Falt-Smartphone
Motorola Razr 2022 im Test
Bei Falt-Smartphones hieß es bisher: entweder Samsung oder nichts. Jetzt kommt Bewegung in die Sache. Mit dem neuen Razr bringt Motorola ein kompaktes Foldable in den Markt, das einiges besser macht. Immer deutlicher wird: Den Faltern gehört die Zukunft. Lesen Sie unseren Test zum Razr 2022 von Motorola.
- Motorola Razr 2022 im Test
- Motorola Razr 2022 im Kameratest

Dass die Smartphone-Verkaufszahlen im Europäischen Markt sinken, hat nicht nur mit den steigenden Energiepreisen zu tun, die 2023 voll durchschlagen werden und viele Menschen zwingen, beim Geldausgeben genauer hinzuschauen. Es liegt auch daran, dass Smartphones technisch immer ausgereifter und gleichzeitig besser mit Software-Updates versorgt werden, sodass man sie länger benutzen kann.
Die Hersteller stehen in einem solchen Umfeld vor der Herausforderung, dazu zu motivieren, trotzdem die neuesten Hightech-Modelle zu kaufen. Ein wichtiger Baustein dabei sind Foldables, da sie im Gegensatz zur x-ten Neuauflage von Modell Y auf den ersten Blick etwas Neues zu bieten haben. Vor allem dafür ist die Kundschaft 2023 noch bereit, viel Geld auf den Tisch zu legen.
Bisher dominierte Samsung das Zukunftsthema Foldables. In Deutschland geht es derzeit sogar so weit, dass kein anderer Hersteller entsprechende Produkte anbietet. Motorola wagte sich jetzt endlich aus der Deckung und legte mit dem Razr 2022 die erste echte Alternative zu Samsungs erfolgreicher Flip-Serie auf den Tisch.
Die Frage, um die es in der Folge gehen soll, liegt auf der Hand: Kann der Newcomer dem alten Hasen das Wasser reichen? Samsung entwickelt seine Foldables schließlich bereits in der vierten Generation. Egal wie die Antwort ausfällt, ist eines schon sicher: Motorola bereichert den Markt zum Vorteil der Kunden, weil sie nun endlich eine Auswahl haben. Ein völlig unbeschriebenes Blatt ist Motorola, hinter dem die Finanz- und Innovationskraft des chinesischen Tech-Riesen Lenovo steht, bei Foldables zudem nicht.
Denn das erste Razr mit flexiblem Display wurde Ende 2019 vorgestellt – ein Nischenprodukt, das mit einer UVP von 1500 Euro viel zu wenig Ausstattung bot und schnell wieder in der Versenkung verschwand. Das neue Razr kostet zwar immer noch über 1000 Euro, hat aber sonst nicht mehr viel mit der ersten Generation gemeinsam. Es präsentiert sich im Gegenteil sehr ausgereift.

Haptik, Abmessungen und Scharnier
Es fängt mit dem Formfaktor an, der uns bei Motorola viel besser gefällt. Mit 86 x 80 Millimetern ist das Razr geschlossen deutlich breiter als das Flip 4 mit 85 x 72 Millimetern. Das erzeugt ein Display-Seitenverhältnis, das mit 20:9 nicht so gestreckt ist wie bei Samsung (22:9). Das Razr liegt aufgeklappt mehr wie ein gewöhnliches Smartphone in der Hand. Mit 200 Gramm ist es aber spürbar schwerer als das Flip 4 (187 Gramm). Samsung hat auch die Nase beim Displayrahmen vorne, der innen schmaler ist.
Beim Außendisplay dagegen zieht Motorola davon: Auf 2,7 Zoll und 800 x 573 Pixel Auflösung lassen sich mehr Inhalte zeigen als auf dem schmalen Streifen, den Samsung einbaut (1,9 Zoll und 512 x 260 Pixel). Das OLED-Display des Razr bedeckt fast die komplette Vorderseite, wenn man es zuklappt. Es wird von Glas geschützt, das schon nach kurzer Zeit von Fingerabdrücken übersät ist.
Die zugeklappte Rückseite besteht ebenfalls aus Glas, aber ihre angeraute, samtige Oberfläche steht in starkem Kontrast zur glänzenden Hälfte. Diese Zweiteilung hinterlässt einen unharmonischen Eindruck, vor allem wenn das Razr aufgeklappt ist. Auch die Scharnierkonstruktion wirkt nicht ganz so ausgereift wie bei Samsung. In einem bestimmten Winkel haben Ober- und Unterseite minimales Spiel, zudem sind an den Innenseiten Teile der Mechanik sichtbar.
Mit dem Aluminiumrahmen und dem Scharnier aus Edelstahl bewegen sich Haptik und Verarbeitung auf hohem Niveau, das ist keine Frage. Aber speziell die Scharnierkonstruktion wirkt bei Samsung einen Tick geschlossener, fester und stabiler. Dazu passt, dass Samsung mit IPX8 wasserfest baut, was Motorola nicht gelungen ist. Die Zertifizierung IP52 bedeutet, dass das Phone gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet ist.
XXL-Display und Lieferumfang
Das große Außendisplay ist ein Highlight des Razr – obwohl spürbar leuchtschwächer als das 6,7 Zoll große Innendisplay. Das ist im Hinblick auf die Darstellungsqualität gut mit dem Flip 4 vergleichbar. Die höhere Bildwiederholrate von 144 versus 120 Hertz macht keinen großen Unterschied. Anders sieht es bei der Knickstelle aus, die bei Foldables erfahrungsgemäß einen Falz auf der Oberfläche hinterlässt, der bei ausgeschaltetem Display sichtbar ist. Dieser Falz ist beim Razr weniger ausgeprägt.
Streicht man über die Oberfläche, spürt man die Delle weniger. Allerdings ist die weiche Displayoberfläche wie bei jedem Foldable druckempfindlich und sollte respektvoll behandelt werden. Stark: Ab Werk ist eine Schutzfolie aufgeklebt. Das führt uns zum Lieferumfang, der in wohltuendem Kontrast zu dem von Herstellern wie Apple und Samsung steht, die praktisch nur noch das Telefon ausliefern. Motorola legt nicht nur ein 30-Watt-Netzteil in den Karton, sondern auch eine gut sitzende Schutzhülle aus transparentem Silikon.

Prozessor, Speicher und Connectivity
Bei der Bewertung des Prozessors zeigt der Daumen ebenfalls nach oben, Qualcomms Snapdragon 8+ Gen 1 lässt in Benchmarks die Muskeln spielen und ist im Alltag jeder Situation gewachsen. Selbst Multitasking mit anspruchsvollen Apps und Anwendungen bereitet ihm keine Probleme. Der Arbeitsspeicher ist mit 8 GB ausreichend bestückt. Der interne Speicher ist 256 GB groß und damit für das Preisniveau angemessen. Eine Erweiterung per microSD ist nicht möglich.
In Sachen SIM-Karte ist ebenfalls nicht das Maximum geboten, denn Dual-SIM ist zwar möglich, aber einzig per eSIM. Bei der übrigen Connectivity dagegen kann man aus dem Vollen schöpfen. Natürlich wird 5G unterstützt, dazu kommen Wi-Fi mit der 6-GHz-Erweiterung 6E, Bluetooth 5.2 inklusive diverser HD-Formate wie AptX HD und LDAC und natürlich auch NFC.
Desktopmodus Ready For, Kamera und Betriebssystem
Und das ist immer noch nicht alles. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Unterstützung von Motorolas Desktopmodus „Ready For“, mit dem jeder Fernseher oder Bildschirm als Desktoperweiterung für das Smartphone genutzt werden kann. Sobald man Tastatur und Maus per Bluetooth mit dem Razr koppelt, kann man damit arbeiten wie an einem PC. Multimedial abgerundet wird die Vorstellung von guten Stereolautsprechern, denen es lediglich im Bassbereich ein wenig an Volumen fehlt.
Ein Schwachpunkt der Foldables, vor allem so kompakter wie Flip und Razr, ist die Kamera. Geringe Bautiefe und kleines Gehäuse machen es schwer, ein gutes Kamerasystem zu entwickeln. Folglich darf man nicht die hohe Fotoqualität erwarten, die Apple, Google oder Samsung mit ihren Flaggschiffen liefern. Vor diesem Hintergrund bietet das Razr eine gute Ausstattung, deren zwei Brennweiten etwa mit denen im Flip 4 vergleichbar ist. Softwareseitig sind alle wichtigen Einstellungen samt Profi-Modus mit RAW-Option geboten. Videos kann man mit 8K filmen. Einen großen Mehrwert bietet die hohe Auflösung jedoch nicht, darum empfehlen wir, auf 4K herunterzuschalten.

Beim Betriebssystem setzt Motorola auf Android 12, ein Verkauf mit der neuesten Version 13 wäre besser gewesen. Auch mit den Updates hinkt Motorola etwas hinterher. Das Update-Versprechen 2+3 (zwei neue Android Versionen, drei Jahre Sicherheitsupdates) bleibt hinter Samsungs 4+5 zurück. Die Betriebssystem-Features fallen bei Motorola ebenfalls sparsamer aus. Android präsentiert sich zwar mit einer schlanken Oberfläche ohne Ballast, verzichtet aber auf Funktionen, die anderswo zum Standard gehören: Es gibt kein Always-on-Display und keinen Tresor.
Grünes Licht aus dem Testlab
Der Akku ist mit 3500 mAh sehr knapp dimensioniert, Motorola unterbietet damit sogar das Flip 4 (3700 mAh). Und das schlägt sich in der Laufzeit nieder, mit 9:48 Stunden wird der Falter von Samsung unterboten (10:43 Stunden). Die Laufzeit ist aber alltagstauglich, bei normaler Nutzung hält das Razr locker bis zum Abend durch. Kabelloses Laden ist nicht möglich, was ein Nachteil gegenüber Samsung ist.
Im Gegenzug geht es kabelgebunden relativ schnell zur Sache: Mit dem 30-Watt-Netzteil ist der Akku in etwa anderthalb Stunden voll aufgeladen. In Zeiten von 120-Watt-Netzteilen und 20-minütigen Ladezeiten klingt das zwar schwach, ist aber für ein Falt-Smartphone ein respektabler Wert. Das Flip 4 schafft maximal 25 Watt, und man muss das Netzteil separat kaufen.
Die Funkmessungen sind im positiven Sinne unauffällig, die Sendeleistung könnte bei LTE 800 und LTE 1800 allerdings gern höher sein. Die 5G-Messungen, die wir erstmals für diese connect-Ausgabe durchgeführt haben, geben auch keinen Grund zu Beanstandungen – abgesehen von der fehlenden Unterstützung der low/low-Kombination bei 5G NSA. Die Akustikresultate liegen im Mittelfeld, es fehlt dem Razr etwas an Lautstärke sowohl in der Sende- als auch in der Empfangsrichtung.
Fazit
Der Gesamteindruck stimmt aber: Mit dem XXL-Außendisplay, überzeugender Connectivity und üppigem Lieferumfang empfiehlt sich das Razr als Alternative zum Flip 4. Das hat momentan allerdings einen Preisvorteil, weil es schon länger auf dem Markt ist. In ein paar Wochen dürften sich die Preise aber angeglichen haben. Für Samsung wird es dann immer schwerer werden, das Quasi-Monopol bei Falt-Smartphones zu halten.
Motorola Razr 2022: Technische Daten
- Preis und Speicher: 1.199 Euro mit 8/256 GB
- Farben: Schwarz
- Größe und Gewicht: 167 x 80 x 8 Millimeter und 200 Gramm (geschlossen: 86 x 80 x 17 Millimeter)
- SoC: Qualcomm Snapdragon 8+ Gen 1 mit bis zu 3,2 GHz
- Hauptdisplay: OLED mit 6,7 Zoll und 2.400 x 1.080 Pixel, dynamische Bildwiederholrate 144 Hertz
- Außendisplay: OLED mit 2,7 Zoll und 800 x 573 Pixel
- Hauptkamera: Ultraweitwinkel (F2.2) mit 13 Megapixel und Weitwinkel (F1.8) mit 50 Megapixel
- Frontkamera mit 32 Megapixel (F2.4)
- Konnektivität: 5G, 4G, 3G, 2G, WiFi 6E, Bluetooth 5.2, NFC, USB-C
- Dual-SIM (1x Nano SIM + 1 x eSIM )
- Akku mit 3.500 mAh
- System Android 12 mit My UX 4
- Besonderheiten: 30-Watt-Netzteil und Case im Lieferumfang, spritzwassergeschützt nach IP52, Fingerabdrucksensor im Rahmen integriert, Stereolautsprecher
Weitere Infos
Zwei Displays und eine geteilte Ansicht
Wie der Falter von Samsung kann das Razr in einem beliebigen Winkel offenstehen, sodass bei einem Videoanruf beide Hände frei bleiben. Und die geteilte Bildschirmansicht kennt man ebenfalls vom Flip. Dabei werden oben und unten unterschiedliche Apps eingeblendet: oben zum Beispiel ein Video und unten ein Whatsapp-Chat. Diese Ansicht funktioniert in der Praxis gut, allerdings halten wir den Mehrwert für nicht so groß, wie die Hersteller gern behaupten.
Für Selfies oder die erwähnten Videochats bietet der Formfaktor dagegen Vorteile. Motorola hebt auch eine Wecker-Funktion hervor, für die man das Razr leicht aufklappt und wie einen Wecker neben dem Bett aufstellt. Aufgrund der fehlenden Always-on-Funktion des Außendisplays wird die Uhrzeit allerdings nicht permanent angezeigt, sodass der Nutzen dieser Funktion begrenzt ist.
Auf ganzer Linie können aber Interaktionsmöglichkeiten des Außendisplays überzeugen: Motorola hat es sehr gut in das System eingebunden, sodass sich viele Aktionen ausführen lassen, ohne dass man das Phone aufklappen muss. Das gilt nicht nur fürs Telefonieren oder mobil Bezahlen, sondern für jede beliebige App, zum Beispiel für Google Maps, wenn man nur kurz nachsehen will, wo man ist. Es ist sogar möglich, hier die virtuelle Tastatur einzublenden und Nachrichten zu beantworten. Im Vergleich mit dem Flip zeigt das Razr, welches Potenzial der neue Formfaktor in Kombination mit einem großen Außendisplay hat.
Zieht Motorola an Samsung vorbei?
Beide Smartphones haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, daher kann es keinen klaren Sieger geben. In einigen Bereichen hinkt das Razr hinterher, in anderen ist es eine Generation voraus. Preislich liegt Samsung deutlich vorne.
Betrachten wir zuerst die technische Seite, denn die dominiert Motorola überraschend deutlich. Wir würden sogar so weit gehen, dass es Aspekte des Flip 5 vorwegnimmt, also eine Generation Vorsprung hat. Das wird beim Außendisplay deutlich: Es ist nicht einfach größer, sondern bietet mit der höheren Auflösung auch mehr Interaktionsmöglichkeiten, man kann zum Beispiel per Tastatur Nachrichten beantworten.
Auch in puncto Connectivity zeigt Motorola, wohin die Reise geht: Das Flip 4 unterstützt weder Wi-Fi 6E noch Samsungs Desktopmodus DeX. In allen anderen Aspekten beweist Samsung dagegen seine langjährige Erfahrung bei der Entwicklung von Foldables. Kabelloses Aufladen ist möglich, die Scharnierkonstruktion ist ausgereifter, und das Design wirkt in sich geschlossener und stimmiger.
Dazu passt gut die fehlende Wasserresistenz des Razr, das mit IP52 nur gegen Spritzwasser geschützt ist, während das Flip 4 einen Tauchgang wegsteckt. Auch softwareseitig hinkt Motorola hinterher, der Android-Oberfläche fehlen essenzielle Features wie ein Always-on-Display, und der Update-Support ist mit zwei garantierten Android-Versionen kürzer. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die wenigsten Foldable-Käufer ihr Modell länger als zwei Jahre behalten.
Viel schwerer wiegt der Preis: Das Flip 4 ist im Oktober 2022 mit vielen Farben und Speicherkonfigurationen mit einer UVP 1100 Euro gestartet und steht bei 900 Euro. Das sind 300 Euro weniger als das Razr, das es nur in Schwarz gibt und das nur in einigen technischen Belangen besser ist.