Huawei Mate 30 Pro im Test
Mehr zum Thema: HuaweiEs gibt nicht viele Phones, die so mit Spitzentechnologie vollgestopft sind wie das Mate 30 Pro. Eine Zutat fehlt aber und die zeigt, dass Hardware nicht mehr die Hauptrolle spielt. Lesen Sie hierzu unseren Test.

- Huawei Mate 30 Pro im Test
- Huawei Mate 30 Pro im Test: Neuer Sensor für 4K-Videos
Anfang 2019 schien der Weg von Huawei vorgezeichnet: Wachstum, Wachstum, Wachstum, und wenn alles gut läuft, im Folgejahr die Krone des weltgrößten Herstellers Samsung übernehmen. Für den deutschen Markt war die Marktführerschaft 2019 eine realistische Option. Aber wer konnte ahnen, das d...
Anfang 2019 schien der Weg von Huawei vorgezeichnet: Wachstum, Wachstum, Wachstum, und wenn alles gut läuft, im Folgejahr die Krone des weltgrößten Herstellers Samsung übernehmen. Für den deutschen Markt war die Marktführerschaft 2019 eine realistische Option.
Aber wer konnte ahnen, das der US-Präsident auf Biegen und Brechen die Auseinandersetzung mit China suchen würde? Immer wieder beklagt Trump das gigantische Handelsdefizit und vergisst dabei, dass die USA noch nie gut darin waren, physische Güter zu exportieren.
Amerika exportiert Ideen und Dienstleistungen und das so erfolgreich, dass die ganze Welt davon abhängig ist. Wo stünden wir heute ohne die Patente von Qualcomm, ohne Amazon, Apple und Google? Wie essentiell US-Unternehmen für den Hightechsektor sind, muss Huawei gerade erfahren – eine schmerzhafte Lektion für die erfolgsverwöhnten Chinesen.
Hardware auf Spitzenniveau
Technisch und optisch macht dem Mate 30 Pro keiner etwas vor. Die Vorderseite mit dem gebogenen Display sieht atemberaubend futuristisch aus, genauso gelungen ist die markante Rückseite mit der kreisförmigen Anordnung der Kameras.
Hinzu kommen eine hervorragende Verarbeitung und Haptik, der Glas- Metall-Mix schmeichelt der Hand, und die IP68-Zertifizierung ist das Tüpfelchen auf dem i.
Auch nach einem Blick unter die Haube bleibt der Daumen oben. Die Chinesen haben einfach alles hineingepackt, was aktuell technisch möglich ist.

Das 6,5 Zoll große OLED ist eine Augenweide. Wem die Ränder zu stark gebogen sind, kann die Darstellung so anpassen, dass sie die Kurve nicht mitmacht.
Uns hat es jedenfalls gut gefallen, weil man das Gefühl hat, ein vollständig randloses Display in der Hand zu halten, und weil die Gestensteuerung von Android mit den seitlichen Wischbewegungen ohne eine Kante am Rand noch intuitiver funktioniert.
Für die von Huawei stark beworbene berührungslose Steuerung gilt das nicht. Unsere Handgesten wurden häufig falsch interpretiert. Vermisst haben wir die Funktion aber nicht, weil es im Alltag kaum eine Situation gibt, in der man lieber vor dem Display gestikuliert statt direkt darauf zu tippen.
Gut umgesetzt wurde die 3D-Gesichtserkennung, die eine hohe Sicherheitsstufe mit einer tollen Erkennungsrate kombiniert. Nettes Feature:
Wer sein Aussehen häufig ändert (Brille, Bart), kann in den Systemeinstellungen einen „alternativen Look“, also einen zweiten Gesichtsscan hinterlegen.
Bei alldem reagiert das System butterweich und rasend schnell auf Eingaben, man kann die Power des neuen Prozessors förmlich spüren. Huaweis Kirin 990 konkurriert in vielerlei Hinsicht mit Qualcomms Snap dragon 855 – und er kann mit dem Topmodell der US-Amerikaner locker mithalten.
Welches Potenzial in der neuen Prozessorgeneration schlummert, zeigt der Desktopmodus, der das Smartphone in einen gut funktionierenden PC-Ersatz verwandelt.
Die Verbindung mit TV oder Monitor klappt neuerdings auch kabellos (via Miracast), über USB-C/HDMI gelingt sie aber einfacher und zuverlässiger.
Das uns vorliegende Modell fasst nur 128 GB Speicher, die Verkaufsversion hat aber 256 GB und ist auch für datenintensive Anwendungen gewappnet.
Wer mehr braucht, kann anstelle einer zweiten SIM auch eine Speicherkarte nachrüsten – leider wird nicht microSD unterstützt, sondern nur Huaweis proprietäres Format Nano Memory Card.
Nötig könnte das werden, wenn man gerne Videos aufzeichnet – 1,5 Minuten in 4K schlucken etwa 500 MB, und mit dem neuen Videosensor ist das Mate 30 Pro prädestiniert dafür.
Fotos machen ebenfalls großen Spaß, nicht nur wegen der unterschiedlichen Brennweiten und der hohen Auflösung, sondern auch wegen der vielseitigen Benutzeroberfläche. Die Fotoqualität ist gut bis sehr gut und macht einmal mehr deutlich: Die Ausstattung ist absolute spitzenklasse.
Ohne Google keine Apps
Die Ergebnisse unseres Testlabs schließen hier nahtlos an. Die Akkulaufzeit ist mit knapp elf Stunden exzellent, bei normaler Nutzung muss das Phone nur alle zwei Tage an die Steckdose.
Der Käufer freut sich zudem über ein bärenstarkes 40-Watt-Netzteil und die Möglichkeit, nicht nur drahtlos via Qi nachzutanken, sondern mit dem Smartphone-Akku Kopfhörer und anderes Zubehör drahtlos aufzuladen (Wireless Reverse Charging).
Die Akustik demonstriert die steile Lernkurve von Huawei: Wie beim P30 Pro wird der Schall über Vibrationen des Display-Glases übertragen, doch wo das P-Modell noch enttäuschte (niedrige Lautstärke) fährt das Mate 30 Pro Bestnoten ein.
Auch die Funkeigenschaften sind gut bis sehr gut. Doch was nützt das alles, wenn die Apps fehlen? Anstelle des Google Play Store ist die Huawei App Gallery installiert, der vieles fehlt, was der deutsche Smartphonenutzer vor aussetzt: kein Facebook, kein WhatsApp, keine Maps, kein Amazon.
Zwar kursieren Anleitungen im Internet, wie man Google nachträglich auf dem Smartphone installiert, aber erstens ist das für Otto-Normalverbraucher zu kompliziert und zweitens läuft auch nach erfolgreicher Nachrüstung weder eine Banking App auf dem Smartphone, noch kann man es zum mobilen Bezahlen nutzen. Für das Preisniveau sind das zu viele Einschränkungen. Schade!

Fazit
Die fehlenden Google-Dienste machen das Smartphone in Deutschland praktisch unbenutzbar, unser Testschema quittiert diese Tatsache mit deutlichen Abzügen im Bereich „System“. Ohne diese Abzüge hätte es das Mate 30 Pro auf den zweiten Platz in der connect-Bestenliste geschafft.
Es ist jammerschade, dass ein so überragendes Modell dem deutschen Markt vorenthalten wird – noch dazu aus Gründen, die wenig nachvollziehbar sind. Wenn ein Innovationstreiber wie Huawei aus dem Spiel genommen wird, dann hat nicht nur der Kunde das Nachsehen, die gesamte Branche wird darunter leiden.