Lautsprecher mit Keramik-Hochtöner
Canton B100 im Test
Hochgewachsen, vier Chassis, darunter eine echte Keramik- Membran – was würden Sie dafür als Preis ansetzen? Seien Sie überrascht: Canton bricht mit allen Spielregeln. Lesen Sie unseren Test hierzu.

Jetzt wird es unsittlich. Alle sensiblen Gemüter sollten an dieser Stelle weiterblättern. Denn Canton untertreibt maßlos. Zwei hochgewachsene Standboxen kosten hier 1390 Euro das Paar.
Da muss ein Missverständnis vorliegen. Wie kann man für diese Summe ein Gehäuse zimmern, dazu wunderbaren Lack und noch edle Chassis oben drein?
Es wird ein Rätsel bleiben. Wir hoffen aber beständig, dass Canton mit der B 100 kein Minus-Geschäft schreibt. Vermutlich liegt es daran, das diese Standbox nur über den hauseigenen Webstore vertrieben wird.
Was hingegen für dieses Testfeld als gemeinsamer Faktor gilt: Es gibt sogar ein Keramik-Chassis. Das klingt in der Höhe. In der Grundarchitektur liegt es unter dem Mitteltöner. Darunter noch zwei mächtige Bassproduzenten.
Der Hochtöner springt bei 3000 Hertz an, dann folgt der Mitteltöner, ab 300 Hertz wird im Basskeller gerumpelt. Nominell erstreckt sich der komplette Frequenz bereich von 20 bis 40 000 Hertz. Alles passt, nur eben der Preis nicht.
Was wir an diesem Lautsprecher lieben: Er wurde komplett in Deutschland erdacht. Frank Göbl ist der amtierende Großmeister in der Canton-Entwicklung. Er denkt nicht nur, er konstruiert nicht nur – er gibt seine Entwürfe nur über das eigene Hörerlebnis frei.

Hier trifft technisches Wissen auf gute Ohren. Und: Frank Göbl ist ein Dynamik-Junkie. Es kann gar nicht genügend Push geben. Wer einen Canton-Lautsprecher kauft, kann sich sicher sein, dass ihn das Klangbild anspringt. Schnell muss es sein, ideal auch mit sattem Druck in der Tiefe.
Nun ist Frank Göbl aber kein Berserker. Er mag es abstreiten, doch im Kern ist er ein Feingeist. So wirkt die B 100 hoch gewachsen und elegant. Zu haben in hochglänzendem Weiß oder Schwarz. Das Finish ist hervorragend, so muss feiner Lack aussehen.
Dazu gibt es noch massive Traversen am Boden, fein verstellbar und parkettschonend. Nochmals zu der technischen Feinkost. Die Höhe deckt eine Keramikmembran mit 25 Millimetern im Durchmesser ab.
Ein Paar Zentimeter darüber schwingt ein Mitteltöner aus Titanium mit 18 Zentimetern. Die Tiefe stemmen zwei weitere Titanium-Chassis mit 20 Zentimetern.
Als Zugabe gibt es ein vergoldetes Bi-Wiring-Terminal. Die Frontbespannung hält natürlich magnetisch. Stramme 24 Kilogramm kommen pro Lautsprecher auf die Waage.
Wer die B 100 umrundet, muss sich wundern. Wo ist denn die Bassreflexöffnung – oder ist dies gar ein geschlossenes System? Die Finger weisen den Weg – einfach einmal die Unterseite abtasten, hier liegt in der Mitte die gesuchte Bassreflex-Öffnung.

Elegant und auch effektiv – die Aufstellung, selbst wandnah, sollte kein Problem bereiten. Eröffnen wir unseren Testreigen doch einmal mit Deutsch Rock.
Marius Müller-Western hagen ist nicht wirklich alt geworden. Er hat es immer noch drauf. „Das Pfefferminz-Experiment“ ist ein Super-Album. Als ob MMW nach Texas aus gewandert wäre. Viel Country Sound blitzt hier auf.
Die Gitarren schreien nach Erlösung, der Blues fiebert, die Abmischung ist perfekt – viel Dynamik, Raum und natürlich die Singstimme vor den Membranen. Die Canton verliebte sich in diesen Sound. Klasse die Gegenwart aller Informationen. Das drückte uns in das Hörsofa.
Dann die Hymne auf „Dicke“. Erst künstlerisch verfremdet, aber dann der offene Himmel und mächtige Tiefbass-Schläge, viele Saiten, böser Text. Das machte großen Spaß an der B 100.
Weiter zum großen klassischen Gedeck: Die legendäre Analog Aufnahme der „Planeten“ von Gustav Holst, Zubin Mehta dirigiert das philharmonische Orchester von Los Angeles.
Mit dem ersten Track „Mars“ marschiert eine symphonische Show in Cinemascope ein. Wenn das Fortissimo hereinbricht, darf ein Lautsprecher vieles, nur nicht komprimieren.
Die Canton vollführte den großen dynamischen Rausch, das war wuchtig und ehrlich, reich und großformatig. Das spielte weit über Preisklasse. Canton müsste Staatsgelder bekommen, angesichts dieser kulturell bedeutenden Leistung.
Fazit
Der Preis ist nicht nur heiß. Er ist unverschämt klein. Hier stellt Canton ein ganz großes Klangbild in den Raum. Das Finish ist elegant, wertig. Das Konzept ist anspruchsvoll. Hier wird echtes High-End mit mächtig freudiger Spiellaune kombiniert.