Röhrenvorstufe
Pro-Ject Pre Box RS im Test
Hinter der Fassade des schlichten Pro-Ject-Vorverstärkers Pre Box RS würde man vieles vermuten, aber wohl kaum eine Ausgangsstufe, die auf zwei Doppeltrioden vom Typ E88CC setzt... Hier unser Test.

Der Autor hatte mit Pro-Ject bislang noch nie direkt zu tun. Aus der Distanz hat er das kontinuierliche Wachstum der österreichischen Analog-Spezialisten aber stets beobachtet. Dabei hatte er immer den Eindruck, dass die Company aus Mistelbach eine außerordentlich spürsichere Nase dafür hat, wonach der HiFi-Markt verlangt.
So stößt Pro-Ject in manche Lücke, die andere übersehen: beispielsweise den Bedarf für kleine Verstärker, die optisch „wenig auftragen“, wie die hier vorgestellte unscheinbare Pre Box RS für 900 Euro.
Es gibt eben Kunden, die mögen zu Hause keine „HiFi-Boliden“, die das Kreuz belasten und mit vielen Knöpfchen den Kopf verwirren. Stattdessen suchen diese Menschen (die der Schreiber sehr gut verstehen kann), einfach nur etwas Entspannung beim Musikhören.
Exakt auf dieser gedanklichen Grundlage fußt das auch in Schwarz erhältliche und nur 1,9 Kilogramm schwere „Kästchen“ von Pro-Ject. Zu dieser Philosophie passt dann auch die technische Seite der Pre Box RS. So arbeitet der Hochpegelvorverstärker mit ausgelagertem Netzteil in der Ausgangsstufe mit Doppeltriodenröhren.
Dazu kommt eine Class-A-Schaltung, die laut Marketing-Unterlagen völlig ohne Gegenkopplung arbeiten soll (was wir bezweifeln, weil es keine Verstärker ohne Gegenkopplung gibt). Last, but not least bietet der kleine Pro-Ject-Amp die Möglichkeit für ein Upgrade mittels eines separaten Akku-Netzteils, das optional 450 Euro kostet.

Symmetrischer Aufbau
Eine weitere Besonderheit des Pro-Ject-Vorverstärkers ist sein Aufbau in aufwendiger Doppel-Mono-Technik. Deshalb finden sich auf der Rückseite der fernbedienbaren Pre Box RS neben Cinch- auch hartvergoldete XLR-Buchsen. Nur der symmetrische Ausgang ist in der Lautstärke regelbar.
Der RCA-Out ist im Pegel fixiert. Er eignet sich zum Anschluss eines analogen Aufnahmegerätes oder auch eines Kopfhörer-Amps mit eigener Lautstärkeregelung. Trotz platzsparender Abmessungen bietet der kompakte Pre insgesamt drei symmetrische und drei unsymmetrische Hochpegeleingänge.
Tube Sound ohne Härten
Wie Kollege und Röhrenexperte Roland Kraft in seinen Beiträgen schon oft berichtet hat, klingen Glaskolbengeräte nicht immer dezidiert „warm und rund“. Die Pro-Ject Pre Box RS tönte allerdings exakt so.
Sie spielte sich an der Aktiv-Box ELAC NAVIS ARF-51 aus den unteren Mitten und dem Oberbass nach oben durch und bezirzte die Tester mit einem „saftigen“ Klang, der ein wenig Extra-Drama, eine ganz leicht euphonische Färbung und im Stimmbereich viel an Atmosphäre in den Hörraum brachte. Kool & The Gangs Dance-floor-Klassiker „Fresh“ klang auf diese Weise herrlich prall.
Schwächen der 84er-Produktion („Emergency“) wurden so sanft überspielt. Nur eine ganz leichte Rauigkeit bei S-Lauten fiel zunächst noch auf, die bei zunehmer Spieldauer aber gar kein Thema mehr war. Was der Schreiber auch bemerkte: Ältere Aufnahmen, zum Beispiel „School’s Out“ von Alice Cooper, gingen einem trotz ihres historischen und komplexen Klangbilds aus dem Jahre 1972 wirklich nie auf den Nerv. Wenn das mal keine charmante Eigenschaft für ein kleines HiFi-Gerät ist.
Fazit
Der kleine Pro-Ject-Vorverstärker überrascht mit Doppel-Mono-Aufbau und Röhren. Klanglich ein echter Charmeur und nicht das letzte Wort in Sachen Neutralität und Dynamik. Dafür verführt er mit einem prallen Sound, der schwache Aufnahmen aufwertet.