Entertainment: TV-Betriebssysteme im Test
Vor gar nicht allzu langer Zeit brauchten smarte Fernseher bis zu einer Minute zum Hochfahren. Neue Hardware und Betriebssysteme haben die Reaktionszeit seither ungemein beschleunigt. Wir wollten es ganz genau wissen und haben die Bedienungsgeschwindigkeit von fünf Fernsehern mit unterschiedlichen Oberflächen im Labor nachgemessen.

Wie schon bei Smartphones und dem PC ist die Wahl des Betriebssystems auch bei Smart-TVs eine Gewissensentscheidung. Erst mal zählen die Inhalte, also welche Video-on-Demand-Dienste, Gaming-Plattformen, Sprachassistenten oder Verknüpfungen mit intelligenter Haustechnik möglich sind.Hier nähern...
Wie schon bei Smartphones und dem PC ist die Wahl des Betriebssystems auch bei Smart-TVs eine Gewissensentscheidung. Erst mal zählen die Inhalte, also welche Video-on-Demand-Dienste, Gaming-Plattformen, Sprachassistenten oder Verknüpfungen mit intelligenter Haustechnik möglich sind.
Hier nähern sich die Anbieter jedoch immer mehr einander an, wobei kleinere TV-Hersteller schon lange ihre Betriebssysteme nicht mehr selbst erfinden können. Anbieter von Inhalteservices müssen nämlich ihre Apps für jedes Betriebssystem neu programmieren bzw. hardwarenahe Layer umbauen. Diesen Aufwand treiben die meisten nur für die fünf führenden Betriebssysteme.
Fire TV wurde dabei von Amazon entwickelt und setzt auf Android auf. Google TV tut Letzteres selbstverständlich auch, wird aber öfter aktualisiert und ist noch universeller. Diese beiden Anbieter stellen selbst keine TV-Hardware her (Fire TVs sind OEM-Produkte), sondern setzen auf Gewinne durch Lizenzen und Werbung.
Tizen TV hingegen basiert auf dem gleichnamigen Linux-Build, wurde von Samsung auf Fernsehhardware adaptiert und medial maximiert.
VIDAA ist das Betriebssystem von Hisense, und manche Quellen munkeln, dass zu Beginn dort unter anderem tiefgreifendes Know-how von Loewe eingeflossen war und es speziell auf die Ansprüche von Fernsehern passt.
Bei der Suche nach den Ursprüngen des LG-Betriebssystems webOS stößt man auf die kleinen Palm-PCs von HP, deren Multitasking-Softwareherz nun in besonders vielen OLED-Fernsehern weiterschlägt.
Es ist klar, dass Google TV und Fire TV von möglichst vielen TV-Marken adaptiert und lizenziert werden sollen, doch auch die anderen drei Systeme, die früher als geheimer Wettbewerbsvorteil von ihren Entwicklern exklusiv genutzt wurden, stehen nun anderen Herstellern offen zur Lizenzierung. Der Kampf der Betriebssysteme ist also in vollem Gange.
Einige TV-Marken verwenden bereits mehrere OS-Varianten für ihre Modellserien. OEM-Fabriken, die Drittmarken beliefern, haben im besten Falle alles im Portfolio.
Effizienz bringt Geschwindigkeit
In Tests von Fernsehgeräten ist uns natürlich aufgefallen, dass diese gerade bei smarten Features unterschiedlich schnell agieren. Teils klappt die Antwort auf einen Tastendruck der Fernbedienung in Nullkommanichts, teils wartet man gefühlt eine Ewigkeit. Oft sind nicht die Fernseher, sondern Server der Diensteanbieter, bei denen Daten abgefragt werden, schuld an Verzögerungen, sodass wir dafür keine Noten vergeben.
Allerdings gibt es grundsätzlich auch Kandidaten, bei denen bereits die Navigation durch Setupmenüs weniger flüssig läuft, vor allem wenn grafische Elemente im Spiel sind. Hier können wir schon eher das Betriebssystem verantwortlich machen, solange wir voraussetzen, dass die Hardware, also Prozessor, Speicher und Netzwerk, sich ähneln.
Wir erfassen und benoten bei allen unseren TV-Tests normalerweise Einschaltzeit und Kanalwechsel – Offline-Features, die die Hersteller seit Jahren erfolgreich perfektionieren. Nun wollten wir es aber mal ganz genau wissen und nachmessen, wie lange nicht nur diese Tätigkeiten, sondern auch smarte Zusatzdienste benötigen, um ausgeführt zu werden.
Dazu haben wir fünf preiswerte Fernseher gekauft – einer für jedes Betriebssystem. In der Einstiegsklasse, wo an der Hardware gespart wird, sollten sich Unterschiede in der Software am stärksten bemerkbar machen.
Zur Auswahl haben wir eine Preissuchmaschine nach den beliebtesten 43-Zoll-Geräten unter 400 Euro befragt und das günstigste lieferbare 2025er-Modell jedes Betriebssystems bei Amazon erstanden. So konnten wir ausschließen, von Herstellern mit Golden Samples versorgt zu werden.
Das Testverfahren
Um die Zeiten, die ein Fernseher vom Druck auf die Taste der Fernbedienung bis zur Anzeige von Inhalten oder Wiedergabe von Sound benötigt, zu messen, war uns eine normale Stoppuhr zu ungenau. Die Reaktionszeit des Menschen, der sie bedient, ist im Verhältnis viel zu groß. Wir haben daher die Hochgeschwindigkeitskamera unseres Labors bemüht, die bis zu 960 Aufnahmen pro Sekunde machen kann, und jeden Tastendruck aufgezeichnet.

Als akustische Signalhilfe haben wir zusätzlich einen Klicker genutzt und vergleichbare Ergebnisse für die Synchronisation von Bild und Ton erhalten wie die Profis mit Filmklappen. Die mehr als 600 Bedienaktionen, die wir dokumentiert haben, wurden am PC mit der Videoschnittsoftware DaVinci Resolve 20 von Blackmagic Design bildgenau analysiert.
So konnten wir in Zeitlupe sehr präzise Auswertungen der benötigten Reaktionszeit anfertigen. Danach wurden die Werte in Millisekunden umgerechnet, gemittelt, Diagramme erstellt und eine Bewertung errechnet.
Die Aufgaben
Neben den Zeiten für Einschalten aus dem Standby und Programmwahl haben wir neun weitere Aufgaben festgelegt, die einen etwas smarteren Hintergrund haben. Beim Zappen kommen das Skippen zwischen IPTV-Kanälen (Rakuten TV, Free TV) und die Umschaltung auf einen HDMI-Eingang hinzu.
Für Video-on-Demand haben wir die drei Marktführer YouTube, Amazon Prime und Netflix ausgewählt. Bei ersteren beiden wurde die Zeit gemessen, die für den ersten Aufruf der App nach einem Kaltstart des Fernsehers benötigt wird, bis Inhalte betreffend der angemeldeten Kontoinformationen gezeigt werden. Für den wiederholten Aufruf werden solche Apps gern im Cache gehalten und sind dann deutlich schneller.
Bei Netflix wurde die Startverzögerung von mehreren HDR-Filmen erfasst. Danach ging es zu weiteren Rechenaufgaben, nämlich dem Aufspüren von WLAN-Netzwerken, dem Abspielen von MP3-Songs eines USB-Sticks, dem Swipen von Bildern von einem Smartphone auf den TV und zu guter Letzt der komplexesten Aufgabe: der Suche nach Filmen per Spracheingabe.
Für jeden Test wurden bei jedem TV dieselben Voraussetzungen geschaffen und identische Quellen genutzt. Alles wurde zehnmal wiederholt, um Ausreißer zu identifizieren.





Exakt identische Bedingungen waren übrigens nicht möglich, schon allein, weil die Tizen- und webOS-Geräte kein Mikrofon zur Spracheingabe mitbrachten und der Fire TV keinen DLNA-Swipe in der Werksausstattung hatte. Die Spracheingabe funktionierte dann doch bei Tizen sehr gut mithilfe der "Smart Things"-App unseres Smartphones. Beim webOS behalfen wir uns mit der "Magic Remote"-Fernbedienung eines LG-OLED-Fernsehers, den wir parallel im Labor hatten. Sie wurde gepaart, und auf einmal funktionierten auf dem Einstiegs-TV auch Sprachsuche, Navigation mit Mauszeiger und KI-Assistent.
Gewaltige Unterschiede
Wie eingangs erwähnt, optimieren die Hersteller seit Jahren ihre Startzeit aus dem Standby und die Kanalwechsel. Das Programm läuft als Erstes, lange bevor das smarte Booten beendet wird. Hier sind auch die günstigen Smart-TVs mit 6 bis 8 Sekunden heutzutage unproblematisch.
Tizen und VIDAA sind jedoch nochmal deutlich fixer und brauchen nur etwas länger zum Hochfahren wie für einen Senderskip. Der liegt für Satelliten-TV bei vier Kandidaten bei sehr guten, knappen 2 Sekunden, nur webOS braucht 2,7.
Beim Wechseln der IPTV-Kanäle ließ sich Fire TV deutlich mehr Zeit als andere. VIDAA zapfte die Datenströme vielleicht schon im Voraus an und zappte dadurch viermal schneller. Genauso blitzschnell klappte hier der Aufruf der HDMI-Quelle.

Video-on-Demand-Apps sind eine Welt für sich, denn sie werden vom Inhalteanbieter programmiert und sind nicht allein von TV-Hard- und -Software abhängig. Es zeigte sich ein gewaltiger Vorsprung von webOS beim Aufruf der YouTube-App, der in nur 0,7 Sekunden erfolgte. WebOS machte in anderen Belangen einen zäheren Eindruck, brillierte hier aber offensichtlich dadurch, dass ausgewählte Apps stets angemeldet sind und Inhalte vorgeladen werden, wenn das System sich langweilt.
Tizen zeigte ein ähnliches Verhalten, die übrigen Kandidaten waren halb so schnell. VIDAA schaffte auch YouTube-Aufrufe in unter 2 Sekunden, um dann in anderen Durchläufen wieder in die Kontoauswahl zurückzufallen, was 10 Sekunden dauerte. Ähnliche Probleme hatte Google TV beim Starten der Amazon-Prime-App.
Sicherlich kann so ein Verhalten von Anbietern optimiert werden. Netflix ließ bei vier Betriebssystemen die zehn getesteten HDR-Filme in jeweils knapp über 4 Sekunden loslaufen, VIDAA hob sich hier wieder hervor mit nur 3,2.

Um zu erkennen, wie schnell ausgewählte MP3-Songs angespielt werden, nutzen wir eigenes Material, das in den ersten Millisekunden laut wird. Tatsächlich reagieren TVs mit VIDAA (0,8 s) und Tizen (1,1 s) so schnell beim Bildaufbau, dass die Lautsprecher des Fernsehers fast zu spät aktiv waren. Beim Google TV stand der Signalweg nach 2,1 Sekunden stabiler.
Die Suche nach WLAN-Netzwerken wird nur selten aufgerufen, bei webOS gibt es nicht mal einen Menüpunkt dafür. Dennoch gibt es große Unterschiede beim Finden und Sortieren unseres Dutzends an Firmenroutern, die zwischen 2,7 und 5,3 Sekunden liegen.
Ebenfalls zwischen 2 und 5 Sekunden dauerte es, ein Foto mittels der Software iMediashare via DLNA-Protokoll auf den Bildschirm zu übertragen. Hier tat sich Google TV hervor, vielleicht weil Miracast und Chromecast besonders fix verankert sind. VIDAA erwies sich als kaum langsamer, Tizen und webOS benötigten doppelt so lange, Fire TV wollte erst gar nicht mitspielen.

Die Filmsuche mittels Sprachassistent ist ein besonders interessantes Thema, weil hier jede Menge Intelligenz auf Server ausgelagert wird. Hier zählt nicht allein die Reaktionszeit, sondern auch die Qualität der Fundstellen. Somit ist die Vergleichbarkeit nicht perfekt.
Während wir in den Anfängen der Spracherkennung noch mehr oder weniger lustige Fehlanalysen beklagten (statt "Terminator" wurden Videos des "Furminators" abgespielt), klappte die Erkennung der zehn gesuchten Filme hier auf jedem der getesteten Systeme nun einwandfrei. Der Fire TV von TCL nutzt dabei Alexa, Google TV den Google Assistant, Tizen Samsungs Bixby, VIDAA natürlich VIDAA voice und webOS ThinQ (mit angeschlossenem Copilot).
Wir hatten im Vorfeld alle installierten VoD-Dienste für eine Durchsuchung freigeschaltet. Doch jedes OS filtert und sortiert die Ergebnisse nach eigenen Vorgaben, sodass immer etwas anderes herauskommt. Wir können hier aber nur bewerten, dass VIDAA mit 1,9 Sekunden mal wieder der Schnellste ist und sich die anderen hübsch bis zu 4,1 Sekunden hinten anstellen.
Die Auswertung
Wir haben aus den über 600 Messungen Durchschnittswerte, Minima und Maxima gebildet und ein Bewertungsschema entwickelt. Dabei gilt die schnellste Zeit in jeder Kategorie als Referenz und wird mit 100 Punkten belohnt.
Die anderen Kandidaten orientieren sich daran und bekommen für das Verhältnis der Verzögerung Punktabzüge. Ist ein TV beispielsweise halb so schnell wie der Beste, bekommt er noch 50 Punkte, zehnmal langsamer wird er mit 10 abgestraft.
Am Ende wird ein Gesamtdurchschnitt der erreichten Punktzahlen jedes Teilnehmers über die Kategorien gebildet und dieser dann als Prozentzahl ausgedrückt – sprich: Wenn ein TV-Betriebssystem in jeder Kategorie das schnellste gewesen wäre, hätte es eine Geschwindigkeitsbewertung von 100 Prozent bekommen.

And the winner is ...
Nach den vielen Messungen und der Auswertung haben wir einen äußerst klaren Sieger: VIDAA. Dass dieses System schön flüssig läuft, goutieren wir in fast jedem TV-Testbericht, doch dass der Abstand so groß ist, wie unsere Berechnungen zeigten, hätten wir nicht gedacht.
Mit einem Gesamtergebnis von 89 Prozent war der Hisense-TV diesmal in fast jeder Disziplin der schnellste, bei anderen vorn mit dabei und ließ sich nur durch den YouTube-Trick von webOS einmal deklassieren. Das tolle Ergebnis könnte unsere eingangs getätigte Vermutung untermauern, dass diese Middleware näher am TV-Markt entwickelt wurde als andere PC- oder handybasierte Betriebssysteme.
Die Konkurrenz pegelte sich bei einem Gesamtergebnis von nur rund 60 Prozent ein, wobei webOS allein durch die YouTube-Note an Tizen vorbeizog, das vorher klarer Zweitplatzierter war.
Wir gratulieren jedenfalls VIDAA zum Testsieg in diesem Rennen und hoffen, dass insgesamt Fernseher, die immer multimedialer, intelligenter und komplexer werden müssen, dies nicht auf Kosten der Geschwindigkeit tun.