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Strahlenexperte im Interview: "Höhere SAR-Werte auf dem Land"

Autoren: Redaktion connect und Bernd Theiss • 11.5.2010 • ca. 2:35 Min

connect: Herr Dr. Georg, sind die Ergebnisse Ihrer Studien überraschend? Dr. Georg: In gewisser Weise, ja. Denn bisher fehlten aussagekräftige Messungen unter realen Bedingungen. Hier sind wir die Ersten, die umfassende Ergebnisse vorlegen. Dass die Regelalgorithmen der Mobilfunknetze einen groÃ...

connect: Herr Dr. Georg, sind die Ergebnisse Ihrer Studien überraschend?

Dr. Georg: In gewisser Weise, ja. Denn bisher fehlten aussagekräftige Messungen unter realen Bedingungen. Hier sind wir die Ersten, die umfassende Ergebnisse vorlegen. Dass die Regelalgorithmen der Mobilfunknetze einen großen Einfluss auf die Strahlenexposition haben, war von vorneherein zu vermuten. Auch, dass auf dem Land mit schlechter Mobilfunkversorgung höhere SAR-Werte gemessen werden als in gut versorgten Städten, war zu erwarten.

connect: Gibt es nach Ihrer Meinung Orte, an denen Sie das Telefonieren nicht empfehlen würden?

Dr. Georg: Bei den Messungen in den beiden Projekten ging es um Sendeleistung und SAR-Werte bei der Handynutzung. Die Beurteilung der biologischen Wirkung dieser Größen war nicht die Aufgabe.

Für die medizinische Erforschung von etwaigen Strahlen-folgen ist es äußerst wichtig, die tatsächlich auftretenden Werte zu kennen. Hier liefern wir Daten, die deutlich realistischer sind als Abschätzungen, die auf der maximal möglichen Strahlenbelastung beruhen. Das kann den Medizinern helfen, bei ihrer Forschung die richtigen Prämissen zu setzen.

Wer seine Strahlenbelastung aufs absolute Minimum reduzieren will, könnte mit einem Headset telefonieren. Auch Handys, die sich auf UMTS-Betrieb schalten lassen, vermeiden in dieser Betriebsart höhere Strahlungswerte. Wenn man will, kann man seine Telefonierdauer davon abhängig machen, ob man in einem GSM- oder UMTS-Netz eingebucht ist.

connect: Mobilfunkgegner sehen in Sendemasten die größte Bedrohung. Können Ihre Messungen das bestätigen?

Dr. Georg: Hauptsächlich haben wir uns mit der Strahlungswirkung durch die Handys beschäftigt. Doch bei den Messungen wurde auch die Leistung gemessen, die von den Mobilfunkstationen beim Handy ankommt. Wenn man die Pegel umrechnet, sieht man, wie wenig von der Strahlungsleistung übrigbleibt. Die Zonen, in denen sich Menschen nicht dauernd vor Sendemasten aufhalten sollen, liegen für den Normalbürger nicht erreichbar auf den Dächern oder im Luftraum vor den Antennen.

connect: Gibt es Unterschiede im Strahlungsverhalten zwischen GSM auf 900 und 1800 Megahertz?

Dr. Georg: GSM hat bei 900 MHz die doppelte Maximalleistung gegenüber GSM auf 1800 MHz. Zudem reduziert GSM auf 900 MHz die Leistung meist etwas langsamer und kann sie laut Standard auch nicht auf ganz so tiefe Werte herunterfahren.

connect: Und was ist mit dem grundlegenden Unterschied zwischen den Mobilfunkstandards der zweiten (GSM) und dritten (UMTS)Generation?

Dr. Georg: Stellen Sie sich Mobilfunk wie eine Party mit lauter Pärchen vor. Jeder darf sich nur mit seinem Partner unterhalten. Damit es keine Verständigungsschwierigkeiten gibt, wird bei GSM festgelegt, dass sich jedes Paar nur eine bestimmte Zeitspanne unterhalten darf. Die anderen müssen währenddessen schweigen.

So funktioniert GSM mit separaten Zeitschlitzen für jede Verbindung, und da ist ein mit zu viel Leistung sendendes Handy nicht schlimm. Bei UMTS jedoch spricht jedes Paar gleichzeitig in einer anderen Sprache, dem Spread-Spectrum-Code. Und da jeder seine Sprache aus einem großen Gewirr heraushören muss, verstehen sich alle, solange niemand zu laut wird.

Deshalb sind bei UMTS alle bemüht, immer mit geringstmöglicher Leistung zu senden, damit kein Code den anderen übertönt.Deshalb verursacht UMTS in aller Regel auch deutlich geringere SAR-Werte als GSM.

connect: Sie haben von den niedrigen Strahlungswerten in Halle 13 auf der CeBIT berichtet. Ist Ihnen bewusst, ob Netzbetreiber auch in gut versorgten Stadtgebieten mit weniger Leistung und effektiveren Regelalgorithmen arbeiten?

Dr. Georg: Um in innerstädtischen Gebieten einer großen Anzahl an Menschen mobiles Telefonieren zu ermöglichen, müssen die nur über eine begrenzte Verbindungskapazität verfügenden Zellen sehr klein bleiben. Und daher sind auch nur geringe Leistungen nötig, damit die Mobilfunkstation das Handy und das Handy die Mobilfunkstation hören kann.