Yamaha A-S1200 im Test
Mit der X200-Serie feiert HiFi-Urgestein Yamaha den Retro-Charme seiner Vollverstärker. Der A-S1200 überzeugt im Test zudem mit inneren Werten.

Florian Goisl zählt im Tross der begeisterungsfähigen AUDIO-Mitarbeiter eher zu den bedächtigen Geistern. Der Mess-Ingenieur im Testlab, dem europaweit führenden Messlabor für HiFi-Zeitschriften, weiß um das wache Interesse des Autors an den von ihm ermittelten Daten. So ist an dieser Stelle e...
Florian Goisl zählt im Tross der begeisterungsfähigen AUDIO-Mitarbeiter eher zu den bedächtigen Geistern. Der Mess-Ingenieur im Testlab, dem europaweit führenden Messlabor für HiFi-Zeitschriften, weiß um das wache Interesse des Autors an den von ihm ermittelten Daten. So ist an dieser Stelle ein begeistertes Lob für Goisls Arbeit angebracht, die er zudem gerne und eingehend diskutiert und erklärt.
Als er unlängst den Vollverstärker Yamaha A-S1200 auf dem Tisch hatte, tippte er in seine Excel-Tabelle für den Tester vorsorglich in eine Zeile „nachgeprüft, ist wirklich so“ ein.
Es war die Zeile für den Fremdspannungsabstand des integrierten Vorverstärkers für Moving-Coil-Tonabnehmer. Dass die dort vermerkten 80 Dezibel beim Schreiber dieser Zeilen ungläubiges Staunen hervorrufen würden, hatte der erfahrene Techniker vorausgesehen. Dieser Wert ist schlicht und einfach sensationell. Vor allem, wenn man bedenkt, dass er sich bei diesem kleinsten Verstärker aus Yamahas neuer X200-Serie nicht auf eine hochspezialisierte Phonostufe bezieht, sondern auf ein Feature eines Vollverstärkers für 2.000 Euro.

Der Autor liest da die Prospekt-Prosa der Hersteller immer mit Skepsis – auch die Yamaha-Bedienungsanleitung fabuliert hier von 90 dB –, weil die Eckdaten nicht normiert sind. Auf die immer bei 0,5 Millivolt auf 10 Volt ermittelten Werte des Testlabs ist hingegen Verlass, sie sind vergleichbar.
Und in dieser Disziplin schneidet der A-S1200 eben überragend ab. MC-Stufen, die bei einem Gain (Spannungsverstärkung) von 60 dB – was Verstärkungsfaktor 1000 entspricht – auf Fremdspannungsabstände von mehr als 70 dB kommen, machen ihren Job schon lobenswert rauscharm, die 80 dB des Yamaha setzen da mal eine Marke. Aber auch die restlichen Messwerte überzeugen beim Benjamin der Serie, die auch noch den größeren A-S2200 (3.000 Euro) und den kapitalen A-S3200 (5.500 Euro) umfasst.
Yamaha A-S1200 - aufs wesentliche konzentriert
Äußerlich fällt an allen Dreien das Frontdesign mit im Vergleich etwa zu Accuphase oder McIntosh kleinen VU-Metern auf, das die einen als klassisch, die anderen als Retro, wohl alle aber als sachlich bezeichnen würden. Die schönen Holzwangen veredeln den Look erheblich. Alle drei Vollverstärker konzentrieren sich auf das Wesentliche, nämlich die Verstärkung von analogen Eingangssignalen.
Das Wandeln von Nullen und Einsen in einem Digital-Analog-Konverter lassen sie außen vor – und es spricht ja auch viel dafür, das DAC-Geschäft den Quellen respektive Zahlenspezialisten zu überlassen. Die Schaltung im symmetrisch aufgebauten Inneren folgt der „True Sound“-Philosophie des Traditionsherstellers, der 2020 sein 66-jähriges HiFi-Jubiläum feierte.
Schon im A-S1200 basiert alles auf einer soliden Stromversorgung, für die ein imposanter Ringkerntrafo, fast so hoch wie breit, mit eigenen Abgriffen für die Kontrolleinheit und den Vorverstärker, für die Eingangsstufe der Endstufen und für die „floatend“, netzerdefrei versorgten Endstufen selbst. Alles wirkt seriös, durchdacht und mit sinnvollen Details wie manierlicher Innenverkabelung und höhenverstellbaren Füßen aufgewertet.
Hörtest
Das Ergebnis gibt den Yamaha-Entwicklern recht. Ohne eine Spur von Krätzigkeit oder Agressivität stieg schon der fabrikneue, frisch ausgepackte Verstärker in die filigranen Strukturen des Alban Berg Ensembles Wien (siehe Klassik) ein.

In der Kammermusik-Bearbeitung von Gustav Mahlers Adagio aus der unvollendeten 10. Sinfonie dröselte der Japaner alles wunderbar auf, kippte auch bei überblasener Flöte oder Flageolets der Streicher nie ins Gläsern-Kreischige. Und den Lorely-Saal in Wien, in dem das Ensemble aufgenommen hat, bildete er schön plastisch ohne die übertriebene Räumlichkeit ab, mit der phaseninkohärente Verstärker bisweilen schönfärben.

Mit zunehmender Spieldauer gewann das alles noch an Geschlossenheit. Und einmal richtig warm geworden, bildete der A-S1200 genau jene packende Dynamik und jenen mitreißenden Groove aus, den auch Jazz- und Rockfans zu schätzen wissen. Zum Aufstieg in den Himmel der High-End-Amps fehlte vielleicht ganz oben noch ein Tick Luftigkeit – aber hallo, wir hörten hier keine Vor-End-Kombi für 20.000 Euro, sondern einen Vollverstärker für ein Zehntel.
Und für dieses Geld bietet der neue Japaner auch Schallplattenhörern schon ein himmlisches Vergnügen. Mit einer ganzen Reihe der in diesem Heft im Vinyl-Teil vorgestellten Scheiben zog er alle Register: Whitesnake ließ er kraftvoll abrocken, die Leistungsreserven reichten locker für Hosenflatter-Pegel. Ebenso souverän ließ der Yamaha den Hörer eintauchen in die relaxten Sphären, die Jazzgitarrist John Scofield mit seinem Trio eröffnete.

Und mit der wunderbaren Stimme von Margriet Sjoerdosma schien der A-S1200 geradezu zu flirten, bevor er bei Al Di Meola wieder hochkonzentriert lospreschte. Wer braucht denn da noch Digitaleingänge? Wenn man Preis, Einsatzgebiet und Ergebnis so in Beziehung setzt, dann ist der Vollverstärker Yamaha A-S1200 wirklich ausnehmend gut entwickelt.
Fazit
Gute Vollverstärker baut Yamaha seit Jahrzehnten. Aber seit zwei Geräte-Generationen stelle ich bei den Japanern eine packendere Klangausrichtung fest, die den nüchtern-analytischen Sound abgelöst hat. Der A-S1200 zählt ab sofort zu meinen absoluten Favoriten der 2000-Euro-Klasse, auch dank seiner fantastischen MC-Stufe. Hut ab!