuse hoch. Die Front misst 26 Zentimeter bei 39 Zentimetern Tiefe.
Der Sockel, der für sicheren Stand sorgt, gibt noch etliche Zentimeter drauf. Dem Verzwergungswahn, der es zugegebenermaßen in vielen Fällen erst ermöglicht, Musikgenuss auf hohem Niveau mit partnertauglicher Wohnästhetik zu verbinden, huldigt die Dali nicht. Und sie nutzt ihre Größe, um mit großer Membranfläche zu klotzen. Zwei Tieftöner mit nominell 230 Millimetern Durchmesser kümmern sich um die Wiedergabe tiefster Frequenzen. Und die sind nicht nur groß, sie können was.
Denn um bei tiefen Frequenzen Schalldruck zu erzeugen, reicht die Membranfläche allein nicht aus, die Chassis müssen auch einen großen linearen Hub mitbringen. Das soll bei der Dali durch das aus einem weichmagnetischen Verbundwerkstoff gefertigten Polstück, dem runden Zylinder innerhalb der Schwingspule, gelingen, die natürlich auch gehörigen Überhang braucht. Das verlagseigene Messlabor Test-Lab jedenfalls bestätigte der Oberon 9 starke 108 dB SPL Maximalschalldruck. Der Klirr begann bei unseren Messungen erst bei sehr hohen Pegeln und sehr tiefen Frequenzen merklich zu steigen.
Mitten ohne Limits
Noch mehr Reserven verspricht der Mitteltöner mit gleicher Soft-Magnetic-Compound-Technik. Er könnte mit seinen nominell 175 Millimetern auch in Lautsprechern jenseits der 900 Euro pro Stück als Tieftöner dienen, in der Dali muss er erst bei knapp 800 Hz die Arbeit übernehmen. Das ist selbst für Drei-Wege-Lautsprecher mit deutlich kleinerem Mitteltöner eine ungewöhnlich hohe Trennfrequenz und verspricht ihm ein anstrengungsfreies Leben.

Von den Tieftönern aber erfordert es erhöhte Partialschwingungsfreiheit, auch bei höheren Frequenzen sollten einzelne Teile nicht durch Membranresonanzen gegeneinander schwingen. Dali setzt hier, wie beim Mitteltöner, auf mit Holzfasern angereichertes Papier, also einen Werkstoff, der einen sehr ausgeglichenen Kompromiss zwischen Steifigkeit und innerer Dämpfung bietet.
Die damit verbundene Dämpfung der Eigenschwingungen der Membran sind auch beim Mitteltöner wichtig, denn der Übergang zum 28-Millimeter-Gewebekalotten-Hochtöner erfolgt erst bei vergleichsweise hohen 3,4 Kilohertz. Das ist höher, als bei anderen Vertretern der Oberon-Serie, vermutlich damit der Hochtöner mit den hohen Pegelreserven seiner Mitstreiter aus dem Bass und Mitteltonbereich mitgehen kann.
Geht das Konzept auf?
Der Hörtest jedenfalls begann epochal. Von Annette Peacock landete „Solar Systems“ von „My Mama Never Tought me...“ im Schacht des CD-Players, der Lautstärkeregler des Luxman L-509X war von einem vorherigen Hörtest mit wohl deutlich wirkungsgradschwächeren Lautsprechern etwas weit aufgedreht. Den anwesenden Testern bleibt der Schreck wohl noch eine Weile in den Gliedern, vom ohrenbetäubenden Trommelschlag, mit dem das Stück sonst ganz harmlos eröffnet.
Das Schlagzeug stand übergroß, nach Lautstärkeanpassung normalgroß aber nicht kleiner im Raum. Die Becken und Hi-Hats bildeten ein Klangspektrum ab, das so selten auf einer Aufnahme zu finden ist, und zeigten was auch bei 44-kHz/16-Bit-Aufnahmen möglich ist. Die Dali zeigt sich dem gewachsen, einzig die klangfarbenstarke Stimme von Annette Peacock geriet eine Spur nüchterner, als wir sie von sehr guten Lautsprechern kennen.

Zur Etablierung einer überzeugenden räumlichen Abbildung musste mehr als üblich mit dem Anwinkeln des Lautsprechers auf den Hörplatz experimentiert werden, ein typisches Phänomen bei breiten Lautsprechern ohne großzügig abgerundete oder angeschrägte Gehäusekanten. Ein Wandabstand ab 50 Zentimetern und gerne mehr sollte dem Lautsprecher auch gegönnt werden. Der Atem im Bass und die dynamischen Fähigkeiten machten jedenfalls Lust auf auf eine ganz andere Art von Musik.
Bei „Oh Yeah“ von Yello wurde spürbar Luft im Hörraum in Bewegung gesetzt, die Stimmung schwang vom Genuss- auf den Party-Modus um. So mühelos wie die Dali Oberon 9 stellen andere Lautsprecher dieser Preisklasse nicht die tiefen Synthi-Bässe von Boris Blank in den Raum, so dynamisch und hautnah ist die Stimme von Dieter Meier selten zu hören. Yello und die Oberon 9 sind eine göttliche Kombination, die einen biederen Hörraum akustisch in einen Club verwandeln kann. Doch auch mit intimeren Tönen wusste die Dali Oberon 9 umzugehen, etwa mit „Losing my Religion“ von R.E.M.
Das Zusammenspiel von akustischer Gitarre und Mandoline zeigt hier auf leise Art die Lust der Oberon 9 an dynamisch-präziser Wiedergabe, der der große Lautsprecher auch bei Michael Stipes Stimme etwas des typischen Schmelz zugunsten größerer Direktheit opfert. Schlagzeug und E-Bass spielten selten so auf den Punkt.
Fazit
Zugunsten des letzten Wortes in Sachen Neutralität optimiert Dali bei der Oberon 9 das dynamische Leistungsvermögen und die Fähigkeit im Bass richtig Luft zu bewegen und schafft so einen Lautsprecher mit enormem Live-Charakter.