Apple iPhone X im Test
Mehr zum Thema: AppleMit dem iPhone X legt Apple den Grundstein für eine neue Smartphone-Generation. Der Preis ist unverschämt, aber die Technik zukunftsweisend. Vor allem Face ID macht im Test den Unterschied.


- Apple iPhone X im Test
- iPhone X: Kamera im Test
- iPhone X: Face ID im Test
Für Apple ist das iPhone X nichts weniger als die Zukunft des Smartphones. Das zeigt nicht nur das an Überheblichkeit grenzende Selbstbewusstsein, für das Apple berühmt-berüchtigt ist, es macht auch deutlich, wie wichtig das X für das Unternehmen ist. Nach den neuesten Quartalszahlen hängen 5...
Für Apple ist das iPhone X nichts weniger als die Zukunft des Smartphones. Das zeigt nicht nur das an Überheblichkeit grenzende Selbstbewusstsein, für das Apple berühmt-berüchtigt ist, es macht auch deutlich, wie wichtig das X für das Unternehmen ist. Nach den neuesten Quartalszahlen hängen 55 Prozent von Apples Umsatz am iPhone. Diese Abhängigkeit ist nicht ohne Risiko: Ein Flop oder Produktionsfehler reicht, und der Aktienkurs rauscht in den Keller. Insofern ist das iPhone X also vor allem die Zukunft von Apple. Denn so viel ist jetzt schon klar: Trotz toller Ergebnisse im connect-Test und einem guten Gesamtpaket sind iPhone 8 und 8 Plus Auslaufmodelle – im nächsten Jahr dürfte Apple nur noch Randlos-Smartphones vorstellen.
Hart an der Kante gebaut
Wenn das iPhone X also Apples Zukunft markiert, dann sieht diese ziemlich rosig aus. Denn mit einem runderneuerten Design beseitigen die Kalifornier endlich den einzig relevanten Kritikpunkt, der vor allem der seit Ende September erhältlichen 8er-Generation schwer zusetzt: Deren breite Displayrahmen sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Im Android-Lager füllen immer öfter 18:9-Bildschirme die gesamte Frontseite aus und vereinen so elegant die größtmögliche Anzeige mit handlichen Abmessungen. Vor allem das iPhone 8 Plus sieht neben einem schnittigen Huawei Mate 10 Pro oder einem Galaxy S8 Plus aus wie ein Brett.
Mit dem iPhone X setzt Apple zum Überholmanöver an und baut so eng an der Kante wie kein anderer Hersteller. Das Ergebnis beeindruckt nicht nur optisch, auch die Zahlen sprechen für sich: Das X ist deutlich kleiner als das 8 Plus, obwohl das Display von 5,5 auf 5,8 Zoll anwächst. Es liegt ausgesprochen gut in der Hand und lässt sich noch gut einhändig bedienen, auch wenn der Daumen nicht mehr in die obere linke Ecke reicht. Es ist deutlich kompakter als der 6-Zöller Mate 10 Pro. Samsungs 5,8-Zoll-Modell S8 ist etwas schmaler und länger gestreckt, liegt aber genauso angenehm in der Hand.

Edelstahl hält das X in Form
Von den 8ern übernimmt Apple die Rückseite aus Glas, allerdings besteht der Rahmen, der die beiden Platten zusammenhält, nicht mehr aus eloxiertem Aluminium, sondern aus Edelstahl in „chirurgischer Qualität“, wie Apple betont. Das iPhone X ist mit weißer und grau eingefärbter Rückseite erhältlich. Während der Stahlrahmen bei Ersterer in einer auffälligen Chromoptik glänzt, wurde er bei der grauen Variante an die Farbe der Rückseite angepasst. Das macht auf uns einen geschlosseneren Eindruck, ist aber letztlich Geschmackssache. Unstrittig ist, dass der Stahl eine hohe Stabilität vermittelt und die Verarbeitung exzellent ist. Das Gehäuse ist wieder wasserdicht nach IP67, ein Regenschauer ist also kein Problem. Design, Haptik und Verarbeitung sind in jeder Hinsicht gelungen.
Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann die herausstehende Kameraeinheit auf der Rückseite. Aber das ist Gemecker auf höchstem Niveau, andere Hersteller schaffen es auch nicht, die Kamera flach in das Gehäuse zu integrieren. Das optische System benötigt nun mal eine gewisse Tiefe, wenn es ansprechende Fotos und Videos aufzeichnen soll.

OLED in Höchstform
Doch zurück zur Front, denn das OLED-Display ist eine Wucht. Erstmals geht Apple über Full-HD-Auflösung hinaus und bietet mit 2436 x 1125 Pixeln auf 5,8 Zoll eine besonders feine Darstellung. Da die Ecken abgerundet sind, ist der tatsächlich sichtbare Bildschirmbereich etwas kleiner als die angegebenen 5,8 Zoll, aber das ist Erbsenzählerei. Entscheidend ist, dass Apples hohe Qualitätsvorgaben sich auch in der wohl wichtigsten Smartphone-Komponente widerspiegeln. Die Leuchtkraft ist für diese Technologie herausragend, und auch alle anderen von uns gemessenen Eckdaten überzeugen auf ganzer Linie. Das Tüpfelchen auf dem i ist die Unterstützung von HDR 10, die sich in einer kontrastreicheren Darstellung bemerkbar macht – entsprechende Filme sind im iTunes-Store mit dem Symbol „HDR“ markiert.
Kein Grund, in die Kerbe zu hauen
Noch ein paar Worte zu der Sensorausbuchtung im oberen Displaybereich (englisch „Notch“, Einkerbung). Die hat einige dazu verleitet, ein „Notchgate“ auszurufen – in Anlehnung an Apple-Katastrophen wie „Antennagate“. Uns stört die Kerbe nicht, weil Apple sie clever in die Benutzeroberfläche integriert. In den meisten Situationen wird oben die Statuszeile eingeblendet, die in der Mitte ohnehin nichts anzeigt. Bei bildschirmfüllenden Videos wird ein schmaler Bereich auf der linken Seite von der Ausbuchtung verdeckt. Wen das brachial stört, der kann das Format per Fingerwisch so verkleinern, dass die Ausbuchtung verschwindet. Vor die Wahl gestellt genießen wir lieber die größere Darstellung und nehmen den kleinen Einschnitt in Kauf. Und wir scheinen nicht die Einzigen zu sein, die das so sehen, denn die Aufregung um „Notchgate“ hat sich schnell wieder gelegt – offensichtlich hat das Gros der iPhone-X-Nutzer kein Problem damit.
Ausschalten war gestern
Die gute Integration der Ausbuchtung in die Benutzeroberfläche belegt, dass Apple iOS gut an das lang gestreckte 18:9-Format angepasst hat. Zwei Details zeigen freilich, dass es durchaus noch Verbesserungspotenzial gibt: Zum einen wird zusammen mit der virtuellen Tastatur ein breiter grauer Sektor im unteren Bereich eingeblendet und damit viel Platz verschwendet. Zum anderen erreicht der Daumen die linke obere Ecke nicht mehr, wodurch sich die Mitteilungszentrale nur noch über Umwege öffnen lässt. Viele Entwickler haben ihre Apps bereits für das neue Seitenverhältnis angepasst, entsprechende Updates trudelten während des Testzeitraumes permanent ein.
Und weil alle auf das Display schauen, geht eine weitere wichtige Änderung in der Bedienung fast unter: Apple hat auf dem iPhone X die Power-Taste abgeschafft. Der normalerweise auf der rechten Seite positionierte Drücker ist beim X deutlich breiter und damit besser erreichbar geworden. Ein längerer Druck darauf startet den Apple-Assistenten Siri; ausschalten kann man das iPhone X nur noch über eine Tastenkombination, indem man die Siri-Taste und die Leiser-Taste gleichzeitig drückt. Eine sinnvolle Neuerung in Anbetracht der Tatsache, dass kaum jemand sein Smartphone regelmäßig ausschaltet. Wozu eine Taste mit einer Aktion blockieren, wenn diese nur sehr selten zur Anwendung kommt?

Neuer Prozessor setzt Maßstäbe
Die schnelle Reaktion des Betriebssystems deutet es bereits an: Unter dem Display schlummert ein Power-Prozessor. Die neue A11-Generation, die Apple wie gewohnt selbst entwickelt hat, gibt auch in den 8er-Modellen den Takt vor und konnte dort bereits ihre enorme Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Das Chipsatz-Design aus zwei Performance- und vier Effizienz-Kernen mit maximal 2,2 GHz lässt in Benchmarks die Konkurrenten Qualcomm und Samsung deutlich hinter sich.
Apple hat dem Chipsatz den Namen „Bionic“ verpasst, weil er wie Huaweis Kirin 970 für maschinelles Lernen optimiert ist. Nur deshalb funktioniert die Gesichtserkennung via Face ID so schnell und reibungslos. Wichtig ist auch der neue Performance-Controller, der die unterschiedlichen Aufgaben des Systems intelligent zwischen den sechs Kernen verteilt, was der Akkulaufzeit zugute kommt. Die liegt mit 8:52 Stunden im connect-Nutzungsmix über dem Durchschnitt, bei moderatem Einsatz sind auch mal zwei Tage ohne Steckdose möglich.
Bei den Funkmessungen schwächelte das iPhone X im UMTS- und GSM-Netz etwas. Was bei Kunden mit LTE-Vertrag nicht so stark ins Gewicht fällt: Im 4G-Netz ist die Leistung gut – und die meisten Daten laufen heute über diesen Standard. Trotzdem: Eine Platzierung in den Top 10 unserer Bestenliste verpasst das iPhone X damit knapp.

Knausriger Lieferumfang
Von den beiden Schwestermodellen mit der 8 im Namen übernimmt das X leider den spärlichen Lieferumfang: Obwohl der Preis mit 1149 Euro für die 64-GB-Variante astronomische Höhen erreicht und sich für 256 GB auf 1319 Euro steigert, legt Apple nur das Nötigste in den Karton. Wer das X drahtlos aufladen möchte, muss eine entsprechende Ladestation auf eigene Kosten zukaufen. Und obwohl das Smartphone schnelles Aufladen unterstützt, liegt nur ein mickriges 5-Watt-Netzteil bei. Aber unverschämt hohe Preise sind ein Markenzeichen von Apple, genauso wie eine fehlende Speichererweiterung und der proprietäre Lightning-Port. iPhone-Fans werden sich davon nicht schrecken lassen. Wir können es nachvollziehen, denn das X ist ein wegweisendes Smartphone.