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Hybrid-Elektrostat

Martin Logan Montis im Test

Es ist die ganz große Kunst im Lautsprecherbau, einen Hybrid-Elektrostaten zu bauen. Die Martin Logan Montis liefert reichlich Stoff für den Traum, aus praktisch masseloser Folie Musik zu zaubern. Wie klingt die Standbox im Test?

Autor: Lothar Brandt • 29.3.2016 • ca. 4:55 Min

Lautsprecher Martin Logan Montis
Lautsprecher Martin Logan Montis
© Martin Logan Montis

Déjà-vu - das ist nicht nur eine fantastische LP von Crosby, Stills, Nash & Young, sondern auch ein merkwürdiges Gefühl, das einen in bestimmten Situationen überkommt, die man glaubt, exakt so schon einmal erlebt zu haben. Solch ein Erlebnis wandelte den Autor an, al...

Pro

  • hochfeine Auflösung
  • tolle Räumlichkeit
  • neutrale Wiedergabe mit natürlichen Klangfarben
  • exzellente Dynamik

Contra

  • Bass und Maximalpegel begrenzt
  • Impedanzminimum 0,52 Ohm bei 20 kHz

Fazit

Audio-Klangurteil: 102 Punkte; Preis/Leistung: überragend

  Hervorragend

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Déjà-vu - das ist nicht nur eine fantastische LP von Crosby, Stills, Nash & Young, sondern auch ein merkwürdiges Gefühl, das einen in bestimmten Situationen überkommt, die man glaubt, exakt so schon einmal erlebt zu haben. Solch ein Erlebnis wandelte den Autor an, als der Hybrid-Elektrostat Martin Logan Montis (12.900 Euro) in seinem Hörraum aufspielte - sozusagen ein Déjà Écouté.

Vor sechseinhalb Jahren stand an selber Stelle die Martin Logan Summit X (Test). Dieser Hybrid-Elektrostat kombinierte eine elektrostatische Mittel-Hochtonfläche mit einem aktiven Woofer, der mit elektrodynamischen 10-Zoll-Chassis den Bass und die unteren Mitten übernahm. Kein neues Konzept, aber in der Summit X so gut verwirklicht wie in keinem anderen dem Autor bis dato bekannten Lautsprecher. Die entfachten Begeisterungsstürme fanden ihren Niederschlag im Test in AUDIO 7/2009. Die Summit X hinterließen eine schmerzende Lücke, als sie an den Importeur zurückgingen.

Nun wurde diese Lücke geschlossen. Die Montis ähneln ihrer minimal größeren Schwester wie ein Mitglied von Martin Logans ESL-Familie dem anderen. Zu den Electrostatic Loudspeakers der Firma aus Lawrence, US-Bundestaat Kansas gehören auch die kleineren Martin Logan Theos (Test) und Martin Logan Ethos (Test). Gefertigt wird übrigens bei Paradigm in Kanada.

Martin Logan Montis gebogene Form
Wer um die Martin Logan Montis herumgeht, kann sich von jeder Position an ihren Formen ergötzen. Doch am schönsten ist sie, wenn sie spielt und der Hörer sitzt.
© Martin Logan Montis

Mit der Summit X gemein hat die Montis das "X-Stat"-Mittelhochtonpanel im eloxiertem Aluminiumrahmen. Jenen edel gebogenen, in einer Vakuum-Kammer montierten Zylinderausschnitt, der ohne Gehäuse auskommt, dessen hauchdünne, plasmabedampfte und deswegen federleichte Polymer-Membran nach vorne wie hinten abstrahlt und der die faszinierenden Mehr-Eigenschaften der Elektrostaten verantwortet: mehr Räumlichkeit und Offenheit, mehr Präzision und Schnelligkeit als konventionelle Wandler.

Um mit einer Folie aber genügend Luft für einen ausreichend tiefen und kräftigen Bass zu bewegen, muss diese sehr groß sein. Darüber kann man sich mit hybrider Bauweise hinwegsetzen. Dann bündeln plane Flächenstrahler den abgestrahlten Schall sehr stark, was die optimale Hörposition extrem einengt. Deshalb erweitert Martin Logan den horizontalen Abstrahlwinkel aus der "Curvilinear Line Source". CLS krümmt die Fläche zum Hörer hin und segmentiert sie zudem in unterschiedlich hohe Teilabschnitte. Die fein gelöcherten ("MikroPerf") Statoren lassen diese Segmente erkennen.

Trotz gleichem X-Stat sind Summit X und Montis nicht die gleichen Lautsprecher. Denn erstens kostet ein Montis-Paar knapp 5000 Euro weniger, und zweitens gibt es dann doch ein paar Unterschiede. So bietet die Summit X mit ihrer dimmbaren Unterboden-Beleuchtung oder ihrem Rückenlicht für Augenmenschen mehr. Bei der Montis bleibt lediglich die schaltbare blaue Illumination des Firmenlogos auf der Gehäusedecke des Woofers.

Im Woofer steckt der wichtigste Unterschied: Die Summit feuert den Tieftonbereich bis etwa 270 Hertz pro Lautsprecher über zwei 10-Zöller, einer nach vorn, einer nach unten; in der gleichfalls von einer 200-Watt-Class-D-Endstufe angetriebenen Montis fehlt der Downfire. Zudem muss das eine Chassis bis fast 340 Hertz hinauf. Beim Ankoppeln und vor allem beim phasenkohärenten Abgleich mit dem Elektrostaten darüber hilft als Weichensteller ein Montis-exklusiver digitaler Signalprozessor (DSP) von ML-Ingenieur Joe Vojtko mit 24 Bit Rechentiefe.

Martin Logan Montis Lichtschalter
Die halbaktive Montis findet über Lautsprecherkabel Anschluss. Zwischen den rückseitigen Klemmen und dem Bassregler ist der Kippschalter für die Logo-Beleuchtung.
© Martin Logan Montis

Hörtest

Um räumliche Tiefe geht es - unter anderem - bei der richtigen Aufstellung. Gleich die Warnung an alle Plug'n'Play-Fans: Jeder Elektrostat verlangt Hingabe, Geduld, Erfahrung und Zeit, bis er seine vollen Reize entfaltet. Die Martin Logan Montis macht da keine Ausnahme. Im großen AUDIO-Hörraum allerdings zickte sie allenfalls auf Mindestniveau. Mit gebotenem Abstand zur hinteren und zu den seitlichen Wänden spielte sie - eingewinkelt zu den Hörern - auf Anhieb auf Weltklasseniveau. Dabei zeigte sie eine erstaunliche Souveränität, was die Verstärker-Partner anging. Die zur Verfügung stehenden Transistor-Endstufen, allesamt stabiler Natur, konnten ihr Bestes geben.

Die Stabilität, also Stromlieferfähigkeit sei deshalb erwähnt, weil die Montis ein Impedanzminimum deutlich unter 1 Ohm hat. Allerdings jenseits von 15 Kilohertz, wo im Normalfall kaum noch nennenswert Leistung gefordert ist.

Stark gefordert fühlte sich der Autor. Zum ersten damit, die Montis auch im akustisch wesentlich heikleren, aber praxisnäheren eigenen Hörraum zum Klingen zu bringen und zum zweiten mit dem Versuch, ihre Fähigkeiten bis zum Gehtnichtbesser auszureizen. Also nach Hause und das volle Programm: Meterstab raus, statt der Spikes wieder Gummifüße, gerückt, gehört, gewinkelt, wieder gehört, an den Bassreglern für den Bereich unter 100 Hz gedreht, wieder gehört. Die Röhren-Monos mit einem großkalibrigen Transistor getauscht, wieder gehört. Bis, ja bis das erwähnte Déjà-vu kam.

Sie holen einen ganz hoch den Berg rauf, die Montis. Richtig ein- und aufgestellt, exzellent angesteuert auch bis zu Gipfeln, die vermeintlich der Summit X vorbehalten waren. Der schlankere, weniger wulstige Bass kam sogar präziser, wenn auch nicht so tief. Aber wer hört schon separat auf Bass, wenn ein Sinfonieorchester seine Pracht entfaltet. Akribischste Detailarbeit von ersten und zweiten Violinen, feinste Nuancen von Oboe und Klarinette, ein wie aus dem Nichts aufblitzendes Forte, ein noch darüber gleißendes Fortissimo. Wer das alles analysieren und sich trotzdem auch in den Strom der Musik fallen lassen will - die Montis liefert Lupe und Lust.

Verschiedene Pressungen oder Remaster aus dem Schaffen von Pop-Chamäleon David Bowie vergleichen und sich dann begeistern lassen von seiner manchmal genialen Musik - die Montis sind das Mittel dazu. Kurz: Die Martin Logan Montis macht Musik. Unter anderem aus Kunststofffolie.

Fazit

Auch wenn das eher gegen mich spricht: Ich bin einer alten Liebe untreu geworden. Galt meine Sehnsucht bislang der Martin Logan Summit X, so hat nun die Montis mein Herz gewonnen. Ihr etwas schmächtigerer Bass lässt die Montis zwar im Vergleich zur großen Schwester nach AUDIO-Punkten minimal darunter in der Bestenliste rangieren, doch ihre gleichwertig anspringende Dynamik, ihre Plastizität, ihr extremes Differenzieren sowie ihre Neutralität machen sie zum perfekten Abhörlautsprecher nicht nur für meine Musik-Reviews. Weil dieses Raumerschaffungswunder alles Musikhören mit einem unfassbaren Genussfaktor aufrüstet, hat es meinen Hörraum erobert.

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