Phonovorstufe
Lehmannaudio Decade Jubilee im Test
Lehmannaudios ohnehin schon hoch gelobter Phonoverstärker Decade erhält mit dem Jubiläumsmodell Decade Jubilee eine Aufwertung. Nun soll der zweiteilige analoge Alleskönner an das Phono-Spitzenmodell Silver Cube aufschließen.

Das Schöne an den Topmodellen eines (HiFi-)Herstellers ist selten ihr Preis. Doch sind sie einmal auf dem Markt und fangen an, ihre Entwicklungskosten einzuspielen, ist es möglich, ihre Technologie zumindest teilweise in preisgünstigere Modelle des Portfolios einfließen zu lassen. Davon profitiert für gewöhnlich zuerst der Zweitbeste. Und nicht selten wird der dadurch zu einem echten Preis-/Leistungs-Schätzchen.
Womöglich lief es beim Decade Jubilee ähnlich. Der zum 30. Firmenjubiläum überarbeitet präsentierte Phonoverstärker durfte ja bereits vorher jede Menge Lobeshymnen einsammeln. Auf dieser Basis konnte es mit sinnvollen Verbesserungen also nur noch weiter klanglich nach oben gehen, zumal auch das Netzteil nicht ausgenommen blieb. Natürlich ist auch der Decade Jubilee, genau wie der „einfache“ Decade, zweiteilig, also mit ausgelagertem Netzteil, aufgebaut.

Das ist gerade bei MC-Phonoverstärkern sinnvoll, hier hat man es mit extrem kleinen Eingangssignalen und hohen Verstärkungsfaktoren zu tun – jede noch so geringe Störspannung landet deshalb unverzüglich quasi am Ohr des Zuhörers, auch und gerade dann, wenn etwa sehr „leise“ Moving-Coil-Tonabnehmer zum Einsatz kommen. Die beiden kompakten Aluminiumgehäuse auf- oder nebeneinanderzustellen, sollte man sich deshalb tunlichst verkneifen; die schiere Länge des Versorgungskabels gibt in etwa die Verhältnisse vor.
Dass das Netzteil keinen frontseitigen Schalter hat, erleichtert die Sache, zumal der Leistungskonsum des Decade Jubilee überschaubar ist. Und natürlich gilt auch hier: Warm klingt er besser. Geeignet für MM- und MC-Tonabnehmer, offeriert der Decade Jubilee insgesamt vier praxisgerechte Verstärkungsfaktoren zwischen 36 und 66 Dezibel. Geregelt wird dies durch praktische Umschalter direkt auf der Frontplatte. Damit sollte es übrigens auch machbar sein, ungewöhnlich ausgelegte Tonabnehmer richtig anzupassen, gemeint ist die Riege „leiser“ MMs und „lauter“ MCs, beides gerne vernachlässigte Fälle, obwohl hier höchst reizvolle Beispiele existieren.

Die bei Moving-Coil-Abtastern ja so wichtige Einstellung der Abschlussimpedanz findet dagegen auf dem Gehäuseboden via Dip-Schalter statt; hier bietet der Decade Jubilee (inklusive der üblichen 47 Kiloohm für MMs oder laute MCs) 100 Ohm für MCs, dazu noch ein Kiloohm (häufig die bessere Option) sowie eine „Wahlimpedanz“, bei der es sich um einen im Inneren des Phonoverstärkers optional steckbaren Widerstand handelt. Da dieser Widerstand der angewählten Impedanz parallel geschaltet wird, sollte man diese Anpassung einem kundigen Händler überlassen oder Lehmannaudio konsultieren.
Drei der kleinen Schiebeschalter sind schließlich für die Lastkapazität bei MM-Tonabnehmern zuständig, damit stehen insgesamt acht Kapazitätseinstellungen zur Verfügung, die zwischen 47 Picofarad und etwa 1300 Picofarad rangieren; die Kapazität des Phonokabels (sie liegt bauartbedingt pro Meter etwa zwischen 50 und 150 Picofarad) darf man sich übrigens dazu denken.
Als eher ungewöhnlich ausgelegt muss das zuschaltbare „Soft Bass Rollof“-Filter gelten, das viel früher als übliche Subsonic-Filter einsetzt; hier ist ausprobieren angesagt, insbesondere dann, wenn der Tieftöner kräftige subsonische Hübe zeigt, die bekanntermaßen kontraproduktiv sind, nur Energie kosten und bei kleinen Zweiwegern die Tiefmittelton-Wiedergabe modulieren. Wie immer, kann so ein Filter oft eine deutliche Klangverbesserung bewirken.
Wunderschön gebaut
Beim Blick unter das Gehäuse des Decade Jubilee lacht das Elektronikerherz: Neu gelayoutet und penibel gebaut, offeriert der Jubiläums-Phonoverstärker ein Ensemble hochwertiger Bauteile, etwa Zinnfolien-Kondensatoren in der passiven Phonoentzerrung, einen extrem rauscharmen OpAmp am Eingang und einen kräftigen, diskret in SMD-Technik verwirklichten Ausgangstreiber, der längere Kabelwege ermöglicht.
Ein aufwendiges Netzteil mit Spannungsregelung, üppigen Siebkapazitäten und geschirmtem Trafo versorgt den Phonoverstärker, dessen Leistungsaufnahme mit acht Watt höchst überschaubar bleibt. Klanglich bereitet der Decade Jubilee auch intimen Kennern der Materie eine faustdicke Überraschung: Er ist unbestechlich präzise, völlig unverfärbt und ohne jede Schönfärberei geradlinig seriös bis auf die Knochen, aber auch einnehmend, tief emotional, farbintensiv, vermittelnd und eindringlich.

Das alles geht bekanntermaßen nur höchst selten so fugenlos zusammen wie in diesem Ausnahmefall und funktionierte übrigens sowohl im Teamwork mit einem Top-MC von EMT als auch mit dem guten, alten SPU A, das wir hier mit hoher Verstärkung und völlig unkonventionell abgeschlossen mit 100 Ohm laufen ließen, angesichts der Rauscharmut des Decade Jubilee kein Problem. Für den tief beeindruckten Tester bleibt da nur eines, nämlich eine dicke Empfehlung mit auf den Weg zu geben – Kompliment, Herr Lehmann!
Fazit
Mit dem Decade Jubilee offeriert Lehmannaudio ein Überraschungspaket, das nicht nur hohe Flexibilität in Sachen Tonabnehmer-Anpassung sowie erstaunliche Rauscharmut bietet, sondern preisunabhängig in der obersten Phono-Liga mitmischt. Klanglich ebenso unbestechlich wie elegant und feinsinnig, verzaubert der Decade mit Emotionalität und prächtigen Klangfarben vor einem tiefschwarzen Hintergrund. Für den Preis zweifellos ein analoger Geheimtipp mit dem Zeug zum Klassiker,