Plattenspieler
Technics SL1200GAE im Test
Die Plattenspieler der Technics-1200/1210-Reihe wurden zu Legenden. Bei DJs sowie unter HiFiisten. Sechs Jahre nach dem Produktionsstopp kommt nun ein neuer – in limitierter High-End-Edition. Wie klingt die moderne Reinkarnation Technics SL1200GAE im Test?

Wenn es ein HiFi-Gerät gibt, von dem Generationen von Nicht-HiFiisten immer geträumt haben, dann war es der DJ-Plattenspieler Technics SL1210. Selbst Zeitgenossen, die der Technik-Affinität oder Träumerei generell distanziert gegenüberstehen, werden im Laufe ihrer Jugend wenigstens einmal eine Schüler- oder Uni-Party besucht haben, bei der ein im Rhythmus des Basses oder der tanzenden Meute aussetzender oder springender Billig-Plattenspieler die Stimmung in den Keller geschickt hat. Und der ungekrönte König des Wohnheims ist dann derjenige, der einen echten Technics 1210 herbeizaubern kann, der seinen Ruf als robustester DJ-Dreher aller Zeiten spätestens dann unter Beweis stellt.
Doch im Jahre 2010 wurde es still und stiller um den Spieler, der im Laufe der Jahrzehnte seinen Weg auch in so manches Wohnzimmer gefunden hatte. Der Technics-Mutterkonzern stellte im aufziehenden Streaming-Zeitalter die Produktion kurzerhand ein. Das trieb die Gebraucht- und New-Old-Stock-Preise kräftig in die Höhe. Dabei gab es neben dem anhaltenden Analog-Boom gute technische Argumente für eine Neuauflage: Der Direktantrieb mit elektronischer Laufzeitkorrektur sorgte schon 1972 mit der ersten Generation für unerreichte Gleichlaufwerte, und selbst die Rumpelabstände wurden seither allenfalls von halbtonnenschweren Massekandidaten übertroffen.

Wie die kleinen Kinder
So stand denn auch die gesamte Redaktion in froher Erwartung um das unauffällig aussehende Paket, das die limitierte Neuauflage des Plattendrehers enthielt. Der Neue hört auf den Namen SL1200GAE und verwirrt den Betrachter in optischer Hinsicht für einen kurzen Moment: Ja, die Anordnung der Funktionselemente, die Bedienung, die Form, das alles ist ein typischer 1200er. Auf der anderen Seite: Optik, Farbgebung und Haptik passen so überhaupt nicht zu einem DJ-Werkzeug. Das gebürstete helle Aluminium (die Deckplatte ist aus einem vollen 10 mm dicken Stück Leichtmetall gefräst), der edle messingfarbene Teller, die wertigen Oberflächen: Das alles ist pures High End und macht den Aufpreis für das Jubiläumsmodell gegenüber einem NOS-DJ-Dreher subjektiv völlig moderat.

Geballte Technik
Der positive Eindruck setzt sich fort, wenn man einen näheren Blick auf die schlussendlich klangbestimmenden Elemente wirft: Der gilt bei einem Direkttriebler, von denen es heutzutage nicht mehr allzu viele am Markt gibt, natürlich zuerst dem Motor. Nach dem Abnehmen der Motorabdeckung des 1200 versteht man auch, warum sich die wenigsten Hersteller an solche Antriebe wagen: Der Gleichstrommotor mit zehn außen liegenden Stator-Spulen und einem eisenkernfreien Zwillingsrotor innen ist direkt auf einer Platine aufgebaut und würde einer Leistungsschau des deutschen Maschinenbaus gut zu Gewicht - äh, zu Gesicht - stehen.
Das gilt auch für die Motorsteuerung, die voll digital arbeitet und sogar per USB-Anschluss service- und updatefähig sein soll. So verwundert auch nicht, dass die Konstrukteure mit Drehmoment-, Beschleunigungs- und Bremswerten in der Bedienungsanleitung werben, die die Einzigartigkeit dieses Antriebs belegen: In 0,7 Sekunden bewegt er den Teller aus dem Stillstand auf konstante, quarzkontrollierte 33 Umdrehungen pro Minute.

Aber nicht irgendeinen Teller! 3,5 Kilogramm wiegt allein das Dreifach-Sandwich (ohne Auflagematte, versteht sich), welches für den SL1200GAE neu konstruiert wurde: Der Basisteller ist ein Aluminium-Druckguss-Element, das oben mit einer Messingauflage - beide nichtmagnetisch! - und unten mit einer Sorbothanlage optimiert wurde. Die Kraftübertragung von der Motorplatte auf den Alu-Hauptteller geschieht mithilfe dreier Stifte, die insbesondere die elektronischen Bremsvorgänge verlustfrei übertragen.
Ähnliche Fertigungsqualität ließen die Technics-Ingenieure auch beim Arm walten: So erhielt die GAE-Version den S-förmig gebogenen Tonarm mit einem kaltgezogenen Magnesium- statt eines Alu-Rohres. Eine kardanische Aufhängung, bei der sich die vertikale und die horizontale Achse durch jeweils zwei Kugellager außen virtuell in einem Punkt kreuzen und zugleich eine vollkommene Versteifung gegenüber unerwünschten Drehbewegungen und Kippeln garantieren, hält ihn auf Spur. Wer auf die Headshell mit Standard-Halbzoll-Schraubenmaß und Technicseigener Armsteckereinheit andere Tonabnehmer als die Ortofon-DJ-Nadeln montieren will, wird die über 6 mm justierbare Armhöhe schätzen.

Hörtest: Auf Start/Stopp geht's los
Die Justage des SL1200 ist einfach, die Bedienung sogar kinderleicht. Die kindliche Freude, wenn die blaue Strobo-Lampe und die weiße Nadelbeleuchtung erstrahlen und ein Druck auf "Start/Stopp" den massiven Teller in der Zeit eines Wimpernschlags auf Soll-Umdrehungszahl bringt, zaubert nicht nur jenen ein Lächeln auf die Lippen, die in der Jugend von einer Karriere als DJ geträumt haben. Letztere werden auch zuerst einmal das technisch Machbare ausloten - ja, der Neue hat eine "2x"-Taste, die den Pitch-Bereich auf +-16% erweitert. Der HiFiist drückt stattdessen den "Reset"-Knopf und erfreut sich an der perfekten Solldrehzahl.
So fanden denn auch in der ansonsten privat auf Klassik und Rock abonnierten stereoplay-Redaktion zuerst echte Disco-Klänge den Weg auf den 1200er: Sly and the Family Stone mit "I Want To Make You Higher" brachte über die Tonabnehmer- Referenz Benz ACE echtes 1970er-Feeling: schnell, straff, ultragenau und mit zackigen Rhythmen. Leider fehlte es der Party auch untenrum an Fundament, und die Höhen blieben etwas nobel-intellektuell, weshalb die Redaktion eine Reihe von Tonabnehmern probierte. Zwei MMs blieben - einer alten Regel folgend - schließlich im Ohr hängen.

Zunächst das extrem stimmige, fundament- und farbenstarke Audio Technica AT450E, das Kellee Pattersons "Maiden Voyage" eine unnachahmlich dichte, charmante und zeitlose Club-Atmosphäre bescherte. Der Technics agierte hier auch bei den feinsten Jazz-Klängen wie ein Fels in der Brandung und brachte jede Schattierung mit musikalischem Verve zu Gehör und klang kein Stückchen dünn.
Ebenso stimmig das etwas audiophilere Goldring 2400, das Nick Caves "Push The Sky Away" und Peter Gabriels "Intruder" genau die knallharten Tiefbässe und Impulse bescherte, die Generationen von DJs am Technics 1210 so geliebt haben.
Fazit
Die Neuauflage ist ein technisch und klanglich hoch souveränes Laufwerk, das den reinen DJ-Einsatz weit hinter sich lässt und richtig audiophil klingt, aber nach tiefbass- und dynamikstarken Spielpartnern ruft. Nur: Technics-Fans sollten ab Juni so schnell sein wie die Rhythmen des SL1200GAE - die Sonderedition ist auf 1200 limitiert und könnte schnell vergriffen sein.