Smartphone nicht nur für ThinkPad-Nutzer

Motorola Thinkphone im Test

18.4.2023 von Andreas Seeger

Das neue Thinkphone von Lenovo und Motorola richtet sich vor allem an Unternehmen. Im Test zeigen wir aber, warum es auch für Privatkunden sehr interessant sein kann.

ca. 5:55 Min
Testbericht
VG Wort Pixel
  1. Motorola Thinkphone im Test
  2. Motorola Thinkphone im Kameratest
  3. Motorola Thinkphone: Messwerte & Testergebnisse
Motorola Thinkphone im Test
Motorola Thinkphone im Test
© Motorola
EUR 924,03
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Pro

  • für die Größe sehr leicht
  • sehr gute Haptik mit samtiger Rückseite
  • aus Aramidfaser
  • robustes Gehäuse mit IP68/MIL 810H
  • kontraststarkes OLED mit 144 Hz
  • sehr guter Software-Support
  • umfassende Connectivitiy mit Wi-Fi 6E
  • und Desktop-Modus
  • Smartphone-Kamera als PC-Webcam
  • Cover und schnelles Netzteil dabei
  • lange Akkulaufzeit
  • gute bis sehr gute Funkeigenschaften

Contra

  • Akustik nur befriedigend
  • Kamerasystem bietet auf dem Preisniveau
  • zu wenig
  • kein Always-on-Display

Fazit

connect-Urteil: sehr gut (425 Punkte)


85,0%

Seit das iPhone seinen Siegeszug in Unternehmen angetreten hat, ist die Kategorie Business-Smartphone eigentlich tot. Das hat nicht nur mit der neuen Arbeitswelt zu tun, in der Geschäftliches und Privates nicht mehr so scharf trennbar sind. Es geht auch darum, dass die Eigenschaften, die ein Business-Smartphone früher ausgezeichnet haben – lange Akkulaufzeit, guter Empfang, etc. – von den meisten Smartphones mehr oder weniger gut beherrscht werden. Und zu guter Letzt spielt auch die schlichte Tatsache eine Rolle, dass zwei Geräte schwerer in der Tasche liegen als eines.

Umso überraschender kam daher Anfang 2023 die Ankündigung von Lenovo (hier unsere News dazu), mit dem Thinkphone ein „unvergleichliches Business-Smartphone“ herauszubringen. Kurz fühlte es sich an, als hätten die Neunzigerjahre angeklopft. Doch wenn man genauer hinschaut, kommt man zu dem Schluss, dass hinter der vermeintlichen Strategie von Vorgestern ein cleverer Schachzug steckt.

Denn erstens lehnt sich der Markenname gekonnt an die weltbekannte Notebook-Marke Thinkpad an, die mittlerweile das Aushängeschild des chinesischen Tech-Riesen Lenovo ist. Dieser kann zweitens über seine etablierten Thinkpad- Vertriebskanäle gezielt für das Thinkphone trommeln, nach dem Motto: Zu den 200 Notebooks legen wir noch 50 Thinkphones für einen günstigen Bundle-Preis obendrauf. Das Smartphone als Bonus zum Notebook – so könnte es funktionieren, besonders gut sogar, wenn das Thinkphone ein gutes Produkt ist. Ist es das?

Motorola Thinkphone im Test - Screenshots
(links) Motorolas My UX steht in angenehmem Kontrast zu den überladenen Oberflächen asiatischer Marken. (Mitte) Alle herstellerspezifischen Extras sind in der App „Moto“ gebündelt, auch die legendäre Hack-Geste. (rechts) Was weiter fehlt bei Motorola ist ein Always-on-Display. Warum darauf verzichtet wird, ist ein Rätsel.
© connect

Motorola Thinkphone: Rückseite aus Kevlar

Nach dem Erstkontakt fällt das niedrige Gewicht auf. Angesichts der Größe erwartet man einen Boliden mit mindestens 200 Gramm Gewicht, die 189 Gramm liegen daher umso luftiger in der Hand. Verantwortlich dafür ist auch die Rückseite, die aus Aramidfaser besteht, einem mit Carbon vergleichbaren Material, das in Deutschland besser bekannt ist unter dem Namen Kevlar. Es ist leicht und extrem widerstandsfähig (fünfmal so fest wie Stahl), daher wird es unter anderem in Schutzwesten verwendet.

Die samtige Oberfläche fühlt sich sehr gut an und entwickelt zusammen mit dem mattierten Aluminiumrahmen eine exzellente Haptik. Der Rahmen ist plan geschliffen und umläuft das Gehäuse auf der gesamten Breite der Seitenfläche. Das hinterlässt einen sehr stabilen Eindruck, der in der Praxis bestätigt wird: Auch bei großem Kraftaufwand ist das Thinkphone sehr verwindungssteif. Und nicht nur das: Die Zertifizierungen MIL STD 810H und IP68 weisen es als besonders stoß- und wasserfest aus. Motorola spricht davon, dass Stürze aus bis zu 1,25 Metern Höhe weggesteckt werden.

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Motorola Thinkphone: Ausstattung & Connectivity

Die erste Generation reicht Das 6,55 Zoll große OLED überzeugt mit sehr guten Messwerten – Motorola hat ein hochwertiges Panel eingebaut, das zudem mit der Bildwiederholrate von 144 Hertz bewegte Inhalte besonders weich darstellt. Unter dem Display gibt mit dem Qualcomm Snapdragon 8+ Gen 1 ein leistungsstarkes SoC den Takt vor. Es handelt sich nicht um die neueste Modellgeneration von Qualcomm (Snapdragon 8 Gen 2), die man etwa in Samsungs S23-Serie und in den 13ern von Xiaomi findet, weshalb in Benchmarks grob gerechnet etwa 20 Prozent weniger Punkte erreicht werden.

In der Praxis fällt der Unterschied allerdings nicht ins Gewicht, alle Anwendungen laufen pfeilschnell über das Display und auch das Desktop-Computing über Motorolas Ready For, das hohe Anforderungen an die Performance stellt, meistert das Thinkphone souverän. Der Arbeitsspeicher ist mit 8 GB für diese Preisklasse etwas knapp bemessen, zum guten Ton gehören hier eigentlich 12 GB. Klassentypisch fällt dagegen mit 256 GB der interne Speicher aus, auch der Verzicht auf eine Erweiterungsmöglichkeit per microSD ist mittlerweile normal.

Weil Motorola auf ein schlankes Android ohne eigenes Oberflächendesign setzt, ist ab Werk erfreulich viel Speicher frei: mit 238 GB knapp 10 GB mehr als beim Xiaomi 13. Die schlichte Optik steht in einem angenehmen Kontrast zu den bunt-verspielten Icons und Symbolen asiatischer Hersteller wie Samsung & Co.

Die Connectivity ist mit 5G, Wi-Fi 6E und DisplayPort nahezu vollständig, einzig Ultra Wide Band fehlt. Vermisst haben wir außerdem eine eSIM, Dual-SIM ist einzig in Form zweier Nano-SIM-Karten möglich. Bluetooth wird in der aktuellen Version 5.3 unterstützt, dank LDAC und aptX Adaptive kann man auch kabellos HiRes hören, wenn gewünscht. Die Stereolautsprecher werden Hi-Fi-Enthusiasten nicht voll überzeugen, der Sound ist nicht so druckvoll wie bei anderen Top-Smartphones.

Online-Siegel
Sehr gut
MotorolaThinkphone
April 2023

Thinkphone wird bleiben

Motorola legt einen 68-Watt-Netzstecker in den Lieferkarton, der den Standard USB PD 3.0 unterstützt, sodass damit auch die meisten Notebooks (nicht nur Thinkpads) aufgeladen werden können. Ein transparentes Case komplettiert den Lieferumfang, der erfreulich umfangreich ausfällt.

Auch die Laufzeit zaubert ein Lächeln ins Gesicht, denn mit knapp 13 Stunden in unserem genormten Testverfahren sind auch bei intensiver Nutzung anderthalb Tage ohne Steckdose möglich. Mit dem 68-Watt-Schnelllader ist der Akku nach etwa 45 Minuten wieder bei 100 Prozent, allerdings hat unser Testgerät bei 50 Prozent das schnelle Laden gestoppt und ließ sich erst nach einem Reconnect wieder dazu bewegen – ein Software-Update wird hier sicherlich Abhilfe schaffen. Der Support-Zeitraum ist mit drei neuen Android- Versionen und vier Jahren Sicherheitsupdates sehr gut.

Die Sprachqualität überzeugt dagegen weniger, was vor allem der Akustik in Senderichtung geschuldet ist – wer mit dem Thinkphone telefoniert, wird also nicht optimal vom Gegenüber verstanden. Auch hier gehen wir von einem zügigen Update aus.

Die Funkeigenschaften sind dagegen ohne Fehl und Tadel, im 5G-Netz überzeugt die Sendeleistung im für Deutschland wichtigen 3,6-GHz-Band auf ganzer Linie. Lenovo hat in Verbindung mit der US-Tochter Motorola also eine neue Marke erfolgreich aus der Taufe gehoben.

Von einigen Kinderkrankheiten abgesehen ist das Thinkphone ein Begleiter, den man gerne in der Tasche hat, nicht nur im Business- und Thinkpad-Umfeld. Mit einer Einschränkung: Wer viel mit dem Smartphone fotografiert, findet bei anderen Herstellern die bessere Kameraausstattung.

Sicherheit in einer App gebündelt

Moto Secure ist die erste Anlaufstelle für alle Sicherheits- und Datenschutzfunktionen.

In der App können Nutzer den Schutz ihres Smartphones überprüfen und steuern und haben einfachen Zugriff auf alle zugehörigen Android- und Motorola-Apps und Einstellungen. Moto Secure kommt zudem mit einem Feature, dass man bei Motorola-Smartphones immer vermisst hat: geschützte Dateien und Apps, die nur per PIN oder Biometrie zugänglich sind. Nun gibt es sogar die Möglichkeit, einen verdeckten Modus zu aktivieren, der vorher festgelegte Symbole und Namen einblendet, anstatt die Apps innerhalb eines Ordners sichtbar anzuzeigen. So kann man Finanz-Apps, digitale Geldbörsen, Shopping-Apps oder E-Mail-Konten hinter einem diskreten Symbol und Etikett verbergen.

Motorola Thinkphone im Test - Screenshots Sicherheit
(links) Auf der Startseite der Moto-Secure-App findet man auch ein Datenschutz- Dashboard. (Mitte) Im geschützen Ordner kann man App-Symbole und Namen zusätzlich tarnen. (links) Genauso ausgefuchst ist das wechselnde PIN-Layout des Sperrbildschirms.
© connect

Eine weitere Funktion von Moto Secure ist der Netzwerkschutz. Durch Aktivierung werden Benutzer automatisch benachrichtigt, wenn ein Hotspot oder ein WLAN-bezogenes Sicherheitsproblem erkannt wird. Außerdem können bestimmte Apps daran gehindert werden, offene Verbindungen zu nutzen. Es gibt noch weitere interessante Features, die man in dieser Form nicht bei anderen Herstellern findet: Über Aktivierung der „Sperrbildschirmsicherheit“ kann man verhindern, dass jemand das mobile Netzwerk oder das Wi-Fi auf einem gesperrten Gerät ausschaltet. Einem Dieb ist es so nicht mehr möglich, das mobile Netzwerk oder das WLAN auszuschalten, um zu verhindern, dass der Benutzer sein verlorenes Gerät wiederfindet. Damit sich neugierige Augen das Muster der gedrückten Zahlen der Bildschirmsperre nicht merken können, aktiviert man „Wechselndes PIN-Layout“, das das Zahlenlayout des Eingabebildschirms jedes mal neu durchmischt.

Das Phone als Desktop

Mit der App Ready for gelingt Motorola eine überzeugende Verbindung.

Lenovo betont beim Thinkphone die „Think2Think“-Konnektivität mit dem Thinkpad, hinter der die besonders enge Anbindung an das Notebook steht – eine einheitliche Zwischenablage etwa ermöglicht die einfache Übertragung von kopiertem Text oder Fotos, Dokumenten und Videos zwischen den Geräten per Copy&Paste. Aber die Technologie ist nicht auf Thinkpads beschränkt, sondern kompatibel mit jedem Windows PC (ab Version 10). Erforderlich dafür ist die Installation von Motorolas „Ready For“-Client.

Motorola Thinkphone im Test - Screenshots Phone als Desktop
(links) Der Ready-For-Assistant, den man auf der Website von Motorola findet, ist die Steuerzentrale für das Thinkphone auf dem PC. (rechts) Die meisten Funktionen findet man in ähnlicher Form bei Samsung. Einzigartig ist dagegen der Webcam-Modus.
© connect

Danach kann man Android-Apps auf dem PC starten, die Kamera des Thinkphones als Webcam benutzen oder wie bei Samsung DeX einen Desktop-Modus aktivieren, der eine vom PC gewohnte Oberfläche bereitstellt. Letzterer macht natürlich mehr Sinn, wenn man das Smartphone mit einem TV oder Monitor verbindet, was mit dem Thinkphone ebenfalls sehr einfach möglich ist.

Wie man es auch macht: Motorola bietet neben Samsung die überzeugendste Verbindung von Smartphone und TV, Monitor, Computer.

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