Bang & Olufsen Beolab 90 im Test
90 Jahre Bang & Olufsen! Zu ihrem Jubiläum haben die Dänen die Beolab 90 entworfen: Eine aktive Standbox, die im Test so spektakulär klingt, wie sie aussieht.

Was sind denn das für Raumschiffe? Diese Frage stellte sich uns beim Anblick der Beoloab 90 im Propekt. Ein irres Design! Fotos können die Form der dänischen Standbox jedoch nur unzureichend wiedergeben, das Auge weiß oft gar nicht, wo es sich festhalten soll und springt wild umher. Erst wenn ma...
Was sind denn das für Raumschiffe? Diese Frage stellte sich uns beim Anblick der Beoloab 90 im Propekt. Ein irres Design! Fotos können die Form der dänischen Standbox jedoch nur unzureichend wiedergeben, das Auge weiß oft gar nicht, wo es sich festhalten soll und springt wild umher. Erst wenn man den Lautsprecher in natura vor sich hat, werden die geometrisch exakt angeordneten Elemente klar und man versteht: Hier kommt ein raffiniert durchdachtes Lautsprechersystem, eine enorm ausgeklügelte Art der Chassis-Verteilung und -Anordnung.
Alles anders
Bang & Olufsen hat diesmal alles anders gemacht. Bislang entwickelte der dänische Hersteller seine Lautsprecher nach dem Prinzip: Erst legen wir die Optik fest, danach müssen die Ingenieure zusehen, wie sie die Technik in das Design integrieren. Bei der Beolab 90 hingegen legten die dänischen Ingenieure zuallererst fest, wie das finale Produkt klingen und was es alles können sollte. Wie viele Lautsprecher? In welcher Anordnung?
Von Anfang an war eines klar: Das Ding wird ein Aktivlautsprecher. Doch welche und wie viele Endstufen sollten die Chassis antreiben? Wie würde das letztlich alles zusammenwirken? All das wurde in Dänemark in einem langwierigen Prozess ausgearbeitet. Prototypen wurden gebaut, im speziellen Hörraum vermessen und gehört, Konzepte wurden verworfen, angepasst, erneuert, verbessert und verfeinert, bis die finale Technologie endlich feststand.

Jetzt erst kamen die Designer zum Zuge: Wie könnte die Box unter Vorgabe der Technik aussehen? Nach diversen verworfenen Designstudien entschied man sich schließlich für die Form, die die Beoloab 90 heute zeigt.
Bei der gesamten Entwicklung waren Materialspezialisten an Bord, und schon früh stand fest: Aluminium, Kunststoff und Holz sind die Werkstoffe der Wahl. Aluminium wird vorwiegend im Inneren der Box eingesetzt, es gibt ihr Struktur und Halt. Allein das Innenchassis, das die vier Tieftöner aufnimmt, wiegt 60 Kilogramm und ist in einem Stück aus Aluminium gegossen. Bang & Olufsen hat dazu eine Spezialfirma engagiert, die sich mit Aluminium-Druckguss auskennt. Dieser Hersteller fertigt normalerweise Motorblöcke für Autos.
Für die Farbgebung der Aluminium-Applikationen verwendet Bang & Olufsen ein einzigartiges Eloxierverfahren. Normalerweise muss man Aluminium-Werkstücke komplett in den Eloxiertank eintauchen, um die Farbe auf das Material zu übertragen. Bei den Abmessungen der Alu-Kronen wären dazu riesige Tanks notwendig, die man stets neu befüllen müsste, wollte man mal die Farbe wechseln. Eine Verschwendung von Chemikalien und eine riesige Umweltbelastung wären die Folge. Bang & Olufsen hat stattdessen ein Eloxierverfahren entwickelt, mit dem sich die Farben aufsprühen lassen. So sind spezielle Farbnuancen im Kundenauftrag machbar.
Auch die Stoffbespannung wurde extra entwickelt. Der Stoff soll möglichst wenig von der Schallenergie der Treiber schlucken, aber dennoch weitgehend blickdicht sein. Wer doch lieber auf die Membranen schauen möchte: Sämtliche Stoffbespannungen und sogar die Holzpanele im Sockel lassen sich mit wenigen Handgriffen entfernen.

Rundumstrahler
Die meisten konventionellen Boxen strahlen nur in eine Richtung ab, nämlich nach vorn. Das ist auch gut so, führt aber dazu, dass der beste Klang nur in einem relativ kleinen Raum direkt vor den Boxen erreicht wird, im sogenannten Sweet Spot. Das ist nicht ideal, wenn man mit mehreren Personen hören will oder sich an einem anderen Platz im Zimmer befindet, zum Beispiel in der Essecke. Die Beolab 90 dagegen strahlt rundherum ab. Per DSP und Messmikrofon kann man die Box genau auf den Raum einmessen und per Smartphone- App für verschiedene Hörsituationen und -positionen umschalten.
Sieben Hochtöner, sieben Mitteltöner und vier Basschassis erzeugen dafür gerichtete Schallwellen und löschen unerwünschte Reflexionen, besonders von den Rückwänden des Raumes. Die Boxen schicken den Schall also genau dorthin, wo er gebraucht wird.
Wir wollten wissen, ob das auch klappt. Zunächst nahmen wir die Raum- Kompensation vor, wozu man das beilegende Messmikrofon an zwei verschiedenen Positionen im Sweet-Spot platziert und die Messoftware laufen lässt. Die gesamte Prozedur dauert etwa 20 Minuten; danach kann man zwischen zwei Modi hin- und her schalten. Der Narrow-Modus erzeugt ein Klangbild wie bei einer herkömmlichen Box, also für eine Einzelperson, die im Sweet Spot sitzt. Im Wide-Modus erweitert sich das Klangbild deutlich, sodass Personen rechts und links vom Sweet Spot ein auswogenes Stereobild bekommen. Das funktionierte im Test erstaunlich gut. Der Clou aber ist, dass man mehrere dieser Hörpositionen im Raum einmessen kann, in einem L-förmigen Raum etwa auch hinter einer Ecke.

Unglaubliche Präzision
Diese Box klingt wirklich anders als andere. Im Test spürten wir gleich ihre schiere Kraft von 8200 Watt pro Kanal. Der Tiefgang war unglaublich! Wenn wir die Beolab 90 aufdrehten, schoben sie derart von unten an, dass wir unwillkürlich an ein Erdbeben dachten. Sie verhielten sich wie ein Wildpferd: Lockerte man die Zügel nur ein wenig, gab’s kein Halten mehr. Und das machte richtig Spaß. Die tonale Abstimmung kann nach der Einmessung je nach Raum unterschiedlich ausfallen. Bei uns war sie leicht bass- und höhenbetont, daher mochte die Box im Hörtest Pop und Rock gerne, aber auch klassische und akustische Musik gab sie fein differenziert und mit unglaublicher Präzision und Schnelligkeit wieder. Ein Traum!
Fazit
Ein Wort: Suchtfaktor! Wer diese Box – richtig eingemessen und auf die Raumsituation angepasst – einmal hört, der will mehr davon. Viel mehr! Mir ist es sehr schwer gefallen, den Hörraum wieder zu verlassen, so viel gab es mit der Beolab 90 zu entdecken. Vor allem, wenn es um die Grenzbereiche in puncto Tiefbass oder Höhendynamik ging. Ich durfte meine Lieblingssongs teils komplett neu entdecken. Wäre da nur nicht dieses Preisschild...