Energiemanagement im Smart Home
Smart Grid - Die Zukunft der Stromversorgung
Die Energiewende benötigt nicht nur saubere Quellen. Ähnlich wie in der Telekommunikation steht auch am Strommarkt ein Wandel der Tarife und Netzstrukturen an. connect wagt einen Blick in die Smart Grids der Zukunft.

Auf dem Dach des Einfamilienhauses glitzern etwas mehr als zehn Quadratmeter Solarzellen in der Morgensonne. Hier wohnt Dr. Christian Feißt mit seiner Familie. Er begrüßt seine Besucher auf der Terrasse unter einer großen Markise. Daneben kräuselt sich die Wasseroberfläche des Pools im heißen Augustwind. Dr. Feißt ist einer der Menschen, die sich daran gemacht haben, die schon etwas abgenutzte Worthülse „Energiewende“ mit Leben zu füllen.
Der unaufgeregte 42-Jährige ist Geschäftsführer des jungen Unternehmens Beegy, dessen Firmenname die beiden Worte „Better Energy“ abkürzt. Bessere Energie, könnte das Strom mit mehr Leistung pro Kilowattstunde sein? Oder besonders schneller Strom? Beides geht natürlich technisch nicht. Um bessere von normaler Energie zu unterscheiden, muss man etwas ausholen. Etwa in die Art und Weise, wie Strom künftig produziert und vermarktet wird.
Von Cisco zum Energiedienstleister
Christian Feißt war in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts beim US-Technologiekonzern Cisco Systems beschäftigt. In dieser Zeit trat der ehemalige CEO John Chambers eines Tages vor den Chefs großer Telekom-Konzerne auf die Bühne und proklamierte: „Voice will be free!“, Telefonanrufe werden nichts mehr kosten. Router übrigens auch nicht, soll er hinzugefügt haben. Da hatte Chambers die Lacher auf seiner Seite. Heute ist seine Vision Realität. Fast alle TK-Kunden nutzen Flatrates, in denen sie nicht jedes einzelne Gespräch bezahlen, sondern eine monatliche Pauschale, in der die meisten Dienste inbegriffen sind – die lästigen Billigvorwahlen kann man sich heute sparen.

„Im Strombereich muss man sich diese Frage auch stellen“, so Feißt. „Bei der Stromerzeugung aus Wind oder Sonne haben wir Grenzkosten gegen Null. Es bleiben nur Investitionen in Erzeugungsanlagen und die Netzinfrastruktur.“ Kunden zahlen heute aber lediglich einen geringen Grundpreis und dafür recht hohe Kosten für den Strom pro Kilowattstunde. Ein Großteil davon geht in Netzentgelte und andere Umlagen. Wer also viel Strom über eine Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach produziert, der beteiligt sich weniger an der Infrastruktur als diejenigen, die sich das nicht leisten können. „Das ist ungerecht“, meint Feißt, der selbst dank Solardach und Blockheizkraftwerk fast energieautark lebt.
Doch das öffentliche Netz benötigt er ebenso wie alle anderen dezentralen Erzeuger. Zum Beispiel, um überschüssigen Strom einzuspeisen. Solche Haushalte nennen Fachleute „Prosumer“ – sie sind zugleich Strom-Erzeuger (Producer) und -Verbraucher (Consumer).
Strom erzeugen und selbst nutzen
Wer sich heute eine eigene Solaranlage aufs Dach montiert, der sollte möglichst viel seines erzeugten Stromes selbst verbrauchen. Überschüssige Energie kann man zwar zu einem im „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) festgelegten Preis ins Netz einspeisen, doch der ist mittlerweile viel geringer als die Kosten für Strom aus dem Netz. Deshalb werden Solaranlagen immer häufiger mit Hausbatterien kombiniert, die tagsüber Strom speichern, um ihn abends für Verbraucher im Haushalt zu liefern. So lässt sich etwa auch die Beleuchtung mit eigenem Sonnenstrom betreiben. Daneben kann überschüssige Energie beispielsweise einen großen Wasserspeicher erhitzen, der in der Übergangszeit das Haus heizt. Auch E-Autos lassen sich mit Sonnenstrom laden – oder aus der Hausbatterie, wenn die vor einem sonnig vorhergesagten Tag noch Ladung übrig hat.
Damit alle Erzeuger und Verbraucher reibungslos zusammenspielen, ist allerdings eine gute Steuerung notwendig, die festlegt, wann welche Batterie geladen, das Wasser beheizt oder das Auto aufgetankt wird. Das ist Regelungstechnik pur – Smart Home für Erwachsene. Dafür gibt es immer mehr Lösungen, wie etwa die Steuerungsbox „RWE Easy Optimize“.

Komplettsystem mit Entwicklungspotenzial
Beegy, das Unternehmen von MVV, BayWa und weiteren Partnerfirmen, macht all das auch, liefert die notwendigen Komponenten inklusive Steuerungstechnik aus einer Hand und setzt noch eine Einspargarantie obendrauf: Mindestens 50 Prozent weniger Kosten gegenüber dem bisherigen Strombezug aus dem Netz verspricht der Anbieter. Im nächsten Schritt sollen sich alle Beegy-Kunden als eine Art virtuelle Energie-Community vernetzen. Das Steuerungsgateway optimiert dann nicht mehr nur den Eigenverbrauch seiner Kunden, sondern stellt auch eine Verbindung zur zentralen Leittechnik des Anbieters her. Überschüssige Strommengen lassen sich dann über die Community ebenso am Strommarkt verkaufen wie ungenutzte Speicherkapazitäten.
Solche Funktionen stecken schon heute in den Steuerungsgateways – nicht nur bei Beegy, auch in der Schwarmenergie vom Stromanbieter Lichtblick oder in RWE Easy Optimize. Nur sieht der Strommarkt solche Möglichkeiten für Privathaushalte bislang nicht vor. Die Einspeisung ins Netz erfolgt stets nach den Regeln und Preisen des EEG, eine Nutzung von Hausbatterien als Netzpuffer ist bis dato ebenfalls nicht geplant – der digitale Stromzähler würde heute automatisch den hohen Preis für regulär gekauften Strom registrieren und bei der Rückführung ins Netz die geringere EEG-Vergütung.
Spannend wird das Ganze, sobald die Bundesregierung und der Bundestag im nächsten Jahr die geplante Neuordnung des Strommarktes verabschiedet haben. Die künftigen Markt- und Tarifregeln sollen Energieverbünde wie vernetzte Erzeuger oder Quartierspeicher in der Praxis möglich machen. Denn dafür sind zeit- oder nachfrageabhängige Tarife ebenso notwendig wie flexiblere Möglichkeiten, um Strom ins Netz einzuspeisen oder zu verteilen.
„Unsere 50-prozentige Einspargarantie ist nur der erste Schritt“, erklärt Dr. Feißt. Neben Hausbatterien will er künftig auch Wasserspeicher oder Wärmepumpen in das Beegy-Netzwerk zu Hause einbinden, was den Eigenverbrauchsanteil noch weiter steigern dürfte. Und er will die Kapazitäten seiner Kunden vernetzen und vermarkten – sobald die Rahmenbedingungen dafür am Markt bestehen.
Keine Komplexität für den Kunden
Das Zusammenspiel zwischen all diesen Komponenten ist technisch sehr anspruchsvoll, zumal Solaranlagen, Hausspeicher, Wechselrichter und Steuerungsgeräte von unterschiedlichen Herstellern kommen. Beegy setzt für die Kommunikation zwischen den Geräten auf den Standard EEBus, der sich derzeit in der finalen Standardisierung befindet.
Kunden sollen freilich nicht mit der Kommunikation zwischen den Systemen behelligt werden. Der Anbieter will ihnen diese Komplexität abnehmen – technisch ebenso wie etwa beim Tarif und der Abrechnung. Wenn also künftig die Stromerzeugung aus der eigenen Solaranlage mit Strom ergänzt wird, den Windräder oder ein Quartierspeicher von außen liefern, dann bleiben theoretisch nur noch Kosten für die Erzeugungsanlagen, das Netz und die Steuerungstechnik. Dann schließt sich der Kreis von Ex-Cisco-Chef John Chambers über Sprach-Flatrates und die dezentrale Energiewende bis zu neuen, einfachen Tarifoptionen: Auch wenn Energie nie ganz umsonst sein wird, ist die Zeit dann reif für eine Flatrate.