Standboxen

Canton Vento 100 im Test

6.10.2022 von Andreas Günther

Gefährlich: Ein Klick – und ich lade die Vento 100 in meinen virtuellen Einkaufswagen. Ein Fehlkauf ist ausgeschlossen. Die größte Standbox der Canton-Serie trifft ins Herz und auf die Lungen. Ein sagenhafter Punch. Wir haben ihn getestet.

ca. 5:35 Min
Testbericht
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Canton Vento 100 im Test
Canton Vento 100 im Test
© Canton / Montage: audio

Pro

  • Trocken und treu, dazu mit Punch und Spielfreude

Contra

Fazit

AUDIO-Klang-Urteil: 99 Punkte; Preis/Leistung: überragend;

Billy Wilder hat einen wunderbaren Film gedreht: „Some Like It Hot“. Manche mögen es heiß. Ich widerspreche: Ich liebe es groß, very big. Genau jetzt tritt die Vento 100 vor meine Hörbühne. Das ist das Maximum, was die Vento-Serie hergibt. 40 Kilogramm per Lautsprecher und eine Höhe von 124 Zentimetern. Da versinkt man in Ehrfurcht auf dem Hörsofa.

Die neue Zeitrechnung mit Mehrwertsteuer und Trallala sagt uns, dass 2349 Euro pro Stück fällig werden. Macht 4698 Euro für das Paar. Das erschreckt uns nicht. Da steht unter dem Strich eine eher kompakte, noch erschwingliche Summe. Das wirkt auf uns sehr fair in der Preisgestaltung.

Aber wir lauschen auch dem Absoluten. Das ist ein überaus klassischer Dreiwegler. In der Tiefe pulsieren zwei große 20-Zentimeter-Membranen aus Titanium-Graphit, mit der hauseigenen Wave-Sicke. Die mit 17,4-Zentimetern auch den Mitteltöner on top umfasst. Im Finale gelangen die Hochton-Impulse an eine Keramik-Membran mit 25 Millimetern. Alle Chassis stammen aus der Fertigung von Canton, nichts wird zugekauft, man ist strikt im eigenen Katalog unterwegs.

Der versprochene Frequenzgang in gewaltig. Wir kommen knapp unter 20 Hertz daher und jubilieren in der Höhe mit über 40 Kilohertz. Das ist ein stolzes Versprechen, wir sind beeindruckt. Zudem lockt uns Canton mit einer schlauen Option: Wir können diesen Lautsprecher online bestellen und 30 Tage ausprobieren. Gefällt er nicht, geht er ohne finanzielle Schmerzen zurück.

Dann noch die Kirsche obendrauf: Gefällt er und wir sind klamm bei Kasse, dann können wir die hauseigene Finanzierung bei Canton beantragen, mit einer monatlichen Rate ab 50 Euro. Das ist doch wirklich ein Lockruf, dem man leicht erliegen kann.

Schauen wir uns dieses Kunstwerk doch einmal genauer an. Die Konstruktion wirkt wuchtig, aber edel. Wir haben ein Testmodell in Hochglanz vor Augen. Das sieht toll aus. Perfektes Finish und umfassende Verstrebungen für die ultimative Ruhe im Gehäuse. Zwei Lautsprecher-Kabel genügen für ein Bi-Wiring-Terminal.

Genau jetzt kommt die Konstruktion ins individuell-audiophile Spiel. So hat Chefentwickler Frank Göbl die Vento 100 höhergelegt. Es gibt einen Sockel für die nach unten pulsierende Bassreflex-Öffnung. Clever und elegant. Wer mehr will, kann auch ein großes Surround-Bild entwerfen, mit Zweiweglern im Rücken und einem Sub an der Front. Das alles bietet Canton in seiner Vento-Serie an.

Canton Vento 100 im Test: Canton Vento Serie
DIE FAMILIENBANDE: In der großen Vento-Serie können wir auch auf Multikanal inklusive Rear und Subwoofer aufstocken.
© Canton

Egal. Interessiert uns nicht. Wir sind rein stereophon unterwegs. Hier der erste Tipp. Die Vento 100 liebt den Schub. Sie ist schnell und höchst effektiv auf den Hörplatz fixiert. Da braucht es den passenden Motor. Ein kleiner Röhren-Amp in Push-Pull und 25 Watt ist nett, driftet aber an den Möglichkeiten vorbei. Besser: mächtige, doppelte 125 Watt aus einem Transistor-Verstärker. Doch nicht nur die Watt-Zahl entscheidet – vor allem schnell muss das vorgeschaltete Kraftwerk sein.

Druckvoll und elegant

Die Vento 100 liebt genau diesen Schub an den Klemmen. Daraus entwickelt sich ein erstaunlich stabiles Klangbild mit mächtigem Druck an den Trommelfellen. Dann entsteht ein toller Mix – dieser Lautsprecher kann ebenso grausam-brachial wie feinsinnig-elegant sein. Das ist schlicht ein Wunderwerk der verschiedenen Geschmacksrichtungen. Also ein Mann ohne Eigenschaften? Nein, das wäre eine falsche Schlussfolgerung. Hier wird vereint, was Qualität schafft – höchste Sensibilität trifft auf knuffige Spielfreude.

Während ich dies schreibe, haben gerade die Festspiele zu Bayreuth begonnen. Mit „Tristan Und Isolde“. Das ist über weite Strecken eine Säusel-Musik. Aber wenn die beiden Helden ihre Kraft aus den Lungen pumpen, dann muss auch der Lautsprecher auf Attacke fahren. Toll wie das der Vento 100 gelingt. Wir schweben, wir atmen kurz, und plötzlich werden wir von heftiger Dynamik erfasst.

Da fliegen viele Lautsprecher unter dem Radar, doch die große Canton zeigt alle Realität. Klangtipp: Tristan und Isolde als legendärer Live-Mitschnitt aus dem Bayreuther Festspielhaus mit Karl Böhm am Pult, aufgenommen 1966 (Deutsche Grammophon), auch in HiRes ladbar. Großartig auch, wie die Vento 100 den legendären Opernraum in seinen Dimensionen erfasst.

Canton Vento 100 im Test - Bi-Wiring
GERADE UND SCHÖN: Hinein geht es auf Wunsch auch per Bi-Wiring. Der Sockel ist leicht gelüftet, hier wird die Bassreflex-Energie nach unten geströmt.
© Canton

Raue Akkorde

Schnitt. Wir schwenken um zu Rock, Pop und zwei Superstars. Ganz frisch ist das Album „18“ erschienen. Jeff Beck, der Altmeister, greift in die Gitarrensaiten. Plötzlich taucht an seiner Seite Johnny Depp auf – ist er hier Schauspieler oder mehr Musiker? Klares Votum von meiner Seite: Das ist ein klasse Album. Depp hat Charme, raue Akkorde und eine tolle, tragende Stimme.

Wenn Beck elegant tönt, dann zückt Depp die tiefen Akkorde und die poetischen Momente. Toll, wie das an der Canton in Form gegossen wird. Eine Wand des Klangs steht vor mir. Das drückt regelrecht auf die Lunge. Es braust, es atmet – uns bleibt keine Alternative, wir müssen im Rhythmus mitatmen. Das geht ganz tief ins Zwerchfell hinein.

Gibt es ein Pendant in der Klassik? Aber sicher doch. Die symphonischen Dichtungen von Richard Strauss. In der Alpensinfonie beispielsweise lädt er zur großen Bergbesteigung ein. Ganz frisch ist der Zyklus aller Dichtungen bei der Deutschen Grammophon in HiRes erschienen. Andris Nelsons dirigiert im Doppelpack seine zwei Orchester, in Boston wie in Leipzig. Egal wo – beides ist brillant.

Ganz steil geht es hinauf bis zum Gipfel – und zugleich zum mächtigsten Höhepunkt der Dynamik. Unser Tipp: Am besten klingt die Ekstase per HiRes-Streaming. Den Volume-Regler unbedingt auf Ultimo drehen. Dann tief einatmen und genießen. Vor uns steht das schönste Panorama, dass die Tontechnik zu platzieren versteht. Kein leichter Champagner, aber edle Präzision. Zum Hineingreifen schön. Canton markiert hier mit der Vento 100 einen Superlautsprecher.

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Standlautsprecher

Canton Vento 90 im Test

Mit vorbildlichen Messwerten und einer im besten Sinne neutralen Wiedergabe beweist die Canton Vento 90 im Test audiophile Ambitionen.

Können wir uns mehr vorstellen? Schwer möglich. Alles passt harmonisch zusammen. Das ist ein Fest schwingender Membranen, angetrieben von sinniger Elektronik. Der österreichische Philosoph und Autor Paul Watzlawick warnte vor dem Ankommen, aber hätte ich dieses Setup in meinem privaten Hörraum stehen, wäre ich angekommen. Aber wenn leibhaftig ein Wunderwerk entsteht?

Ungebrochen kann hier nur ein Live-Event mithalten. Doch dann der Zaubergriff. Wie zu der Canton Vento 100. Hier verändern sich Spielregeln. Hier wird aus simplen Frequenzen plötzlich ein großformatiges Fest. Alles stimmt in diesem Panorama. Wir surfen, wir schwimmen – wir freuen uns an der perfekten Welle. Da trifft Spaß auf fast schon subversive Energie.

Messlabor

Drei-Wege-Standlautsprecher mit 90 ℓ Bruttovolumen und Übergangsfrequenzen bei 170 und 3200 Hz. Auf-Achse (rot) leichte Betonung der Bässe und Höhen (+3/ +1 dB), geringe Welligkeit (±2 dB zwischen 0,1 und 8 kHz). Bass recht tief reichend mit steil verlaufender Flanke unterhalb der Peak-Frequenz des Downfire-Reflexports (46 Hz). Als Grenzfrequenzen ergeben sich 36/33 Hz (-3/ -6 dB). Die 10-Grad oberhalb und 30-Grad seitlich-Frequenzgänge sehen recht ähnlich aus, was für eine homogene Schallabstrahlung spricht.

Canton Vento 100 im Test: Messlabor
Canton Vento 100 im Messlabor: links Frequenzgang und rechts Pegel- & Klirrverlauf
© audio

Rechts, beispielhafter Frequenzgang im Raum mit Klirrkurven (unten): Bis 90 dBSPL quasi klirrfrei, bei höheren Pegeln neigen vor allem die Bässe und der Bereich rund um 2 kHz zum Zerren. Unseren frequenzabhängigen Grenzwert für den Klirr reisst die Vento 100 bei 105 dBSPL, was absolut gesehen ordentlich, uns für die Größenklasse aber nicht besonders hoch erscheint. Elektrische Eigenschaften: unkritisch, mittelhoher Wirkungsgrad (82 dB/ 2V), Nennimpedanz 4 Ω, relativ kleine Impedanzschwankung (3,3...10 Ω). Leistungsbedarf für 100 dBSPL62 W, der Maximalpegel wird mit 238 W erreicht. Sprungantwort und Wasserfallmessung (ohne Abbildung) zeigen keine Auffälligkeiten. AUDIO-Kennzahl 69

Fazit

Die Augen sagen uns, dass hier ein eleganter Klassiker aufspielt. Aber die Vento 100 ist ein großer Teufel, in dem es ordentlich brodelt. Ein enormer Punch wird in Richtung des Hörplatzes entfacht. Als wäre es Profi-Equipment auf der Bühne. Im gleichen Moment kann sich die große Vento aber auch zurücknehmen. Dann wird ein Feingeist daraus. Ein Maximum an Informationen erreicht unser Ohr. Ein Füllhorn der Feindynamik. Für mich der perfekte Lautsprecher.

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